Tipps von Peter Schulthess
Ukrainische Flüchtlinge seelsorgerlich begleiten
Gastgeber
von ukrainischen Flüchtlingen fragen sich oft, wie sie reagieren sollen, wenn
ihre Gäste traumatisiert sind oder schwierige Erfahrungen gemacht haben. Notfallseelsorger
Pfarrer Peter Schulthess gibt in einem Video konkrete Tipps.
Herausgegeben wurde das an Gastgeber von ukrainischen Flüchtlingen gerichtete Video von der SEA-RES Taskforce «Krieg in der Ukraine» sowie der Aktion «Kirchen helfen». Darin bringt Pfarrer Schulthess wesentliche Dinge auf den Punkt. Hier die Zusammenfassung:
Zunächst geht es darum, sich in die Gäste hin einzufühlen. Dadurch kann man auch besser erkennen, was sie benötigen. Bedenken Sie: Die Menschen, die zu Ihnen kommen, haben Dramatisches erlebt. Sie sind durch den Krieg in Ereignisse geraten, die tiefe Spuren hinterlassen haben. Teilweise mussten sie «Hals über Kopf» Haus und Gut verlassen. Alles, woran sie gewohnt waren, mussten sie zurücklassen.
Gewohnheiten
Gewohnheiten geben Halt, geben das Gefühl von Sicherheit. Deshalb ist oft die eigene Wohnung ein Rückzugs- und Erholungsort. Aber die täglich gewohnten Abläufe, die Struktur und Rhythmus in den Tag geben, existieren für Flüchtlinge nicht mehr. Es sind oft ganz kleine, unscheinbare Dinge, die zu solchen Abläufen gehören: Der morgendliche Kaffee. Das gemeinsame Warten an der Bushaltestelle auf dem Weg zur Arbeit. Die Arbeitskollegen, die man trifft. Der Schwatz beim Einkaufen. Das gemeinsame Fussballspielen. All das Vertraute haben diese Menschen verloren. Und das innert weniger Tage oder Stunden. Vor allem aber haben viele von ihnen auch geliebte Menschen zurückgelassen, eine schmerzvolle Erfahrung.
Neben der Trauer haben viele Verzweiflung, Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht erfahren, auch Anspannung und Stress. Schon nur der Entscheid, alles zurückzulassen, kann diese Gefühle auslösen. Dazu kommt die Unsicherheit, wo man einen sicheren Zufluchtsort finden kann. Und dann die Reise in die Schweiz. Viele haben wenig geschlafen, sind erschöpft, müde und unsicher. Was brauchen diese Menschen? Pfarrer Peter Schulthess spricht von zehn Punkten, die bei der seelsorgerlichen Begleitung von Flüchtlingen zu beachten sind.
Zehn Tipps für Gastgeber im Krisenfall
1. Ruhige
Atmosphäre
Empfangen Sie die Gäste in einer
Atmosphäre der Ruhe. Ruhe heisst nicht nichts tun, sondern wohlüberlegt
handeln.
2. Tagestruktur
geben
Besprechen Sie mit Ihren Gästen
Tagesstrukturen, das gibt ihnen Sicherheit und kann zu hilfreichen Gewohnheiten
führen.
3. Selbstwertgefühl
Sie stärken den Selbstwert und das
Selbstvertrauen ihrer Gäste, indem Sie sie einbeziehen, sie auch mal kochen, waschen
oder einkaufen lassen. Sie nicht wie Hilfesuchende, sondern wie unsere besten
Nachbarn zu behandeln.
4. Zuhören
Vielleicht wollen die Gäste von ihren
Erlebnissen erzählen. Dann sollten Sie ihnen aufmerksam zuhören. Man sollte sie
jedoch nicht aus Neugierde drängen, Sachen zu erzählen, worüber sie lieber
schweigen möchten.
5. Körperliche
Distanz
Überlegen Sie, wo körperliche Berührung
Sinn macht und sprechen Sie dies ab. Ganz besonders, wenn es sich um Kinder
handelt.
6. Emotionale
Distanz
Es gibt einen Unterschied zwischen Mitfühlen und Mitleiden. Wenn Sie sich so in die Geschehnisse hineinziehen
lassen, als würden Sie diese selber erleben, sind Sie nicht mehr fähig, die
Menschen zu begleiten.
7. Flashbacks
vermeiden
Bei Flashbacks oder Überreaktionen sollte bei den entsprechenden Stellen Hilfe geholt werden.
8. Hiobsbotschaften
Bleiben Sie bei traurigen Mitteilungen
ruhig. Im Notfall holen Sie Hilfe.
9. Entspannung
Bewegung in der Natur hilft. Vielleicht
haben Sie ein Fitness-Velo? Vernetzen Sie sich mit den Vereinen im Dorf.
10. Vernetzung
Vielleicht hat es unter ukrainischen
Gästen ebenfalls Fachpersonen wie Ärzte, Mitglieder von Care-Teams etc. Diese
können untereinander eine grosse Hilfe sein.
Im gut halbstündigen Video erfahren Sie weitere Details zu
den genannten Punkten und praktische Hinweise von Pfarrer Peter Schulthess. Das Video
können Sie hier anschauen:
Zum Manuskript des Videos:
Ukrainische Flüchtlinge seelsorgerlich begleiten
Zum Thema:
Hilfe für Dmitro & Co.: Stiftung David Dienst Schweiz im Einsatz für blinde Flüchtlinge
Plattform «Host4Ukraine»: Von Kirchen-App zu Unterkünften für Flüchtlinge
Versorgung der Kriegsflüchtlinge: Kirchen leisten massgeblichen Beitrag
Autor: Dan Heger
Quelle: Livenet