Verfahren noch einige Jahre?
Fall Räsänen: Staatsanwältin geht definitiv in nächste Instanz
Im Gerichtsverfahren gegen Päivi Räsänen hat die Staatsanwältin definitiv Berufung gegen die Freisprache der Parlamentarierin eingelegt. Damit könnte sich das Verfahren noch einige Jahre hinziehen.
Räsänen war am 30. März nach drei Jahren Ermittlungen einstimmig durch das Bezirksgericht Helsinki vom Vorwurf der «Aufwiegelung gegen eine ethnische Gruppe» – etwas, was heute als «Hassrede» bezeichnet wird – freigesprochen worden (Livenet berichtete). Staatsanwältin Raija Toivianen hatte bereits Anfang April angekündigt, dass sie gegen diesen Freispruch Berufung einlegen werde, und hat diese Berufung nun offiziell eingereicht. Nach finnischem Recht kann die Staatsanwaltschaft gegen ein «nicht schuldig»-Urteil bis zum Obersten Gerichtshof Finnlands Berufung einlegen.
Präzedenzfall für die Gesellschaft?
Päivi Räsänen ist seit 1995 Mitglied des finnischen Parlaments. Von 2004 bis 2015 war sie Vorsitzende der Christdemokraten und von 2011 bis 2015 Innenministerin. Sie erklärte nun, sie sei «bereit, die Rede- und Religionsfreiheit vor allen notwendigen Gerichten und bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verteidigen».
Obwohl sie sich wünschte, dass der Fall nach ihrem juristischen Sieg beigelegt worden wäre, sieht Räsänen die Ankündigung der Berufung nicht nur als Nachteil: «Die Entscheidung der Staatsanwältin, gegen den Freispruch Berufung einzulegen, könnte dazu führen, dass der Fall bis zum Obersten Gerichtshof geht. Damit besteht die Möglichkeit, einen Präzedenzfall zu schaffen, der die Rede- und Religionsfreiheit für alle Finnen schützt», kommentierte sie den Berufungsentscheid und fügte hinzu, sie sei «froh, dass diese Entscheidung dazu führen wird, dass die Diskussion über die Lehre der Bibel in der finnischen Gesellschaft weitergeht».
Zu Überzeugungen stehen
Die Christdemokratin, Ärztin und Ehefrau eines lutherischen Pastors, hatte wiederholt die Befürchtung geäussert, dass Christen in Finnland zur «Selbstzensur» neigen, also ihre Überzeugungen aus Furcht vor gesellschaftlichem Gegenwind verschweigen. «Ich bin siegessicher und ermutige andere, von ihrem Grundrecht auf Meinungs- und Religionsfreiheit Gebrauch zu machen», erklärte sie nun.
Allerdings befürchtete Räsänen, dass «die Staatsanwältin in dieser Berufung weiterhin die gleichen falschen, ungenauen und unwahren Anschuldigungen gegen mich erhebt, die ausschliesslich auf ihrer eigenen Interpretation meiner Äusserungen beruhen». Die Staatsanwältin hatte darauf bestanden, dass der Fall nichts mit der Bibel zu tun habe, sondern mit Diskriminierung. Gleich darauf zitierte sie jedoch Bibelverse und argumentierte, dass die Forderung «Liebe den Sünder, hasse die Sünde» unmoralisch sei. Man könne die Taten einer Person nicht von deren Identität trennen, so die Staatsanwaltschaft.
ADF International: «Alarmierend»
Die Menschenrechtsorganisation ADF International, die die Verteidigung stellte, erklärte zur Berufung: «Das Beharren der Staatsanwaltschaft auf der Fortsetzung dieses Strafverfahrens trotz eines so klaren und einstimmigen Urteils des Bezirksgerichts Helsinki ist alarmierend. Menschen jahrelang vor Gericht zu zerren, sie stundenlangen polizeilichen Verhören zu unterziehen und Steuergelder zu verschwenden, um tief verwurzelte Überzeugungen zu kontrollieren, hat in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz. Wie so oft bei 'Hassrede'-Prozessen wird der Prozess Teil der Strafe», sagte Paul Coleman, Geschäftsführer und Leitender Anwalt von ADF International.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Evangelical Focus / ADF International