Hanna und Arno Backhaus
«Der Glaube ist die tiefe Grundlage unserer Ehe»
Hanna und Arno Backhaus feiern Ende August Goldene Hochzeit. In Eheseminaren geben der Evangelist und die Sozialpädagogin ihre gesammelten Erkenntnisse weiter. Auch einen Eheratgeber haben sie geschrieben. Doch ihr Anfang als Paar war schwierig.
Sie sind seit 50 Jahren verheiratet. Herzlichen
Glückwunsch! Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an Ihre Hochzeit am 26.
August 1972 denken?
Hanna Backhaus (HB): Mir fällt Glückseligkeit ein. Ich habe
mir immer gewünscht, zu heiraten. Und das war ein Traum, der in Erfüllung ging.
Damals wusste ich noch nicht, was alles auf uns zukommt.
Arno Backhaus (AB): Ich hatte keine schöne Kindheit mit
meiner Mutter. «Jetzt bin ich endlich dem Druck meiner Mutter entronnen» – das
war mein erster Gedanke.
In Ihrem Buch «Verliebt, verlobt, verheiratet, verschieden» beschreiben Sie, dass es in den ersten Jahren Ihrer Ehe viel
Streit gab. Daraus: «Ich, Arno, bin eher ein Freak, meine Frau eher eine Dame,
das ist klar. Es braucht, bis man zusammenpasst.» Welche Herausforderungen
brachten diese Verschiedenheiten?
HB: Wir haben entdeckt, wo wir überall
unterschiedlich sind, welch verschiedene Bedürfnisse und Erwartungen wir
aneinander haben. Das war wie die Konfrontation eines Traumes mit dem
wirklichen Leben. Mich hat das erst einmal erschreckt.
AB: Mich hat das nicht erschreckt, sondern
ich war Kämpfen und den Streit von meinen Eltern gewohnt. Und so habe ich auch
mit Hanna gestritten. Sie wollte und konnte das aber nicht. Anfangs verstummte
sie, wenn wir heftig stritten. Wir mussten das konstruktive Streiten erst
lernen. Ich war damals noch nicht lange Christ gewesen und noch ziemlich
kaputt. Ich musste vieles lernen, das brauchte ein paar Jahre. Schliesslich habe
ich aber gemerkt, dass nicht nur ich an mir arbeiten musste, sondern Hanna in
einer anderen Weise auch an sich. Das hat mich ein bisschen getröstet, aber sie
nicht unbedingt.
HB: Nein, weil ich den Lebensstilsatz
hatte: «Ich bin schön lieb, dann werde ich geliebt.» Und das hat in der Ehe
nicht mehr ausgereicht. Ich war schockiert, dass man so viel an mir entdecken
kann, was schräg und schief ist und womit man nicht auskommen kann.
Herr Backhaus, was fanden Sie denn «schräg» an
Hanna?
AB: Ganz viel. Sie hat ein ganz anderes
Tempo und eine andere Einstellung zu Pünktlichkeit. Ich wurde mit Schlägen zu
Pünktlichkeit erzogen und Hanna ist bei dem Thema freier – auf zehn Minuten
kommt es ihr nicht an. Zudem war ich und mein ganzes Leben experimentell, auch
musik- und kleidungsmässig, ich war immer sehr bunt und grell: Ich habe einen
Hippie-Mantel getragen, auf den Rücken mit Filzstift ein Peacezeichen aufgemalt
und «Gib Jesus eine Chance» draufgeschrieben. Und sie war ein ganz bescheidenes
Blümchen im Hintergrund.
HB: Ich kam aus dem christlichen
Elternhaus und ich wollte den Glauben nicht so plakativ nach aussen tragen, weil
wir im Dorf oft dafür gehänselt wurden, dass wir Baptisten waren – also
Aussenseiter. Deswegen war ich ein bisschen scheu.
Wie haben Sie letztlich zu Einigkeit gefunden?
AB: Immer wieder streiten, diskutieren,
auch miteinander weinen. Und dann? Ich war oft derjenige – das war auch einer
der Streitpunkte –, der um Vergebung gebeten hat, sie weniger. Ich habe von
Kindheit an immer Mist gebaut und musste ständig um Vergebung bitten. Es war
für mich keine Hürde, das auch in der Ehe zu tun.
HB: Ich suche oft die Schuld beim anderen.
Ich stülpe ihm manches über, das ist heute noch mein Problem. Ich lerne die
ganze Zeit daran, dass ich mich nicht in eine Opferrolle begebe.
Sie haben viele Jahre gebraucht, eine gemeinsame
Sexualität zu entwickeln. In Ihrem Ehe-Buch schreiben Sie, Arno, dass Sie
körperfeindlich erzogen wurden. «Sex hätte sich Gott sparen können», war der
unausgesprochene Leitsatz Ihrer Familie. Hanna, Sie wurden körperfreundlich
erzogen: «Sexualität war Gottes grösste Idee.» Wie haben Sie körperlich
zusammengefunden?
AB: Das frag ich mich auch...
HB: Für mich ist Sexualität in der Ehe ein
tiefes Grundbedürfnis. Zumal ich ein Beziehungstyp bin. Als Kinder haben meine
Geschwister und ich immer auch einen liebevollen Körperkontakt von unseren
Eltern bekommen, wir wurden in den Arm genommen und getröstet.
AB: Der einzige Körperkontakt, den ich in
meiner Kindheit erlebt habe, waren Schläge. Ja, ich wurde nie getröstet, nie in
den Arm genommen.
HB: Er hatte demzufolge eine völlig andere
Erwartung als ich. Ich fühlte mich missachtet und konnte gar nicht
nachvollziehen, wie man so wenig an Sexualität denken kann. Er wiederum konnte
gar nicht verstehen, dass ich so etwas erwarte. Arno sagte: Das musst du mir
wenigstens sagen. Und ich dachte: Dafür bin ich zu stolz.
AB: Sie hat mich manchmal überfordert, weil
sie nichts gesagt hat. Ich habe ihre Bedürfnisse nicht erkannt. Das war ein
beidseitiges Problem. Es hat lange, tiefe Verletzungen, tiefe Gespräche und
Weinen gebraucht. Aber wir haben das nach 20 Jahren gut organisiert – obwohl
«organisiert» so hart klingt.
HB: Es ist eine fliessende Entwicklung. Das
Bedürfnis hat sich ein Stück verändert beim Älterwerden. Jetzt verabreden wir
uns und sind da sehr kompatibel. Wir regeln das über den Kopf, wir wollen das
und schlafen dann miteinander, wenn wir beide Freude und Lust dazu haben. Ich
bin damit sehr zufrieden. Auch, weil Arno eine Art hat, liebevoll mit mir und
meinem Grundbedürfnis nach Gesehenwerden, Annahme und Treue umzugehen, und es
stillt. Hier gilt der Spruch «Treue gibt der Entwicklung und Freiheit Raum».
Wenn man treu zusammensteht über viele Jahre, dann kann sich etwas entwickeln,
was man sich am Anfang der Ehe nicht hätte vorstellen können.
Was empfehlen Sie für ein lebenslanges lebendiges
Liebesleben?
AB: Ich finde das schwierig, weil sexuelle
Erwartungen und Erfahrungen sehr unterschiedlich sind, auch der Ausdruck der
Sexualität. In unseren Seminaren geben wir keine Pauschaltipps.
HB: Jedes Ehepaar – und das wissen viele
nicht – lebt und entwickelt eine ganz individuelle Sexualität im Laufe der
Zeit. Viele denken: So, wie es uns durch die Pornoindustrie vorgestellt wird,
muss es laufen. Aber das ist es nicht. Das führt uns weg von der Lebendigkeit
der Ehe. Die Erwartung, dass sofort alles blühen muss in der Sexualität, ist
einfach falsch. Ein Paar muss sich erst kennenlernen, muss streiten, sich
austauschen und dann die Art der Sexualität entwickeln, die beiden entspricht.
Das war auch unser Prozess. Ich glaube, dass diese individuelle, über die Jahre
entwickelte Paar-Sexualität die Ehe über Jahrzehnte lebendig hält.
AB: Je mehr der Mann bereit ist, mit der
Frau zu kommunizieren und zu reden, desto eher ist sie bereit, sich auch
sexuell zu öffnen. Wenn er sich verschliesst, verschliesst sie sich sexuell.
Hinzu kommt: Es gibt Paare, die sind schon mit 50 oder 60 Jahren sexuell
abgewöhnt und leben damit gut. Den Druck, bis ins hohe Alter gemeinsam
Sexualität haben zu müssen, finde ich merkwürdig. Wichtig ist auch Seelsorge
und Therapie, wenn es dieser in bestimmten Fällen bedarf.
Welche weiteren Tipps haben Sie für Paare, die in die
Ehe starten?
HB: Einen Ehe-Vorbereitungskurs sollte ein
Paar auf jeden Fall wahrnehmen und auch anderen Paaren Fragen stellen wie: Was
hat euch zusammengehalten? Trotzdem ist es ein eigener individueller Weg, den
jeder miteinander geht.
AB: Die ersten Jahre haben wir einmal im
Jahr eine Ehe-Freizeit besucht und Ehebücher gelesen. Ein weiterer Tipp:
Geduld, Humor – ganz viel Humor – und Dinge aufarbeiten.
HB: Dazu kommt die Frage: Welche
gemeinsamen Prioritäten bestimmen unser Leben? Das ist der Punkt, den man sich
am Anfang der Ehe klar machen muss. Wer kommt an erster Stelle für uns beide? –
Gott, Jesus, unser Glaube und dann der Ehepartner.
AB: Und noch ein allgemeiner Punkt: Frauen
lieben Komplimente und Männer brauchen von der Frau Respekt und Achtung vor
dem, was sie arbeiten und leisten.
Wie pflegen Sie Ihre Ehe?
AB: Indem wir miteinander reden. Bei langen
Autofahrten haben wir intensive, ungestörte Redezeiten. Wir fahren mit einem
befreundeten Paar in den Urlaub und tauschen uns aus. Wir sind gemeinsam in der
Gemeinde aktiv, haben einen Garten. Ehepflege ist gemeinsam zu arbeiten – nicht
jeder für sich.
HB: Daraus entwickeln sich gemeinsame
Interessen und gleiche Ziele, die uns wirklich wichtig sind. Die Seniorenarbeit
liegt uns zum Beispiel beiden mittlerweile auf dem Herzen. Das bereitet uns
Freude. Wir geben gemeinsam Eheseminare, hören uns dann zu, erinnern uns immer
wieder selbst an Sätze, die wir sagen.
AB: Unsere Enkel und Kinder wohnen über
uns, auch das tut uns gut.
Was empfehlen Sie Paaren mit Kindern, um in ihre Ehe
zu investieren?
AB: Wir empfehlen, die Kinder immer wieder
wegzugeben, und Auszeiten nur für sich als Paar zu nehmen. Wir haben unseren
Kindern früher immer gesagt, ab 21 Uhr ist das Wohnzimmer für uns reserviert.
Wir haben sie zu Freizeiten geschickt, zu Freunden, um dann bewusst unsere Ehe
zu pflegen. Den Kindern haben wir stets in unseren Familienkonferenzen gesagt:
Wir müssen uns zuerst um uns als Ehepaar kümmern und als zweites um euch. Ihr
seid nicht an erster Stelle, denn ihr werdet und müsst uns eines Tages
verlassen. Wir bleiben zusammen.
HB: Wenn Arno von einer Reise wieder nach
Hause kam, hat er bewusst mich zuerst begrüsst. Die Kinder müssen wissen: Wir
als Paar sind die erste Priorität füreinander und wir lieben euch, aber ihr
seid unsere Kinder, nicht ihr bestimmt hier den Alltag. Das gibt ihnen
Sicherheit und ein Fundament für ihr Leben. Das ist heute wirklich ein Problem
bei vielen, dass das nicht mehr so benannt wird.
Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrer Ehe?
AB: Der Glaube ist die tiefe Grundlage
unserer Ehe. Wir sind im Hauskreis, im Gottesdienst, wir beten regelmässig,
lassen uns segnen und von Freunden aussenden, wenn wir einen längeren Dienst
haben.
HB: Wir ähneln uns, wie wir auf Gott
hören, wie wir mit Beten und Bibellesen umgehen. Und wir freuen uns einfach an
unserem Glauben, reden über das, was uns neu aufgeht. Er findet ganz natürlich
in unserem Alltag statt.
Wie gehen Sie damit um, dass einer den anderen
überleben könnte?
AB: Wir sprechen öfter über den Tod. In dem
Kinderbuch «Frederick, die Maus» sammelt das Tier im Sommer Farben und Worte,
und als im Winter alles trüb ist, holt sie diese raus. Wir wollen wie
Frederick, die Maus, die vielen schönen Erfahrungen, die wir haben, rausholen,
wenn es trübe und traurig ist.
HB: Wir üben Dankbarkeit ein für später.
Und das wird dir, Arno, wahrscheinlich leichter fallen als mir.
AB: Wir gehen immer wieder auf Friedhöfe
und überlegen, was auf dem Grabstein stehen sollte. Wir wollen auf jeden Fall
in Schwarz-Weiss feiern: die Trauer und die Freude auf die Ewigkeit.
Dieser Artikel erschien zuerst bei PRO Medienmagazin
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Autor: Martina Blatt
Quelle: PRO Medienmagazin