Debora und Rolf Sommer
Einheit trotz Verschiedenheit
Debora Sommer ist introvertiert, ihr Mann Rolf extrovertiert. Diese Verschiedenartigkeit führte zu einer schweren Ehekrise. Doch die beiden haben gelernt, ihre Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und sogar zu schätzen.
Debora Sommer ist Dozentin am Theologischen Seminar St. Chrischona und Autorin, Rolf Sommer Theologe, Coach und Berufsberater. Im Talk-Gottesdienst der reformierten Kirche Gossau ZH erzählte das Paar, wie sie wieder zueinander gefunden haben.
«Mit mir stimmt etwas nicht, ich passe hier nicht dazu» – das war oft Debora Sommers Gefühl. Sie wusste als junge Frau nicht, dass sie eine introvertierte Person ist, und was das im Alltag bedeutet. «Wir machen die Art eines Menschen oft an seinem Verhalten fest», erklärt sie. Dabei gehe es im Kern eher um die Frage, wo man seine Energie hernehme.
Es können Intro- und Extrovertierte vor Publikum stehen. Die eine Person tankt auf durch die Interaktion, die andere ist nachher erschöpft. Man gehe davon aus, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung extro-, die andere introvertiert ist. Beide Typen bringen wichtige Werte ein, die einander ergänzen. «Gott hat das so gemacht», betont Debora. «Es ist gut so.»
Zeit geben
Introvertierte Menschen haben einen inneren, privaten Raum, den sie nicht mit anderen teilen. Sie reagieren nicht sofort auf eine Situation und können daher abgewandt und distanziert wirken. «Ich trete jeweils einen Schritt zurück und beobachte zuerst, bevor ich etwas sage», legt Debora dar. «Wenn das Gegenüber extrovertiert ist, sofort kommentiert und eine Reaktion erwartet, kann das zum Konflikt führen.» Bekommen Introvertierte jedoch die Zeit, die sie brauchen, um das Erlebte zu ordnen und verarbeiten, ist ihr Beitrag wertvoll. Genauso wie die Fähigkeit des Extrovertierten, rasch zu reagieren und spontan zu entscheiden.
Ablehnung?
«Weil man die Art des anderen nicht einordnen kann, fühlt man sich davon überfordert», hält Rolf Sommer fest. Wenn seine Frau nach Hause kam und sich sofort zurückzog, irritierte ihn das, er fühlte sich zurückgestossen. Heute weiss er, dass sie erst einmal Ruhe braucht, um sich zu regenerieren. Anschliessend kann sie sich wieder auf ihn einlassen. «Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich voller Energie, stellt Rolf klar. «Ich bin Menschen begegnet, konnte ihnen helfen, habe Erfahrungen mit Gott gemacht – das erfüllt mich.» Davon erzählt er auch gern, möchte sein Erleben mit seiner Frau oder der Familie teilen.
Hochsensibel mal drei
Unterschiedlich ist nicht nur das Ehepaar, sondern auch seine Kinder. Beide sind hochsensibel, die Tochter extro-, der Sohn introvertiert. Es sei für alle ein Segen gewesen, als sie benennen konnten, weshalb sie einander manchmal nicht verstehen. Sie hätten gelernt, Kompromisse zu schliessen und manchmal auch mit Humor zu reagieren.
«Mit drei Hochsensiblen zusammenzuleben, ist nicht ganz einfach», schmunzelt Rolf. Er habe viele Fehler gemacht, sein Sohn habe unter ihm gelitten. Seine Tochter und er könnten sich dafür triggern, weil sie in gewissen Situationen gleich reagierten. Da sei es nötig, einander immer wieder zu vergeben. «Vergebung ist das zentrale Thema im Zusammenleben», stellt er klar.
Jedes Kind ist anders
Auch in der Kindererziehung hat es Auswirkungen, welchem Typ ein Kind angehört. Für introvertierte Kinder sei Zimmerarrest eine Freude, für die anderen ein Horror. «Man muss aufmerksam bleiben, versuchen, sein Kind zu verstehen und im Gespräch bleiben.» Wichtig sei, ihm immer wieder zu verstehen zu geben: «Du bist gut, so wie du bist!», erklärt Debora.
Rolf hat gelernt, dass er alles weglegen muss, wenn seine Tochter nach Hause kommt und sofort erzählen will, was sie erlebt hat. Beim Sohn sei das anders. Da müsse er den richtigen Zeitpunkt finden und auch mal aktiv auf ihn zugehen, wenn er den Eindruck habe, es gehe ihm nicht gut. «Es ist wichtig, jedes Kind gemäss seiner Persönlichkeit anzusprechen.»
Berufswahl
Als Berufsberater fordert Rolf junge Menschen auf, ihren Typ zu berücksichtigen, wenn sie ihre Arbeit wählen. Introvertierte seien schnell überfordert in Jobs, die ständige Interaktion mit Menschen voraussetzen, zum Beispiel im Verkauf. Wenn der Arbeitsplatz zu laut oder hell sei, solle man aktiv werden, um die nötigen Veränderungen zu erreichen. Das kann ein Pult weiter hinten oder in einem kleinen Raum sein.
Deborah ist wichtig, auch Gott zu fragen, in welchem Bereich man seine Talente einsetzen soll. Sie hätte sich nie zugetraut, zu referieren. Doch dank weisem Einsatz ihrer Energie und genügend Erholungszeit mache ihr diese Aufgabe heute Freude.
Sich öffnen, voneinander lernen
In der Ehe helfe es, einander zu erzählen, wie man verschiedene Situationen auffasse und darauf reagiere. Um sich und den Partner besser kennenzulernen, hätten sie hilfreiche Bücher gelesen und Tests gemacht. «Gott will, dass wir einander ergänzen», stellt Debora klar. «Dabei ist meine Wachstumsrichtung, dass ich mich der Gemeinschaft stelle.» Und Rolf ergänzt: «Und ich will mich vermehrt zurückziehen und innere Prozesse zulassen.» So wachse gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung.
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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet