Wirtschaftsethik
Jesus und die Abzocker
In seinen Predigten nimmt der Mann aus Nazareth kein Blatt vor den Mund. «Wehe euch, ihr Reichen, ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten!» (Die Bibel, Lukas, Kapitel 6, Vers 24) Sie haben sich genommen, was sie konnten; von ihrem Hab und Gut haben sie nicht, wie es geboten ist, den Armen gegeben. So haben sie bei Gott nichts mehr zugut.
Da ist einer, erzählt Jesus, der in seiner Villa dem Luxus frönt. Die Bediensteten umschwirren ihn. Draussen neben der Tür liegt ein kranker Bettler, für den die Brosamen von der edlen Tafel ein Schmaus wären. Nie hat er genug. Beide sterben, sagt Jesus, und der Arme wird in Abrahams Schoss getragen, während der Reiche fortan Höllenqualen leidet. Er hat sein Leben genossen, ohne sein Hab und Gut zu teilen. (Lukas 16,19-31)
Trost für die Armen
Gebannt hören die Leute zu. Jesus beschreibt das Unrecht nicht nur, er spricht auch die Konsequenzen aus, die der Lebensstil hat. Er tröstet die Armen: Gott sieht ihre Not und kommt ihnen zu Hilfe.(Lukas 6,20) Trotz seinen unzweideutigen Worten - oder gerade ihretwegen? - ist Jesus nicht selten in Kontakt mit Leuten der Oberschicht. Wenn er an Zollposten vorbei kommt, sieht er dem Zolleinnehmer in die Augen. Einer von ihnen, Levi, dürfte sich schon mehrmals unter die Zuhörer gemischt haben, als Jesus in der Nähe predigte.
Und doch stehen die engsten Anhänger von Jesus Kopf, als er das nächste Mal Levis Zollposten passiert. Da steht der Zolleinnehmer, durch den die römische Besatzungsmacht und ihr Vasallenherrscher das Volk auspressen. Jesus sagt zu ihm: «Komm, folge mir!» - Dieser Levi soll nun auch zum Kreis der Vertrauten von Jesus gehören?? Ja, er nimmt die Aufforderung an und verlässt seinen Posten.
Kontroverse Einladung
Es kommt noch besser: Kurz darauf lädt Levi Jesus und seine Freunde zum Nachtessen ein. In seinem Haus geniessen sie das Mahl. Levi hat auch einige seiner Zolleinnehmer-Kollegen benachrichtigt. Er will ihnen Jesus vorstellen. Dies bleibt nicht verborgen. Häme schlägt den Freunden von Jesus nachher entgegen: Zuerst kritisiert er die Abzocker - und dann lässt er sich in ihren Häusern bewirten! (Matthäus 9,9-13)
Die Spötter sehen eines nicht: Wenn Jesus das Geldscheffeln anprangert, dann nicht, um die Menschen zu verdammen, sondern um ihnen den Weg zum wahren Leben zu zeigen. Und so wendet er sich auch den Abzockern zu, ohne sich anzubiedern - eine Gratwanderung. Levi wird tatsächlich integriert in den engsten Kreis der Zwölf; durch ihn hat Jesus einen Draht zu seiner Berufsgruppe. Und das hat Folgen, auch in der Stadt Jericho.
Hauptperson statt heimlicher Zuschauer
Der dortige Zollchef Zachäus hat sich schon öfter mit Passanten über diesen Wanderprediger und Wundertäter unterhalten. Der ist meistens in Galiläa oder in Jerusalem anzutreffen - aber heute kommt er vorbei! Aufgeregt sucht Zachäus nach einer Möglichkeit, diesen Jesus zu treffen. (Lukas 19, 1-10) Weil die Leute nicht gut auf ihn zu sprechen sind, traut er sich kaum. Und wie soll er, der Kleingewachsene, ihn im Gedränge überhaupt zu Gesicht bekommen? Zachäus weiss sich zu helfen: In der Gasse, wo Jesus durchkommt, steht ein Maulbeerfeigenbaum. Zachäus steigt zeitig hoch.
Jesus kommt - und bleibt stehen, blickt hinauf und ruft: «Zachäus, komm schnell herunter, ich muss heute dein Gast sein!» Hurtig klettert Zachäus herunter; voller Freude öffnet er sein Haus für den prominenten Gast. Die Menge murrt: «Bei diesem Typen, einem ausgemachten Sünder, kehrt er ein!» Jesus kümmert sich nicht darum; er sitzt Zachäus gegenüber und spricht mit ihm. Der Zolleinnehmer weiss, dass seine Praktiken den Massstäben des Predigers nicht entsprechen. Und doch ist sich dieser nicht zu gut, bei ihm zu speisen.
Ein neuer Tag
Zachäus weiss, dass heute ein neuer Tag ist. Bewegt verspricht er Jesus, die Hälfte seines Besitzes unter Armen zu verteilen. «Und wenn ich jemand zu viel abgenommen habe, will ich es ihm vierfach zurückgeben». Den Gästen fällt der Kiefer herunter; Jesus lächelt und meint: «Heute ist dir und deinem Haus die Rettung zuteil geworden! Auch du gehörst zum Volk, das von Abraham abstammt.» Und bei dieser Gelegenheit unterstreicht er nochmals, mit welchem Ziel der Menschensohn - so bezeichnet er sich selbst - unterwegs ist: verlorene Menschen zu suchen und zu retten.
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Quelle: Jesus.ch