«parakaleo»
Ein kleiner Ratgeber zur Ermutigung
Ermutigung ist wichtig. Oft wird diese aber erst dann wirksam, wenn sie von Trost und Ermahnung flankiert ist – ein sanftes aber bestimmtes Zureden, welches auf Gott hinweist.
Wie ermutigen wir andere Menschen? Manchmal geschieht dies, indem jemandem schöne Worte, die seiner Seele gut tun und vielleicht auch seinem Ego schmeicheln, zugesprochen werden. Zuweilen gilt als Ermutigung auch, jemanden zu Höchstleistungen anzutreiben. Die Bandbreite ist gross. Ein griechisches Verb hilft zu einem ganzheitlichen Verständnis.
Stehen «ermutigen» und «ermahnen» im Widerspruch?
In unserem Sprachgebrauch werden «ermutigen» und «ermahnen» als Widersprüche verstanden. «Ermutigen» klingt positiv und wird meist mit angenehmen Zusprüchen und schönen Worten in Verbindung gebracht. «Ermahnen» hingegen tönt hart und wird oft mit einem lieblosen, arroganten Menschen assoziiert. Im Urtext des Neuen Testaments finden wir das griechische Verb «parakaleo» (parakale,w), welches gleichzeitig mit «ermahnen» oder «ermutigen» und sogar mit «trösten» oder «einladen» übersetzt werden kann. Im Neuen Testament findet sich dieses Verb mehr als 100 mal.
Jemanden aufs Wesentliche hinweisen
Der Herzschlag von «parakaleo» soll mit folgendem Beispiel illustriert werden: Stellen wir uns einen Christ vor, dessen unlautere Geschäftspraktiken gerade ans Licht gekommen sind. Wie begegnen ihm wohl die Menschen in seiner Kirche? «Das ist falsch in den Augen Gottes!», macht ein Mann klipp und klar deutlich und geht mit erhobenem Haupt davon. Er glaubt, seine Pflicht getan zu haben, denn schliesslich hat er Klartext geredet.
Doch dieses Verhalten ist nicht «parakaleo». Dann kommt eine Frau auf ihn zu und sagt: «Kopf hoch, wir haben doch alle Dreck am Stecken.» Sie fühlt sich als liebevoll ermutigend, geht mit ihrem Verhalten aber ebenfalls weit an «parakaleo» vorbei. Und dann gibt es noch die Mehrheit der Leute, welche der direkten Begegnung aus dem Weg gehen und ihre Gedanken über das Verhalten dieses Mannes stattdessen mit allen anderen teilen. Das ist natürlich auch nicht zielführend.
Doch da gibt es noch den guten Freund. Er geht auf den fehlbaren Mann zu, legt ihm einen Arm um die Schultern und fragt: «Wann hast du deine Berufung vergessen und bist vom geraden Weg abgekommen? Lass uns gemeinsam vor Gott kommen!» Dieser Freund lebt «parakaleo». Tröstend steht er dem Freund zur Seite, ermahnt ihn aber gleichzeitig, das zu leben, was er ja als richtig erkennt. Und er wird sogar an der Seite des Gescheiterten bleiben.
Weder Besserwisserei noch billige Toleranz
Oft neigen Menschen im Umgang mit gescheiterten Personen zu zwei Extremen. Entweder verfällt man in die Rolle des Besserwissers, der sich innerlich distanziert und gleichzeitig genau weiss, was falsch gelaufen ist. Das andere verbreitete Verhalten ist, sich scheinbar auf die Seite des Gescheiterten zu stellen, diesem Absolution zuzusprechen, ohne sich aber wirklich mit dessen Geschichte auseinanderzusetzen – so ganz nach dem Motto: «Ich verurteile dich nicht, weil wir ja alle Dreck am Stecken haben.» Diese beide Haltungen helfen letztlich niemandem.
Das Wesen des Heiligen Geistes
In den Kapiteln 14 bis 16 des Johannesevangeliums kündigt Jesus das Kommen des Heiligen Geistes an und beschreibt gleichzeitig dessen Wesen. Interessanterweise spricht Jesus vom «Parakletos», was in Bibelausgaben üblicherweise mit «Tröster» übersetzt wird. Auch hier beinhaltet das Wort neben «Tröster» auch «Ermahner» oder «Ermutiger». Wer den Heiligen Geist persönlich erfahren hat, wird dessen Zuspruch tatsächlich so erlebt haben: Tröstend aber beharrlich, ermutigend und gleichzeitig überführend und drängend.
Genau diese Haltung sollten auch wir haben. Sanft aber kompromisslos, stets die Würde und Freiheit des anderen respektierend ohne Versagen und Ungerechtigkeit unter den Teppich zu kehren. Das alles ist «parakaleo», eine Haltung, die Gottes Geist in uns bewirkt.
Ans Wesentliche erinnern
Ein weiterer Aspekt von «parakaleo» ist, Mitchristen an ihren Glauben zu erinnern. Wer sich beispielsweise ständig gegen «christlichen Druck» wehrt und weder Zeit noch Kraft hat, um Gottes Willen zu tun, braucht wahrscheinlich niemanden, der ihm Gottes Gebote um die Ohren schlägt. Vielleicht braucht er aber einen Freund, der ihn an die Begeisterung erinnert, mit welcher er früher alles fallen und liegen gelassen hat, um Gottes Willen zu tun. Jemand, der im Sinne von «parakaleo» ermahnt und den müde gewordenen Christ mit Nachdruck auf einen lebendigen, hingegeben und von Freude geprägten Glauben hinweist.
«Parakaleo» ist ein Ruf zu Gott, wo wir Trost und Zuspruch, aber auch Heiligkeit, Freude und ein Feuer der Hingabe finden. Ein «Parakletos» erinnert Mitchristen an deren Identität und Berufung und freut sich, wenn entsprechende Frucht sichtbar wird.
Wenn es mal etwas Druck braucht
Über Gemeindezucht spricht man heute kaum mehr. In Rechenschaftsbeziehungen wird heute aber viel davon gelebt. Wahrscheinlich sehnen sich die meisten Christen insgeheim nach jemandem, der sie konfrontiert – ohne zu verurteilen.
Diskussionen darüber, bei welchen moralischen Aspekten Gemeindezucht angewendet werden soll, gehen am Kern der Sache vorbei. Ein «Parakletos» folgt keinem fest definierten Katalog, sondern geht auf den Menschen ein. Wenn Christen wissentlich gegen Gottes Willen handeln, hilft es ihnen, wenn jemand diese Sache klar und unmissverständlich anspricht. Oft wird mit sündigem Verhalten ein innerer Schmerz zu betäuben versucht. Deshalb wird selbst beim Ermahnen ein Tonfall des Trostes nötig. Das ist «parakaleo».
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet