Nicht blasphemisch, sondern langweilig
«I am Jesus Christ»: Am Computer Jesus spielen
Als die Firma SimulaM das Spiel «I am Jesus Christ» ankündigte, in dem Spieler in die Rolle von Jesus schlüpfen, gab es Entrüstungsstürme, aber auch die Hoffnung, dass dies ein neuer Bibelzugang sein könnte. Beides scheint unberechtigt zu sein.
«Wandele in den Fussstapfen Jesu in dieser unglaublichen Ich-Erzählung der Geschichte Christi von der Geburt bis zur Auferstehung. Vollbringe erstaunliche Wunder, interagiere mit biblischen Figuren und reise durch das Heilige Land von Jerusalem bis Galiläa. Werde in 'Ich bin Jesus Christus' zum Messias.»
So vollmundig kündigen die Spielemacher SimulaM und PlayWay ihr neues Computerspiel auf der Plattform Steam an. Erhältlich ist es noch nicht, doch seitdem man einen halbstündigen «Prolog» kostenlos anspielen kann, werden die geäusserten Bedenken leiser, dass das später einmal zehnstündige Spiel gotteslästerlich sein könnte – allerdings sind auch die Erwartungen der Gamer-Community auf ein spannendes Spiel gesunken.
Der Prolog
Im Prolog des Spiels (Trailer hier) wird erst die Weihnachtsgeschichte angerissen, dann beginnt die Handlung mit einem normalen Tag im Leben des dreissigjährigen Jesus. Der Heilige Geist schwebt morgens als leuchtende Kugel über ihm und beauftragt ihn, aufzustehen und Johannes den Täufer zu suchen. Spielende sehen dabei quasi durch die Augen von Jesus und erkunden nun Nazareth (eine ziemlich leere Dorflandschaft) und begegnen dabei ab und zu anderen Spielfiguren, die sie um Hilfe bitten (wie zu Beginn Maria), müssen jesustypisch heilen (wie eine blinde Frau) oder andere mit Feuerkugeln bekämpfen (wie den Satan in der Wüste). Damit Jesus seinen Energievorrat nicht aufbraucht und dann stirbt, ist es für ihn nötig, zu essen und immer wieder zu beten.
Der kostenlos erhältliche Prolog ist noch nicht fertiggestellt, aber scheinbar erwarten weder Befürworter noch Gegner des Spiels davon signifikante Änderungen: Die endgültige Version wird also vor allem eines werden: länger.
Die Kritik
Ein Kritiker schreibt dazu: «Wenn wir Jesus spielen, kann es ja eigentlich nicht ums Spasshaben gehen» und ergänzt gleich, um keine Zweifel aufkommen zu lassen: «Wir hatten mit dem Simulator keinen Spass.» Kein Wunder: Die animierten Figuren im Spiel wirken hölzern und leblos. Der völlig verhallte Sound – so soll ein sprechender Engel wahrscheinlich übernatürlich klingen – wirkt albern. Die Herausforderungen zum Suchen, Heilen und Kämpfen bewegen sich unter Grundschulniveau und leider stellen sich auch keinerlei Lerneffekte ein. Man erfährt schlicht nichts über biblische Hintergründe – egal, ob es darum geht, wer Pharisäer sind, wie man damals gelebt hat oder was die Handlungen von Jesus eigentlich bewirkt haben.
Die Softwareschmiede haben bereits ähnliche Spiele realisiert bzw. angekündigt: «I am your President» über Donald Trump genauso wie «Noahs Ark» über den Bau der Arche. «I am Jesus Christ» kündigten sie bereits vor zwei Jahren an, inzwischen soll es im zweiten Quartal 2023 erscheinen. Die begeistert Wartenden werden sich in Grenzen halten.
Das Fazit
Erste Ängste mancher Kirchenvertreter haben sich nicht bewahrheitet: Das Spiel, wie es sich bisher darstellt, ist nicht blasphemisch. Es stellt Gott nicht falsch dar, weil es ihn eigentlich gar nicht darstellt. Wer zu Beginn gehofft hatte, dass das Spiel jungen Menschen das Evangelium auf eine zeitgemässe und frische Art näherbringen könnte, ist allerdings auch ernüchtert. Dazu ist es viel zu langweilig. Neben bissigen Kommentaren hört man aus der Gamerszene auch konstruktive Ideen: Wie wäre es, wenn wenigstens so wichtige Elemente wie Nächstenliebe irgendwo im Spiel vorkämen…?
«I am Jesus Christ» scheint eines der Spiele zu sein, die niemand braucht, weder Gamer noch am Glauben interessierte Menschen. Schade eigentlich, denn aus der Grundidee hätte man etwas machen können.
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet