90 Jahren enteignet
Russland gibt Kircheneigentum zurück
Mehr als 90 Jahre nach der Beschlagnahmung ihres gesamten Eigentums bekommen Russlands Religionsgemeinschaften ihre Sakralbauten zurück. Das russische Parlament, die Duma, beschloss mit grosser Mehrheit ein entsprechendes Restitutionsgesetz.
345 Abgeordnete stimmten nach Angaben russischer Medien für das Gesetz, 42 waren dagegen. Einzig die Kommunistische Partei lehnte die Vorlage der Regierung ab. «Volkseigentum» dürfe nicht verschleudert und die orthodoxe Kirche nicht zum «Milliardär» gemacht werden, erklärten sie.
Einmalig in der russischen Geschichte
Russland steht nun vor der mit Abstand grössten Eigentumsrückgabe der Geschichte. Grösster Nutzniesser ist die orthodoxe Kirche. Sie hat Anspruch auf mehr als 10.600 Gotteshäuser sowie auf zahlreiche Pfarreigebäude. Damit steigt die orthodoxe Kirche zu einem der grössten nichtstaatlichen Immobilienbesitzer auf. Das Moskauer Patriarchat nannte das Gesetz einen «klugen Kompromiss».
Nach der Oktoberrevolution von 1917 hatten die neuen kommunistischen Machthaber die meisten Kirchen des Landes in Ställe, Clubs und Kinos umgewandelt. Auch die Ikonen wurden geraubt und verschwanden zum Grossteil in den Kellern der Museen. Seit dem Ende der Sowjetunion erhielt die orthodoxe Kirche zwar die meisten Gotteshäuser zurück, jedoch oft nur zur unbefristeten kostenlosen Nutzung. Eigentümer blieb weiterhin der Staat.
Ausnahmen von der Regel
Das Gesetz schliesst von der Rückgabe Denkmäler auf der Liste des Unesco-Welterbes wie das Kirchenensemble auf dem Kremlgelände und die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz aus. In Staatsbesitz bleiben ebenfalls Ikonen und Manuskripte, die zum Fundus der staatlichen Museen, Bibliotheken und Archive gehören. Die Museumsleiter sahen durch eine mögliche Herausgabe von Kirchenschätzen ihre eigene Zukunft gefährdet. Sie argumentierten, wegen des dann sinkenden Besucherinteresses könnten sie ein Fünftel ihrer Eintrittsgelder verlieren.Dem russischen Staat gehören insgesamt 6.584 Sakralbauten, weitere 4.417 den Regionen. Darunter sind 165 Moscheen, 144 katholische Kirchen, 21 buddhistische Tempel und 15 Synagogen. Die Religionsgemeinschaften müssen dem Gesetz zufolge bei den zuständigen Behörden ihre Ansprüche nachweisen. Bislang hatte ihnen die Regierung nur in wenigen Einzelfällen Heiligtümer überschrieben.
Quelle: Kipa