«Schreckliche Verbrechen»
Justin Welby bittet Ureinwohner Kanadas um Vergebung
Der Erzbischof von Canterbury hat sich für das «schreckliche Verbrechen» der Beteiligung der anglikanischen Kirche an den kanadischen Internatsschulen entschuldigt – und für die «schweren Sünden» der Kirche Englands gegenüber den indigenen Völkern.
Der Erzbischof besuchte kürzlich im Rahmen eines fünftägigen Kanada-Besuchs die Reservate der kanadischen Ureinwohner, traf sich mit indigenen Führern und Anglikanern und hörte Überlebenden der Internatsschulen zu. Welby kam ausdrücklich, um für das koloniale Erbe der Kirche von England und den Schaden, den sie den indigenen Völkern zugefügt hat, Busse zu tun und sich an der Versöhnungsarbeit der Anglikanischen Kirche von Kanada mit den indigenen, Inuit- und Métis-Gemeinschaften zu beteiligen.
«Ich bin entsetzt»
Am Samstag besuchte der Erzbischof die James Smith Cree Nation in Saskatchewan, wo er mit lokalen Häuptlingen zusammentraf und sich die Geschichten von ehemaligen Internatsschülern anhörte. Der Erzbischof nahm auch an einem Gospel Jamboree teil – eine indigene Ausdrucksform des Glaubens, die die Gemeinschaften unterstützte, als traditionelle Praktiken unter dem kolonialen Gesetz verboten waren.
Der Erzbischof entschuldigte sich bei den Überlebenden, nachdem er ihre Geschichten gehört hatte, und sagte, der Missbrauch, den sie in den Internatsschulen erlebt hatten, sei «ein schreckliches Verbrechen»: «Dieses Stück Hölle wurde von der Kirche und im Namen der Kirche erbaut. Dieses schreckliche Verbrechen, die Sünde, das Böse (… ) tut mir mehr leid als ich jemals in Worte fassen könnte. Das gilt sowohl für mich persönlich als auch für meine Rolle als Erzbischof von Canterbury... Es tut mir mehr leid als ich sagen kann. Ich schäme mich. Ich bin entsetzt. Ich frage mich, woher das kommt, dieses Böse? Das hat nichts, gar nichts, mit Christus zu tun.»
«Anstatt uns für Sie einzusetzen, haben wir uns mitschuldig gemacht und waren oft direkt verantwortlich für die Internatsschulen – unkontrolliert, unbeaufsichtigt, unkritisch, unangefochten in den Grausamkeiten, die sie wahllos an den Unschuldigsten und Jüngsten verübten. Bevölkerungsgruppen wurden in Reservaten isoliert. Inmitten der grossen Armut zuckte die Kirche mit den Schultern und trug zu weiterer Not bei.»
In Zukunft voneinander lernen
Der Erzbischof sagte, er verstehe, dass «wir den Worten Taten folgen lassen müssen». Er ging mehrere Verpflichtungen ein, die er «partnerschaftlich verfolgen will, damit ich von Ihnen mehr darüber erfahren kann, wie Sie sich eine gemeinsame Zukunft wünschen». Dazu gehört die Förderung des Engagements für die Rechte indigener Völker und das Lernen von indigener Spiritualität in der gesamten Anglikanischen Gemeinschaft.
Die Internatsschulen waren mehr als ein Jahrhundert lang Teil der kanadischen Regierungspolitik, um indigene Kinder zu assimilieren und ihre Kulturen zu zerstören. Zwischen 1820 und 1969 unterhielt die Anglikanische Kirche von Kanada etwa drei Dutzend Internate und Wohnheime für indigene Kinder. Seit den späten 1980er Jahren haben sich viele Überlebende der Internate gemeldet und über ihre Erfahrungen berichtet, darunter auch über den körperlichen und sexuellen Missbrauch und die Auswirkungen des Verlusts ihrer Kultur.
Die Anglikanische Kirche von Kanada hat ihre Wurzeln in der Kirche von England. Im Jahr 1787 wurde Charles Inglis aus Nova Scotia der erste Bischof in Britisch-Nordamerika. Als die Bevölkerung wuchs, schlossen sich weitere Diözesen zusammen, und 1893 gründeten die Diözesen das nationale Gremium der Generalsynode. Im Jahr 1955 änderte die Kirche ihren Namen von 'The Church of England in the Dominion of Canada' in 'The Anglican Church of Canada'.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / The Archbishop of Canterbury