Unter dem Kreuz von Agadez
Gewinnsucht, Menschenhandel – und Jesus
Agadez am Südrand der Sahara war lang für sein Kreuz berühmt, das sich dort durch alle islamischen Jahrhunderte erhalten konnte. Heute hat die Stadt als Abbauort von Uran und Migrantendrehscheibe einen üblen Ruf. Doch kann Jesus die Probleme lösen.
Als schon um 1650 die ersten beiden Missionare ins Sultanat Air und seine Hauptstadt Agadez kamen, staunten sie nicht wenig, dort Menschen zu treffen, die ein Kreuz um den Hals trugen. Bei den Ureinwohnern Nordafrikas, den Berbern, hat sich das christliche Symbol seit den Tagen des Augustinus erhalten. Der «Kirchenvater» gehörte zu diesem Volk, hat seine Werke aber auf Lateinisch geschrieben.
Später wurden die Berberchristen nur oberflächlich islamisiert, haben einige Zeremonien, eine Art Abendmahl und viele Zeichen wie eben das Kreuz bis heute bewahrt. Unter dem Namen «Tasagalt» wird es vom Vater seinen heiratsfähigen Söhnen mit den Worten übergeben: «Mein Sohn, ich schenke dir die vier Ecken der Welt.» Darin ist noch eine Spur des christlichen Kreuzesverständnisses als weltumspannendes Symbol Jesu erhalten geblieben. Als Frauenschmuck aus Silber ist dem Agadez-Kreuz der religiöse Gehalt jedoch verloren gegangen, es dient als Geschmeide und Kapitalanlage.
James Richardson
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Agadez vom englischen Missionar James Richardson wiederentdeckt. Der Ort war damals ein Zentrum des Handels mit schwarzen Sklavinnen und Sklaven Richtung osmanisches Türkenreich. Richardson versuchte, das Los der von arabischen, aber auch europäischen Menschenhändlern Gefangenen durch zwangsläufig begrenzte Loskäufe, vor allem aber dadurch zu lindern, dass er ihnen die Hoffnung auf Jesus, den Befreier, auf den weiten Weg nach Kairo und Istanbul mitgab. Der Missionar und Sklavenfreund starb jedoch, noch ehe sich sein Wirken ausbreiten konnte.Willkommenes Uran
Um das Jahr 1900 geriet Agadez unter französische Kolonialherrschaft. Als diese 1960 endete, wurde das ganze Sultanat Air dem unabhängigen Staat Niger einverleibt. Paris sicherte sich jedoch die Ausbeutung der inzwischen entdeckten Uranvorkommen. Aus ihnen wurden Frankreichs Atomkraftwerke mit Brennstoff versorgt. Ein grosser Teil der französischen Elektrizität war so von Agadez abhängig.
Die Berberbevölkerung, es handelt sich in Air um den Stammesverband der Tuareg, blieb vom Ertrag ihrer Bodenschätze ausgeschlossen. Allerdings fanden Tausende schlecht bezahlte Arbeit in den engen, 200 km langen Uranstollen, statt als freie Männer auf ihren Kamelen durch Sahara und Sahel zu streifen.
Hauptdrehscheibe für Migranten
Frankreichs allmähliche Loslösung vom Atomstrom hat aber in diesem Jahr zur Stilllegung eines Grossteils des Uranabbaus von Agadez geführt. Die nun an die 1'000 Arbeitslosen und noch mehr Kleinunternehmer, die am Abtransport des Gesteins und seiner Aufbereitung beteiligt waren, stehen vor dem Nichts. Sie vermehren das Heer der über 100'000 Mittellosen, die sich in der Stadt und ihrer Umgebung angesammelt haben: Denn Agadez ist zu einer der Hauptdrehscheiben des schwarzafrikanischen Migrantenstromes Richtung Europa und seines Zurückflutens nach Abweisungen oder bereits vor dem Mittelmeer geworden.
Dabei erweist sich schon Libyen meist als Ende der grossen Fahrt, zu der jeden Montag ein Konvoi aus Agadez aufbricht. John aus Gambia war mit dabei. Doch im libyschen Tripolis nahm ihn die Polizei fest und steckte ihn drei Monate ins Gefängnis. Er musste seine Familie anrufen und um Geld bitten, damit die Libyer ihn wieder freiliessen. Sein Freund Musa wird deutlicher: «Wir Schwarzen sterben in den Gefängnissen von Libyen», sagt der 22-Jährige. «Die Libyer hassen die Schwarzen.» Er selbst war dort drei Monate in Haft. Mehrmals wurde er überfallen und verprügelt.
Ein Welcome-Center
Musa hatte sich einst nach Europa aufgemacht, um seine Mutter in Gambia unterstützen zu können. Nun musste er selbst im libyschen Gefängnis seine Mutter anbetteln, ihn freizukaufen, damit er zurückkehren konnte. Das ist ihm aber nur bis Agadez ins «Welcome Center der Internationalen Organisation für Migration» (IOM) gelungen. Dort müssen Tickets organisiert werden, neue Reisedokumente sind bei weit entfernten Botschaften anzufordern. Viele haben ihre Papiere unterwegs verloren. Die Neubeschaffung ist ein langwieriger Prozess – und sie strapaziert die Geduld vieler Migranten. Immer wieder kommt es zu Konflikten im Camp.
Da springt die Hilfsorganisation «Alarmphone Sahara» ein. Sie betreut die in Agadez festsitzenden Zwangsrückkehrer, hilft aber auch den neu zum Mittelmeer Strömenden: «Das ist ihr Menschenrecht, wir können sie nicht zurückweisen, wie das manche europäische Politiker möchten», erklärt Azizu Cheho. Gefahren drohen nicht erst bei der Überfahrt nach Italien oder Griechenland sowie zuvor in Libyen. Schon die Durchquerung der Sahara ist eine halsbrecherische Angelegenheit. Es gibt «Schieber», die falsche Wege führen und die ihnen Anvertrauten irgendwo im Sand verdursten lassen, nachdem sie sie vorher ausgeraubt haben.
Die Helfer der Karmelmission
Aus dieser Hölle von Täuschung, Gewalt und Verzweiflung vermag nur Jesus zu retten. Das hat sich die württembergische Karmelmission zum Ziel gesetzt. Nach Anfängen in Palästina vor über 100 Jahren stellt sie sich mit Schwerpunkt Marokko die Aufgabe, Muslimen, die bisher nichts von Gottes Liebe und Jesus gehört haben, den helfenden und heilenden Heiland zu verkünden. Gerade in ausweglosen Lebensnöten wie neuestens in Agadez. Unter dem Motto «Gottes Liebe und Gottes Wort für Flüchtlinge» stellt die Karmelmission Nahrungsmittel, Kleidung, Matratzen, Decken und medizinische Hilfe zur Verfügung. Vor allem aber bringt sie die Gute Nachricht von Jesus Christus!
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet