Die globale Finanzkrise und unsere Angst
Alles verloren!
Schon am Abend des gleichen Tages sassen die beiden in meinem Sprechzimmer: Der 66-jährige Ehemann schilderte mir, was vorgefallen war: "Ich habe mich vor drei Jahren vorzeitig pensionieren lassen. Mein Pensionskassenguthaben von 400'000 Franken habe ich mir ausbezahlen lassen und habe es bei einer Grossbank angelegt. Unserem Berater hatte ich damals ausdrücklich gesagt, mir wäre Sicherheit wichtiger als möglichst hohe Zinsen. Darum war ich trotz der Meldungen über die Finanzkrise in den USA völlig unvorbereitet, als ich vor drei Tagen einen Telefonanruf erhielt, in dem mir eine Angestellte jener Bank sagte, ich hätte ja sicher von den Vorgängen in den USA gehört. Leider müsse sie mir mitteilen, dass ich damit rechnen müsse, dass mein Geld, das bei einer amerikanischen Bank angelegt worden war, die nun in Konkurs gefallen sei, vollumfänglich verloren sei. Ich höre wieder von ihr, wenn sie Neues wisse. Der ganze Anruf" schloss er, "dauerte kaum drei Minuten. - Da sass ich nun und war total erschüttert: Unser ganzes Erspartes war weg, einfach weg!"
Und die Frau fuhr fort: "Wissen Sie, wir haben uns ein Leben lang nichts Besonderes geleistet. Wir waren froh, dass wir unseren drei Kindern eine gute Berufsausbildung ermöglichen konnten und haben auch immer Geld gespendet, wo es uns richtig schien. Wir haben viel Freiwilligenarbeit in unserer Gemeinde geleistet. Und jetzt musste das geschehen!"
Auf meine Frage: "Nicht wahr, jetzt fällt es ihnen schwer, zu begreifen, wie Gott so etwas zulassen kann", reagierte sie mit einem Nicken, und ich sah, wie ihr Tränen in den Augen standen.
Warum lässt Gott so etwas zu?
Gespräche wie das eben geschilderte führe ich in diesen Wochen des globalen finanziellen Umbruchs mit zahlreichen Menschen, die in meine Seelsorgepraxis kommen. Vom Maler, der befürchtet, seine Stelle zu verlieren, weil bereits in einer Baustelle, in denen seine Firma die Malerarbeiten ausführte, die Arbeiten völlig eingestellt wurden, bis zur alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern, die ihr geringes Einkommen von den Alimenten, die sie erhält, mit Putzarbeiten aufbessern muss und der von einer Auftraggeberin auch schon gesagt wurde, sie wisse in dieser unsicheren Zeit nicht, wie lange sie sich eine Putzhilfe noch leisten könne.
Es ist verständlich, dass in diesen Gesprächen die eigene Unsicherheit zum Ausdruck kommt, aber auch die Frage nach Gott, seinem Tragen, seiner Zuverlässigkeit, seiner Gerechtigkeit.
"Dominus providebit" - Der Herr wird vorsorgen!
Dass das, was wir zu besitzen meinen, uns nicht die letzte Sicherheit geben kann, drückt auch der Satz aus, der das Schweizer 5-Franken-Stück schmückt. "Dominus providebit" heisst es auf der Kante des "Fünflibers": "Der Herr wird vorsorgen". Dieser Satz aus der Bibel (1.Mose, Kapitel 22, Vers 8) haben die für unser Finanzwesen Verantwortlichen 1888 von den Berner Münzen (die es seit 1716 trugen) bewusst auf die grösste Münze unseres Geldsystems übertragen.
"Der Herr wird vorsorgen" - dieses Bekenntnis hat jeder Schweizer, jede Schweizerin sozusagen täglich im Portemonnaie, also dort, wo der eigentliche Ort dessen ist, von dem wir einen grossen Teil unserer Sicherheit her nehmen, unseres Geldes. Aber "der Herr wird vorsorgen", das heisst: Nicht das Geld ist es, das uns Sicherheit verleihen kann, sondern "der Herr", Gott, der hinter allem steht.
Bis hierher hat der Herr geholfen!
Gerade so unsichere Zeiten wie die gegenwärtige machen uns klar, wie hilfreich es ist, wenn wir uns auf Gott verlassen können. Aber können wir das wirklich? Geraten wir nicht immer wieder in Situationen, in denen unsere Angst grösser ist als unser Vertrauen in Gott?
Hier helfen uns die Berichte über den Glauben des biblischen Volkes Israel weiter. In seiner bewegten Geschichte geriet es immer wieder in Situationen, die ausweglos schienen. Da war es dann Aufgabe der Propheten, das Volk auf seine Vergangenheit hinzuweisen, in der solche schwierigen Phasen immer wieder mal auftraten, beispielsweise in Ägypten, in der Wüste, während des Heimischwerdens im verheissenen Land, in der babylonischen Verbannung usw. Und zu diesem Zurückschauen auf damals ausweglos scheinende Situationen gehörte immer auch die dankbare Feststellung, dass Gott jene, die auf ihn vertrauten, nicht im Stiche gelassen hat: "Bis hierher hat der Herr geholfen!" (Die Bibel, 1. Samuel, Kapitel 7, Vers 12).
Aus dieser Erkenntnis schöpften die Israeliten jeweils das Vertrauen, dass Gott sie auch jetzt nicht fallen lassen wird. Und in dieser Zuversicht blickten sie dann vorwärts.
Glaube in den tragenden und fürsorgenden Gott heisst nichts anderes als dieses Vertrauen, das seine Kraft aus der Erinnerung an die bisherige Begleitung des Gottes schöpft, der uns zusagt: "Fürchte dich nicht. Ich bin bei dir" (Die Bibel, 1.Mose, Kapitel 26, Vers 24). Und mit diesem Glauben an den Gott, der uns nicht im Stiche lässt, erhalten wir auch die Sicherheit, die uns in diesen schwierigen Zeiten getrost vorwärtsblicken lässt.
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Autor: Reinhard H. Egg führt eine biblisch-therapeutische Seelsorge-Praxis
Quelle: Livenet.ch
Livenet Aktuell
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