Wie kann Gott ein Menschenopfer verlangen?

«In der Bibel (1.Mose, Kapitel 22, Vers 2) wird beschrieben, dass Gott von Abraham verlangte, seinen Sohn zu opfern. Wie kann ein liebender Gott das tun, insbesondere wenn er doch in der Bibel ausdrücklich Menschenopfer verbietet?»

Vielen Menschen bereitet es grosse Probleme, dass Gott Abraham aufforderte, seinen Sohn Isaak zu opfern. Auch wenn man weiss, dass Gott hinterher eingegriffen und die Opferung selbst verhindert hat (Die Bibel, 1.Mose Kapitel 22, Verse 11–12), passt das scheinbar überhaupt nicht zu einem Gott, der hinterher die Opferung von Kindern als Gräuel bezeichnet, und schon gar nicht zu einem Gott, von dem das Neue Testament behauptet, dass er die Liebe ist (1.Johannes, Kapitel 4, Vers 8).

Keine grundsätzlichen Zweifel

Zwei Dinge gilt es jedoch zu beachten: Abraham selbst scheint die Aufforderung Gottes nicht in einen grundsätzlichen Zweifel an Gott und seinem Wesen gestürzt zu haben. Offenbar empfand er aufgrund seiner Erziehung und Prägung Gottes Auftrag anders, als wir dies tun. In seiner Umgebung wurden viele Götzen angebetet. Dabei kam es immer wieder zu Menschenopfern. Dies war für Abraham also an und für sich nichts Unbekanntes oder gar Unvorstellbares. Bisher hatte Gott ja auch noch nicht gesagt, dass er solche Opfer ablehnt. Das offenbarte er erst später im mosaischen Gesetz. Von daher irritierte Gottes Aufforderung Abraham wohl nicht so sehr, wie sie uns irritiert.

Auf unsere Prägungen eingegangen

Im Gegenteil: Abraham verstand genau, worum es Gott ging. Gott wollte seinen ungeteilten Gehorsam und seine ungeteilte Liebe. Und er wollte sehen, ob Abraham Gottes Zusage, dass er durch Isaak zu einem grossen Volk werden würde, auch dann noch vertrauen würde, wenn menschlich alles dagegen sprach. Der Hebräerbrief betont daher, dass Abraham davon überzeugt war: „Gott kann auch von den Toten erwecken“ (Hebräer, Kapitel 11, Vers 17).

Diese Geschichte macht daher deutlich, wie sehr Gott auf uns Menschen und unsere Vorstellungen und Prägungen eingeht, um uns das zu zeigen, was wir lernen sollen. Abraham verstand durch diese Prüfung genau, was er lernen sollte, weil er Gottes Forderungen verstand und einordnen konnte. Mit Abraham ging Gott also ganz anders um, als später mit einem Mose, David oder heute mit uns. Gott lässt sich sozusagen auf unsere Prägungen und unsere kulturellen Vorstellungen ein, um uns ganz persönlich zu begegnen.

An erster Stelle

Auch das Neue Testament macht sehr deutlich, dass sich an der grundsätzlichen Forderung Gottes, den ersten Platz in unserem Leben einzunehmen, nichts geändert hat. Jesus erklärt, dass niemand sein Jünger sein kann, wenn er nicht „Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst“ hasst (Lukas, Kapitel 14, Vers 26). Gemeint ist hier natürlich nicht ein „hassen“ im Sinne einer emotionalen Ablehnung. Wie damals bei Abraham geht es auch Jesus darum, dass nichts in unserem Leben Gottes Platz einnehmen darf.

Jesus fragt hier nach der Wertordnung in unserem Denken und er tut das auf eine sehr deutliche und drastische Art und Weise, denn es handelt sich wirklich um eine ganz zentrale Frage unseres Glaubens.

Gestärkter Glaube

Fazit: Natürlich hatte Gott niemals vor, von Abraham einen tatsächlichen Vollzug des Opfers seines Sohnes Isaak zu fordern. Aber Gott wollte Abrahams Glauben prüfen. Nicht, weil Gott selbst nicht wusste, wie sehr Abraham ihm vertraute, sondern weil diese Prüfung Abrahams Glauben letztlich stärkte. Und damit wir heute daraus lernen, dass auch in unserem Leben nichts und niemand (und vor allem nicht wir selbst) wichtiger sein darf als Jesus Christus und seine Nachfolge.

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Autor: Dr. Hans-Georg Wünch


Quelle: Neues Leben

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