Jesus Christus – ganz Mensch

Das Befreiende an Gottes Menschsein

Bereits im Jahr 325 hielt die frühe Kirche im Glaubensbekenntnis von Nicäa fest, dass Jesus Christus «wahrer Gott aus wahrem Gott» ist. Sein Menschsein wird auch erwähnt, aber längst nicht so betont. Dabei ist es genauso wichtig!

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Jesus im Film «Jesus VR - The Story of Christ»
Dass Jesus Christus nur schwierig ausgewogen zu beschreiben ist, merkt jeder, der sein Wesen näher verstehen und erklären will. Trotzdem scheint ein gewisses Schubladendenken – ein Festlegen auf einzelne Aspekte – zum Verstehen dazuzugehören. Tatsächlich müssen wir wohl im Hinterkopf behalten, dass wir in dem Moment, wo wir Jesus wirklich zu «begreifen» scheinen, ihn auf jeden Fall verkürzt darstellen.

Das Glaubensbekenntnis

Das nicänische Glaubensbekenntnis ist eines der ersten der jungen Kirche. Und wie eigentlich alle Glaubensbekenntnisse ist es die Antwort auf ein (damals) aktuelles Problem. Der Arianismus leugnet die Dreieinigkeit Gottes. Und die Kirchenverantwortlichen der damaligen Zeit antworten mit ihrem Bekenntnis zu Gott als Vater, Sohn und Heiligem Geist. Also streichen sie stark heraus, dass dieser Sohn, Jesus, Gott ist. Dass er auch Mensch ist, spielt in dem Zusammenhang keine grosse Rolle. Fast beiläufig wird erklärt, dass Jesus «Mensch geworden ist, gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist».

Probleme mit dem Menschsein

«Ganz Gott und ganz Mensch» soll Jesus Christus sein. Das hört sich griffig an. Doch je nach Prägung neigen wir dazu, bei der einen oder anderen Aussage ein leises Aber anzuhängen. Liberalere Christen betonen gern die Menschlichkeit von Jesus, weil er ihnen dadurch näher scheint. Konservativen Christen ist es dagegen wichtig, die Gottheit von Jesus zu unterstreichen, zu zeigen, dass er mehr ist als ein normaler Mensch.

Der US-Theologe Paul Louis Metzger stellt dazu fest: «Ich frage mich, ob die offensichtlichen Schwierigkeiten konservativer christlicher Kreise, die volle Menschlichkeit Jesu zu bejahen, dazu führen, dass wir auch mit unserem eigenen Menschsein Schwierigkeiten haben. Kann es sein, dass dieselben offensichtlichen Schwierigkeiten uns unbewusst dazu bringen, Jesus' ermutigendes Beispiel eines heiligen Lebens geringzuschätzen, während wir selbst Versuchungen begegnen?» Konkret: Fiel es Jesus leichter, mit Versuchungen umzugehen?

Ein Mensch wie wir

Tatsächlich war Jesus keine Spur weniger menschlich, als wir es sind. Trotzdem gab er der Sünde nicht nach. Sein göttliches Wesen war dabei keine geheime Kraftquelle, die ihm das automatisch ermöglichte. So kann der Schreiber des Hebräerbriefs über Jesus herausstellen: «Jesus ist ja nicht ein Hoherpriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb» (Hebräerbrief, Kapitel 4, Vers 15). Das Vorbild von Jesus im Umgang mit dem Bösen ist nur deshalb ein Vorbild, weil er Versuchungen genauso erlebte, wie wir es tun. Weil er ganz Mensch war. In dem Masse, wie wir uns an ihm orientieren, werden wir nicht nur göttlicher, sondern auch menschlicher.

Ein menschlicher Erlöser

Am Anfang der Bibel wird der Mensch, so wie die restliche Schöpfung auch, als «sehr gut» bezeichnet (1. Mose, Kapitel 1, Vers 31). Tatsächlich ist Jesus nicht nur als Gott, sondern auch als Mensch sehr gut, «überwältigend gut», wie Metzger unterstreicht. Er versetzt uns nicht einfach in den Zustand vor dem sogenannten Sündenfall zurück, sondern tut viel mehr. Er erlöst uns, als Gott und als Mensch: «Es gibt nämlich nur einen Gott, und es gibt auch nur einen Vermittler zwischen Gott und den Menschen – den, der selbst ein Mensch ist, Jesus Christus» (1. Timotheus, Kapitel 2, Vers 5).

Es ist nicht so wichtig, inwieweit Jesus Mensch war? Das ist eine klare Fehleinschätzung. Und ob es wichtig ist, für unser Leben als Menschen genauso wie für unsere Errettung. Noch einmal Professor Metzger: «Jesus ist ganz Mensch, voll und ganz. Niemand ist so sehr Mensch wie Jesus, der nicht nur wahrhaftig redet und handelt, sondern auch rein lebt, stirbt und aufersteht. Und all das unter dem vollen Gewicht von Versuchung, Sünde und Tod. Er hält aus, was wir aushalten. Als vollkommener Mensch sogar noch mehr als das. Wie sehr ist Jesus Mensch? Absolut.»

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Patheos.com