Der Papst, Islam und Gewalt

Vier Gründe, warum Franziskus irrt

Papst Franziskus hat islamistischen Terror mit Straftaten von Christen verglichen und somit relativiert. Seine Logik überzeugt nicht – aus vier Gründen. Ein Kommentar von Moritz Breckner.

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Papst Franziskus
«In fast jeder Religion gibt es immer eine kleine Gruppe von Fundamentalisten – bei uns auch.» Das sagte Papst Franziskus am Sonntag, als er von Journalisten gefragt wurde, warum er den Islam nicht im Zusammenhang mit islamistischem Terror nenne. So, wie es kriminelle Muslime gebe, gebe es auch kriminelle Katholiken: «Der eine tötet seine Freundin, der andere tötet seine Schwiegermutter, und das sind alles getaufte Christen.» Der Vergleich hinkt – aus diesen Gründen:

1. Die Motivation der Täter

Ein getaufter Katholik, der seine Schwiegermutter tötet, mag dies aus vielen Gründen tun – aber nicht aus einem religiösen Motiv heraus. Islamisten sehen sich mit Allahs Segen in einem «Heiligen Krieg» gegen alle «Ungläubigen». Als Märtyrer erhoffen sie sich eine reiche Belohnung. Ein Christ, der jemanden ermordet, tut dies in der Regel aus Motiven wie Eifersucht oder Gier – dass er Christ ist, spielt für die Kausalität keine Rolle.

2. Rückhalt in der Religion

«Du sollst nicht töten» ist eines der zentralen Gebote des Christentums. Das Christentum hat die Aufklärung durchschritten und ist seit Jahrzehnten in westliche, liberal geprägte Demokratien integriert. Trotz manch brutaler Schriftstelle im Alten Testament: Eine Bibelauslegung, die zu Terrorismus und Gewalt führt, fände keine prominente Bühne, weil sie nicht haltbar wäre. Das gilt auch für fast alle kleineren, bekenntnisorientierten Gruppen, die manche vielleicht «fundamentalistisch» nennen würden. Weder organisieren solche Gruppen Terroranschläge, noch können Terroristen auf Rückhalt aus solchen Gruppen zählen. Über weite Teile des Islam und islamisch geprägter Gesellschaften lässt sich das nicht sagen. Der Koran erlaubt ausdrücklich das Töten Ungläubiger, und es lässt sich nicht feststellen, dass nur eine verschwindend geringe Anzahl an Gläubigen dies so auslegt.

3. Die Quantität

Sicherheitskontrollen am Flughafen, mehr Polizei, immer wieder Nachrichten von Terroranschlägen wie in Nizza mit über 80 Toten: Der radikale Islam hält derzeit die Welt in Atem und ist ein globales Sicherheitsproblem. Seit dem 11. September 2001 gehen zehntausende Tote auf das Konto von Islamisten, die meisten Opfer sind übrigens Muslime. Von fundamentalistischen Christen lässt sich nichts Vergleichbares behaupten.

4. Die Qualität

Fundamentalismus im Christentum und im Islam äussert sich unterschiedlich. Fundamentalismus im Islam führt fast immer zu körperlicher und struktureller Gewalt gegen Nicht-Muslime und Frauen. Fundamentalismus im Christentum führt meist dazu, dass die Gläubigen beten, zur Kirche gehen und im Idealfall den Armen helfen. «Fundamentalistische» Christen kritisieren vielleicht zu viel nackte Haut im Fernsehen – sie wollen Frauen aber deshalb nicht mit einer Burka verhüllen oder den Fernsehsender in die Luft sprengen. Unbestritten: Fundamentalistisches Denken kann auch im Christentum Zwang, Druck und Intoleranz zur Folge haben. Allerdings in einer ganz anderen Qualität als im Islam.

Fazit

Papst Franziskus hat einen sehr unglücklichen Vergleich gewählt. Er hätte erklären können, dass die meisten Opfer von islamischem Extremismus Muslime sind. Oder in Erinnerung rufen müssen, dass gläubige Muslime in Europa auch sozial engagiert sind und eine Bereicherung sein können. Stattdessen hat er versucht, Islam und Christentum sowie fundamentalistisch denkende Anhänger beider Religionen in Inhalt und Ausprägung gleichzusetzen. Ein Versuch, der natürlich zum Scheitern verurteilt ist.

Zum Thema:
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Datum: 03.08.2016
Autor: Moritz Breckner
Quelle: PRO Medienmagazin

Kommentare

Wenn ich meine Kommentare von damals heute wieder lese, muss ich zugeben, dass einiges von der formulierten Schärfe der Wut des Augenblicks entsprang. Ich würde heute nicht mehr tel quel behaupten, dass sein Vergleich böse Absicht ist. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass er sich bei anderen Gelegenheiten zugunsten von Evangelikalen aussprach. Aber dieser Artikel wie auch die neuliche Erklärung von Marokko oder die Gleichsetzung aller Religionsangehörigen als "Kinder Gottes" zeigen deutlich, dass dieser Papst ein Problem mit der Abgrenzung gegen andere Religionen hat (Naivität, Verwirrung). Von einem Papst erwartet man, dass er das nach seinem Verständnis Christliche vor der Welt verteidigt.
Ob naiv oder nicht (wohl eher nicht) - es ist nicht das erste Mal, dass dieser Papst die "Fundamentalismus-Keule" benutzt. Ein Journalist der FAZ formulierte es 2015 bezüglich des Papstes und seines Fundamentalismus-Diskurses so: "Dabei gehorchen seine pastoralen Texte durchaus einer jesuitisch geschulten Hermeneutik des Hintertürchens: Formuliere die Dinge mit hinreichender Unschärfe stets so, dass alle Türen offen bleiben, und sei es zunächst auch nur einen Spalt, durch den dann später eine neue Lehre wehen kann."
Papst Franziskus ist sicher ein guter Mensch und hat eine persönliche Jesusbeziehung; aber - wie viele sehr sozial denkenden Menschen - ist er auch ein "Gutmensch": naiv gegenüber dem realen Bösen. Es ist anzuerkennen, dass er katholischen Fundamentalismus (der in der Vergangenheit Schlimmes angerichtet hat) verurteilt; dennoch hinkt der Vergleich mit dem islamischen Fundamentalismus an allen Ecken und Enden. Danke für den klärenden Pro-Artikel.
Das hier geschriebene trifft den Nagel auf den Kopf. Der sogenannte Papst Franziskus geht eigene Wege, welche bei manchen Gläubigen, auch Katholiken, einen grosses Fragezeichen auf wirft. Wie kann es sein, dass ein Papst solche Worte ausspricht, ja sogar solche absurden Vergleiche macht? Wo steht dieser Mensch mit seinen Gedanken und Handlungen wirklich vor Gott? Ich erinnere mich nicht daran, dass JP II, oder Benedikt XVI jemals solche Äusserungen von sich gaben. Wer ist dieser Mann aus Rom wirklich?? Er nennt sich nur den Bischof von Rom! Wenn er schon den Stuhl Petri besetzt so sollte ihm klar sein, wer dies tut. Ich lese das Buch Daniel sowie die Offenbarung und finde Antworten
Ich glaube, dass es kein Irrtum, sondern volle Absicht des Papstes war, christliche und islamische Fundamentalisten in einen Topf zu werfen. Denn christliche Fundamentalisten (d.h. die sich auf das Fundament der Bibel berufen) lehnen die unbiblischen katholischen Sonderlehren ab und verweigern sich der Ökumene der Konfessionen und Religionen. Der Papst, der diese Dinge fördert, hat deshalb ein Interesse, Christen, die sich dagegen wehren, zu diskreditieren. "Fundamentalismus" war von Beginn weg übrigens kein negativer Begriff, sondern entstand in den 1910er-Jahren durch Christen, die sich der überhandnehmenden Bibelkritik widersetzten und sich neu auf die Bibel (das Fundament) besannen.

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