Herkunft

Richtige „Sekten“ – gibt es das noch?

„Sekten“ – das Verständnis davon hängt vom jeweiligen Zeitgeist ab.

Sekte – das Wort wurde entweder von secare (abschneiden, abtrennen) oder Sector (ein Abschnitt, ein Teilbereich) abgeleitet, meinte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine Gruppierung mit christlichem Hintergrund, die einen Teilbereich der biblischen Offenbarung verabsolutiert und andere ausblendet, oder aber zur biblischen Offenbarung eigene Offenbarungen hinzufügt und sie damit verfälscht. Ausserdem zeichneten und zeichnen sich solche Gruppierungen dadurch aus, dass sie andern Gruppen und den traditionellen Kirchen das Heil absprechen.

Dieses Selbstverständnis und dieser Sektenbegriff lebten von der Überzeugung, dass es eine absolute Wahrheit, eine unverfälschte Offenbarung Gottes gibt, die man entweder hat oder nicht hat. Solche Sekten beanspruchten, sie zu haben und versuchten, Mitglieder anderer Kirchen davon zu überzeugen und als Mitglieder für ihre Organisation zu gewinnen.

Beispiele: Zeugen Jehovas, Neuapostolische Kirche, Mormonen.

Jugendreligionen und -bewegungen

Besonders in den 70er Jahren kamen dann Bewegungen und Gruppen auf, die von ausserchristlichem, vor allem fernöstlichem Gedankengut lebten und aktiv Mitglieder warben, auch Christen. Sie waren aber nicht Sekten im bisherigen Sinne. Sie hatten nichts mit der Bibel zu tun oder interpretierten sie ganz neu. Damals entstand der Begriff Jugendreligionen, weil sie vor allem Jugendliche gewinnen konnten.

Im Geist des zunehmenden Relativismus und Pluralismus entstanden jetzt dauernd neue religiöse Bewegungen, die nicht mehr nur Jugendliche erfassten. So musste eine neue Bezeichnung gefunden werden. Die „Sektenbeauftragten“ der Landeskirchen prägten daher die Begriffe „religiöse Sondergruppen“ und „neue religiösen Bewegungen“.

Als „sektiererisch“ – in der Folge wurde bei der kritischen Beurteilung dieser Bewegungen noch mit diesem Begriff gearbeitet – gelten die neuen Gruppierungen und Bewegungen, weil sie sich gegenüber ihren Mitgliedern vereinnahmend verhalten und/oder sie zum Teil regelrecht psychisch an sich binden. Oder weil sie Praktiken fördern, die selbst einer libertären Gesellschaft zu weit gehen, zum Beispiel den Einsatz weiblicher Sexualität zur Gewinnung neuer Mitglieder, wie es zum Beispiel die „Kinder Gottes“ in ihrer Entwicklungsphase taten.

Autonomie statt Wahrheit

In den 80-er und 90-er Jahren ging es also immer weniger um Inhalte, die als „sektiererisch“ galten, sondern um die Art und Weise, wie die neuen Bewegungen die Autonomie ihrer Mitglieder beschnitten. Sobald ein gewisser Gruppendruck spürbar wurde, erhielt eine religiöse Gemeinschaft das Etikett „sektiererisch“, ob sie nun einen christlichen, therapeutischen oder fernöstlichen Hintergrund hatte. Besonders neue christliche Gruppierungen, die von Stellen wie der Zürcher „Infosecta“ beobachtet werden, und über die das Publikum wenig wusste, gelten schnell mal als sektiererisch, einfach nur schon deshalb, weil bei der Beratungsstelle öfters Anfragen über sie eingingen. Heute muss sich zum Beispiel die International Christian Fellowship (ICF) öfters gegen den Vorwurf wehren, „sektiererische Züge“ zu tragen, ganz einfach, weil sie ein starkes Gruppenerlebnis bietet und bei ihrer Verkündigung an Tabus wie Homosexualität und vorehelichem Geschlechtsverkehr rüttelt. Das moderne Sektenverständnis hat also auch mit der Werteverschiebung zu tun. Wer an alten Werten festhält, die von der Gesellschaft gemeinhin aufgegeben worden sind, gerät leicht in Sektenverdacht. Die Kriterien messen sich an dem, was in der Gesellschaft aktuell mehrheitsfähig ist. Und diese Werte sind einer ständigen Veränderung unterworfen.

Zum Thema
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Datum: 14.03.2005
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Jesus.ch

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