Wie Feedback gelingt

Warum «German Kritik» die Seele krank macht

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David Kadel (Bild: Davidkadel.de)
Mentaltrainer David Kadel coacht Unternehmen und Fussballclubs. Er stellt fest: Der deutsche Drang nach leichtfertiger Kritik schadet – und zwar gewaltig. Ein Gastbeitrag.

Deutschland ist in den letzten Jahren zu einem freudlosen Land der Kritiker geworden – in einem Ausmass mit fatalen Folgen. Ob man sich abends die Fernseh-Diskussionen anschaut, morgens Facebook Kommentare liest oder sich mit Bekannten unterhält, es wird in einem kaum auszuhaltenden Besserwisser-Ton kritisiert und kritisiert und nochmals besserwisserisch kritisiert:

Regierung

Eine Regierung, die noch nicht einmal begonnen hat, wird bereits jetzt von Zynikern bei Maybrit Illner & Co. in gehässiger Polemik komplett auseinander genommen! Kein Wunder, dass gefühlte 95 Prozent der Bevölkerung den Respekt vor Politikern verloren haben und die Angst, in eine falsche Richtung geführt zu werden, immer mehr zunimmt.

In meinen Coachings in Unternehmen oder Fussball-Clubs erschrecke ich mich immer wieder, wie leichtfertig kritisiert und gescholten wird im Umgang mit Mitarbeitern. Es ist wohl kaum Zufall, dass 87 Prozent der Deutschen laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz sind und tagtäglich ihren Frust nach Hause in die eh schon überforderten (Corona) Familien hineintragen.

Familien

Da, wo wir (in diesen schwierigen Zeiten) eigentlich ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit haben sollten, sind oft die tragischsten «Kriegsschauplätze» – durch unsere ungezügelte Kritik-Sucht am «Anderen». Die Folge: Da wir wohl alle nie gelernt haben, dass unsere Zunge die schlimmste Waffe sein kann, verunsichern und verletzen wir Menschen, die sich doch wenigstens zu Hause nach Wertschätzung und Angenommensein sehnen. Ständige Kritik tötet auf Dauer: Unzählige Familien in Deutschland zerstreiten sich gerade in einem unfassbaren Ausmass. Der Grund: Die lebenswichtige Bedeutung von Wertschätzung und Respekt vor dem Andersdenkenden wurde leider nie gelernt.

Impfstoffe

Wir alle haben sie monatelang herbeigesehnt wie das Weihnachtsfest. Doch kaum waren die Vakzine von Biontech und andere da, wurden sie schon verteufelt vom Volk der Kritiker. Wir werden uns wohl noch lange mit Einschränkungen und Angst abfinden müssen, da wir ja als gute Deutsche einfach alles (!) kritisch sehen müssen und deswegen Impf-Schlusslicht sind.

German Angst

Weltweit werden wir mit diesem Etikett inzwischen verspottet, als freudlose Deutsche, die das Volk der Angst und der Kritiker sind (googlen Sie mal «German Angst»). In unserer Gesellschaft gibt es kaum noch «echte Persönlichkeiten», die inspirierende Inhalte vermitteln und «out of the box» denken – aus Angst vor diesen giftigen Kritikern und einem folgenden Shitstorm. Die Folge: Ein uninspiriertes und orientierungsloses Land mit einem riesigen Mangel an Begeisterung und guter Menschenführung. Selbst mutige Pioniere, die hoffnungsvoll starten, werden von uns schon beim ersten Anzeichen von möglichen Fehlern direkt totkritisiert! Wer traut sich da noch, Ecken und Kanten zu zeigen und sich mit Idealismus für das Gute einzusetzen?

Die Hoffnung

Wenn wir lernen und tief im Herzen verstehen, wie sehr wir uns alle nach Ermutigung, statt dieser ständigen Kritik, sehnen, dann erst beginnen wir auf unsere Worte zu achten und beissen uns hier und da auch mal bewusst auf die Zunge, wenn wir mal wieder klugscheisserisch die Regierung und überhaupt alles, was wir nicht sofort verstehen, kritisieren. Doch dazu bedarf es Demut und Empathie. Zwei Lebenseinstellungen, die beinahe ausgestorben sind. Wir Christen haben da ein echtes Alleinstellungsmerkmal, da Demut und Empathie zu den Grundpfeilern unseres Werte-Systems gehören, das uns Jesus weiter gegeben hat. Natürlich muss es auch bei uns Frommen erst einmal gelebt und nicht nur gewusst werden!

Die Champions League des Kritisierens

Und vielleicht beginnen wir, uns sogar zu fragen, wer wir im Leben sein wollen für Menschen: Ermutiger oder Kritiker? Energie-Geber oder Energie-Nehmer? Meine Vorfahren, die alten Perser, haben den grossen Sinn des Lebens ganz simpel auf zwei einfache Fragen heruntergebrochen:

1. Hast du Freude gehabt?
2. Hast du Anderen Freude gebracht?

Lasst uns endlich aufhören, leichtfertig zu kritisieren und Menschen stattdessen mit unserem Mund Freude und Wertschätzung in ihr oft ödes Leben zu bringen – dann heisst es in zehn Jahren vielleicht nicht mehr «German Angst», sondern «German Joy», wenn man über uns Deutsche spricht.

Der Ton entscheidet

Klar, in einer Gesellschaft, die ehrlich miteinander umgehen möchte, gehört Kritik natürlich auch dringend dazu. Ich möchte sie aber an dieser Stelle lieber «Feedback» nennen.

Warum?

«Feedback» klingt gewinnender. Und genau darum geht es, wenn wir Menschen etwas mitteilen möchten, das aus unserer Sicht besser gemacht werden könnte, «sie zu gewinnen!» Das ist für mich die Champions League des Kritisierens – jemandem auf eine so empathische und liebevolle Weise Feedback zu geben, dass er es als «Gewinn» ansieht, dass man ehrlich ihm gegenüber war.

«Net gschempft isch globt gnuag!»

Aber es ist sehr schwer, denn vorher muss man kreativ und sensibel werden und sich genau überlegen, wie man es sagt, was man sagt, wann man es sagt. Den Meisten ist es zu anstrengend, ihre Zunge im Zaum zu halten und Liebe zu üben und einzuüben. Deswegen schiessen sie lieber unüberlegt los und verletzen Menschen unbedacht.

Im Schwabenland heisst es sogar: «Net gschempft isch globt gnuag!» Nicht geschimpft ist gelobt genug! Wahnsinn, dass sich so eine Un-Kultur über Jahrzehnte in einem Volk festsetzen kann und Menschen auf Dauer mürbe und lebensmüde macht! Es wird Zeit, eine neue Kultur der Wertschätzung und des Lobens mit Leben zu füllen. «Bevor man kritisiert, sollte man vorher zehnmal loben», sagen andere Kulturen, die bewusst liebevoller und sensibler miteinander umgehen wollen.
 «Dem sollte man mal ordentlich den Kopf waschen!», ist für mich die schönste, wütende Bezeichnung Kritik zu vermitteln, denn es gibt doch eigentlich nichts Schöneres beim Friseur sanft den Kopf gewaschen zu bekommen. Genau das ist für mich das Symbol der guten und gesunden Kritik: Moderiere Dein Feedback so gewinnend und sanft, dass es sich für dein Gegenüber wie eine schöne Kopfwäsche anfühlt.

Ich geh jetzt erst einmal Shampoo kaufen für meine nächste Filmkritik.

Zum Autor:

David Kadel arbeitet seit 20 Jahren als Mentalitäts-Trainer mit Fussball-Profis und berät Unternehmen als Führungskräfte-Coach mit seinem Konzept «H.E.R.Z.E.N.S. Coaching». Sein neues Motivations-Buch mit Jürgen Klopp «Was macht dich stark?» wurde unter anderem bei SKY vorgestellt. Sieben Jahre lang hat David Kadel als TV-Moderator gearbeitet und Talk-Sendungen wie «N24 Ethik» moderiert. Der gebürtige Perser hat gerade (zusammen mit 35 Autoren) das Mutmach-Buch «Wie man Riesen bekämpft» (Livenet berichtete) veröffentlicht, das er bei seiner Mutmach-Tour durch ganz Deutschland an krebskranke Kinder und Jugendliche in Jugend-Psychiatrien verschenkt. Interessenten können sich per E-Mail an ihn wenden: david.kadel@gmx.de

Zum Originalartikel von PRO.


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Datum: 22.12.2021
Autor: David Kadel
Quelle: PRO Medienmagazin

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