Sensationelle Schriftfunde zum Neuen Testament

Fast jeder hat schon von den spektakulären Text-Funden von Qumran am Toten Meer gehört. 1947 entdeckte ein Beduine dort bei der Suche nach einer entlaufenen Ziege uralte Schriftrollen. Unter diesen Texten befindet sich die älteste Abschrift des Alten Testaments. Genaue Untersuchungen ergaben: Der biblische Text des Alten Testamentes wurde konstant in die Neuzeit überliefert. Doch wie steht es um das Neue Testament? Gibt es auch hier Funde, die eine genaue Überlieferung belegen?

Um die Jahre 1930/31 tauchten im Antikenhandel von Kairo mehrere Papyrusbücher auf, die grosse Teile des Alten und Neuen Testaments enthielten. Es waren keine vollständigen Handschriften, aber ganze Lagen einer "Papyrus-Bibel", mit Teilen der Evangelien und der Apostelgeschichte sowie der Paulusbriefe und der Offenbarung.

Die ägyptischen Händler verlangten solch hohe Preise, dass für Museen und Institutionen der Ankauf unmöglich war. Schliesslich kaufte der damals in London lebende amerikanische Millionär Sir Chester Beatty diese aussergewöhnlichen Handschriften auf.

Die Papyrusbücher stammen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. und werden heute als die "Chester Beatty-Papyri" bezeichnet. Beduinen hatten die Handschriften etwa 100 Kilometer südlich von Kairo in einen Tonkrug unweit eines alten Klosters gefunden. Die Bücher sind wohl einmal aus der Klosterbibliothek ausgeschlossen worden, aber aus Scheu vor der Heiligkeit der Bücher nicht verbrannt, sondern - wie in der Bibel gefordert - in einen Krug gesteckt und vergraben worden (vergleiche Jeremia 32,14).

Diese Funde sind von besonderer Bedeutung, denn vom Neuen Testament waren bis zu dieser Entdeckung nur zwei Handschriften aus dem 4. Jahrhundert bekannt; und zwar der so genannte "Codex Vaticanus" von 325 n. Chr., der im Neuen Testament aber unvollständig ist und der berühmte "Codex Sinaiticus" von 350 n. Chr., der sich als die älteste komplette Handschrift des Neuen Testaments entpuppte. Aufgrund des hohen Alters wurde dieser Codex zu einem der wichtigsten Textzeugen für das Neue Testament.

Durch die Entdeckung der Chester-Beatty-Papyri konnte der neutestamentliche Text aber nochmals um weitere 150 bis 200 Jahre zurückverfolgt werden. Der Abstand zwischen den Handschriften und den Originalen wurde so immer geringer. Die Möglichkeit, dass die Texte verfälscht worden waren - wie es weniger sachkundige Kritiker gerne behaupten - geriet immer unwahrscheinlicher. Man stellte im Gegenteil fest, dass auch diese Handschriften die gute Überlieferung des Neuen Testaments belegen.

Kleines Fragment - grosse Wirkung

Unter den Bibelwissenschaftlern war die Erregung über die Chester Beatty-Papyri noch nicht abgeklungen, da platzte eine weitere archäologische Bombe. Bereits 1920 hatte der englische Papyrusforscher Grenfell ein nicht mal handgrosses Bruchstück einer Papyrushandschrift in Ägypten erworben und mit nach England gebracht. Da Grenfell Hunderte ähnlicher Papyrusfragmente zu bearbeiten hatte, war ihm der unscheinbare Teil gar nicht aufgefallen. Er starb über seinen Arbeiten 1926. Erst sein Nachfolger C.H. Roberts untersuchte 1934 diesen 6 mal 9 cm grossen Papyrus, der auf beiden Seiten beschrieben ist. Das Fragment stammt also nicht von einer einseitig beschriebenen Schriftrolle, sondern aus einem "Papyrus-Buch" - aus einem Codex.

Als Roberts den Text identifizierte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Der Fetzen stammte aus dem Johannes-Evangelium. Auf der Vorderseite stehen Bruchstücke von Kapitel 18 Vers 31-33 und auf der Rückseite von Vers 37-38 (das Verhör Jesu vor Pilatus). Die griechische Schrift datierte Roberts auf 100-125 n. Chr. Plötzlich hatte er den ältesten Beleg für das Neue Testament in seinen Händen. Als man den Text dieses Papyrus (heute als P52 bezeichnet) untersuchte, stellte man fest, "dass er mit dem aus dem Mittelalter überlieferten Text genau übereinstimmt".

Dieser kleine Fetzen hat für die Forschung eine besondere Bedeutung. So sagte der Handschriftenforscher Professor Martin M. Metzger: "Obwohl der Umfang der Verse so gering ist, besitzt dieser winzige Fetzen in einer Hinsicht ebensoviel Beweiskraft wie sie ein ganzer Codex [eine ganze Handschrift] haben könnte. Genau so wie Robinson Crusoe aus dem Anblick eines einzigen Fussabdruckes schliessen konnte, dass ausser ihm noch ein zweites menschliches Wesen mit zwei Füssen auf der Insel war, so beweist P52 das Vorhandensein und den Gebrauch des vierten Evangeliums in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts in einer Provinzstadt am Nil, weit weg von seinem überlieferten Entstehungsort (Ephesus in Kleinasien). Wäre dieses Fragment in der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt gewesen, dann hätte [man] ... nicht behaupten können, das vierte Evangelium sei nicht vor etwa 160 entstanden".

Und Prof. Oscar Paret urteilte: "Für den Geschichts- und Altertumsforscher ist der Fund dieses Blattes etwas ganz Unerhörtes. .[Das Johannesevangelium] muss wirklich schon um das Jahr 100 geschrieben worden sein und nicht erst im späten 2. Jahrhundert [...]. Damit gewinnt die Annahme, dass der Jünger des Herrn - und nicht irgendein anderer Johannes - das Evangelium geschrieben hat, an Sicherheit". So zeigte der Papyrus P52, dass die bis dahin oft propagierte späte Abfassungszeit des Johannesevangeliums völlig falsch war.

Nach altkirchlicher Überlieferung wurde das Johannes-Evangelium um 95 n. Chr. veröffentlicht. Das Papyrusfragment belegt eine Abschrift des Johannes-Evangeliums für den Zeitraum von 100-120 n. Chr. Wenn man den frühesten Zeitpunkt für die Handschrift annimmt, dann bedeutet dies, dass wir es hier mit einer der ersten Abschriften des Johannes-Evangeliums zu tun haben. Gerade mal fünf Jahre ist die Abschrift von dem Original entfernt, das heisst, wir haben es hier wahrscheinlich mit der ersten Abschrift zu tun. Eine absolute Sensation! Doch noch ein weiterer bedeutsamer Fund darf nicht unerwähnt bleiben.

Das Johannesevangelium als Papyrus-Taschenbibel

1956 gelang dem Schweizer Millionär Martin Bodmer, einem leidenschaftlicher Sammler wertvoller Bücher und Handschriften, eine ungewöhnliche Erwerbung. Im ägyptischen Wüstensand waren Papyri im Umfang von mehr als 2.000 Textseiten entdeckt worden. Bei der Auffindung waren es noch viel mehr Seiten, doch durch die Unwissenheit des Entdeckers wurden etliche Blätter zum Anzünden für eine Wasserpfeife benutzt und ins Feuer geworfen, da sie so einen schönen aromatischen Geruch verbreiteten.

Bis heute rätseln Forscher, ob diese antike Bibliothek von einem frühchristlichen Bücherfreund aufgebaut worden ist, oder ob es sich um die Texte einer Schreiberschule handelt. Unter den Texten befinden sich unter anderem die einzigen Belege für drei Komödien von Meander, eine Abschrift der beiden Petrusbriefe (P72 / 3. bis 4.Jahrhundert) und eine fast vollständige Abschrift des Johannesevangeliums (P66) aus dem Ende des 2. Jahrhunderts oder vielleicht sogar aus der Zeit um 150 n. Chr. Die Schätze werden heute in Cologny, einem noblen Vorort von Genf, im Bodmer-Museum für Weltliteratur aufbewahrt.

Das Manuskript des Johannesevangeliums ist handgross, nur etwas breiter. Schon in der Antike kannte man anscheinend Bibeltexte im Taschenformat. Deutlich ist die Überschrift in grossen griechischen Buchstaben erkennbar, auf Deutsch: "Evangelium nach Johannes". Was hat dieses Papyrusbuch nicht alles erlebt? Über 1.800 Jahre hat die Handschrift überdauert. Bei solchen Papyrifunden spürt man ein wenig von dem Wort des Propheten Jesaja: "Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt. Aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit" (Jesaja 40,8).

Das Neue Testament - einzigartig überliefert

All diese neuen Papyrifunde sind natürlich für die Textforscher sehr wichtig, die den ursprünglichen Text des griechischen Neuen Testaments rekonstruieren, wo es auf jeden einzelnen Buchstaben ankommt. Die Arbeit an diesen Texten ergab, dass es bei Fragen des originalen Wortlautes neue Detailerkenntnisse gibt, doch die inhaltliche Botschaft des Neuen Testaments blieb beständig überliefert. Einer der Spezialisten für die antiken Papyri, der amerikanische Professor Philip Wesley Comfort, urteilte nach jahrzehntelanger Forschung: "Egal welche Differenzen im Wortlaut in diesen frühen Handschriften existieren (...), die frühen Christen, die diese Handschriften besassen, lasen dieselbe grundlegende Botschaft über den Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der am Kreuz für die Vergebung der Sünden starb, und auferstand um allen das Leben zu geben, die an ihn glauben". Das Fazit der Forscher: Das Neue Testament ist besser als jedes andere Buch der antiken Weltliteratur überliefert.

Vom griechischen Text des Neuen Testaments liegen heute insgesamt 5.400 Handschriften vor. Dazu kommen noch über 9.000 Übersetzungen in lateinisch, syrisch, koptisch etc. und 36.000 Bibel-Zitate aus den anfänglichen Schriften der Kirchenväter. Von keinem Werk der Antike gibt es mehr Handschriften. Bis auf einen ganz geringen Zeitabstand reichen die neutestamentlichen Handschriften an die berichteten Ereignisse heran. Auch dies unterscheidet das Neue Testament von allen anderen Büchern der Antike. Bei den antiken griechischen Schriftstellern beträgt der Abstand zwischen Autor und erhaltener Handschrift in der Regel 1.000 Jahre. Die älteste vollständige Handschrift des berühmten Homer stammt sogar erst aus dem 13. Jahrhundert n. Chr., ist also vom Autor über 2.000 Jahre entfernt.

Beim Johannes-Evangelium beträgt der Abstand zwischen Original und Abschrift aber nur rund fünf Jahre. Der international bekannte Neutestamentler Professor Frederik F. Bruce von der Universität Manchester stellte deshalb fest: "Wir haben viel mehr Unterlagen für die neutestamentlichen Schriften als für die meisten Schriften klassischer Autoren, deren Echtheit anzuzweifeln niemandem einfallen würde. Wäre das Neue Testament eine Sammlung von weltlichen Schriften, so wäre seine Echtheit im Allgemeinen über allen Zweifel hoch erhaben. Es ist eine seltsame Tatsache, dass Historiker den neutestamentlichen Schriften oft viel bereitwilliger Vertrauen geschenkt haben als viele Theologen. Es gibt nun einmal Menschen, die ein ,heiliges' Buch ipso facto mit Argwohn betrachten und viel mehr Bestätigung für seine Echtheit verlangen, als sie je für ein gewöhnliches, weltliches oder heidnisches Schriftstück fordern würden".

Heute werden Forscher nicht müde darauf hinzuweisen, dass die enorme Fülle der Handschriftenfunde zum Neuen Testament so weit zurückreichen, dass unsere aktuellen Bibelausgaben, die auf diesen uralten Manuskripten beruhen, denselben Textbestand haben wie die Bibel der frühen Christenheit. Die Bibel ist einzigartig überliefert, das können auch Skeptiker, die sich über den aktuellen Forschungsstand informieren, nicht bestreiten.

Doch das Wissen um die hervorragende Überlieferung der Bibel allein genügt nicht, - denn die Bibel ist mehr als ein faszinierendes antikes Buch. Sie ist ein Liebesbrief Gottes an die Menschen. In ihr wird man über den Sinn des Lebens informiert, und wie den Menschen die Tür zu Gott wieder geöffnet wurde.

Eine alte Bibel zu Hause, und selbst wenn es eine der uralten Bibelhandschriften aus der Antike wäre, bringt niemanden näher zu Gott. Die ewige Errettung bekommt man nur geschenkt, wenn jemand Jesus Christus, das ganzes Herz und Leben schenkt. Dann darf man erleben, wie Schuld vergeben wird und die Bibel lebendig wird.

Alexander Schick, ist Publizist und Leiter der grössten wandernden Qumran- und Bibelausstellung Europas. Forschungsreisen führten ihn nach Jerusalem, Qumran und in den Vatikan. Sein Buch "Faszination Qumran" wurde ein Bestseller.

Bibelausstellung

Durch die Initiative von Alexander Schick entstand 1992 zum "Jahr mit der Bibel" auf Sylt die "Qumran- & Bibelausstellung Sylt". Im Laufe vieler Jahre und Forschungsreisen entstand eine hochwertige Sammlung wertvollster Bibeln und Dokumente. Diese Wanderausstellung ist für Kirchen, Gemeinden und Museen ausleihbar. Einen virtuellen Ausstellungsführer findet man unter www.bibelausstellung.de. Zudem werden zwei Diaserien zum Ausleihen für Gemeinden angeboten: Serie 1: Qumran - die Schriftrollen vom Toten Meer. Serie 2: 6000 Jahre und ein Buch.

Anlässlich des Jahres der Bibel befindet sich die Ausstellung auf Deutschlandtournee. Termine und Buchungsanfragen unter Fax (04651) 1792, im Internet unter www.bibelausstellung.de oder per E-Mail: Schick.Sylt@freenet.de.

Datum: 03.09.2003
Autor: Alexander Schick
Quelle: Neues Leben

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