Neue Studie
Deutsche Jugendliche im Vertrauenstief
Eine neue Studie zeigt: Schon viele Jugendliche sind anfällig für Verschwörungstheorien und misstrauen Journalisten, aber auch anderen Menschen. Dabei spielt vor allem das Elternhaus eine grosse Rolle.
Die Mehrheit der Jugendlichen vertraut Medien und Medienmachern nicht. Auch insgesamt zeigen Jugendliche weniger Vertrauen in sich und andere als zu früheren Zeiten. Das haben Experten am Dienstag in Berlin erklärt. Grundlage für diese Erkenntnisse ist eine neue Studie im Auftrag der Firma Bepanthen. Für die Erhebung wurden über 1'500 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 16 Jahren sowie deren Eltern befragt.
Drei Viertel der Jugendlichen ab zwölf Jahren gaben an, Zeitungen zu misstrauen, fast genauso viele sagten dies über Journalisten. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen vermutet, dass Medien absichtlich wichtige Informationen zurückhalten und nur ihre eigene Meinung verbreiten. Der Bundesregierung und anderen politischen Einrichtungen vertraut nur etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen. Besser stehen Wissenschaft und Polizei da: Jeweils über drei Viertel der befragten Teenager schenken ihnen Vertrauen.
Verschwörungsneigungen schon bei Teenies
Zwei Drittel der Jugendlichen vertrauen anderen Menschen nicht. Etwa jeder zweite Jugendliche meint, wer sich auf andere verlässt, wird ausgenutzt, und hat bereits erlebt, dass man sich nicht auf andere verlassen kann. Etwas über ein Drittel glaubt nicht daran, dass die meisten Menschen gute Absichten haben. Ein Viertel hat wenig Selbstvertrauen. Unter letzteren ist auch das Vertrauen in andere seltener, wie Ziegler erklärte.
Von jenen Jugendlichen, die wenig Vertrauen in politische Einrichtungen haben, zeigte rund ein Drittel Anfälligkeiten für Verschwörungstheorien. Genauso war es bei Jugendlichen, die ihre Informationen bevorzugt aus den Sozialen Medien beziehen. Im Gegensatz dazu gilt das nur für rund fünf Prozent derjenigen, die sich via öffentlich-rechtlicher Sender über das Weltgeschehen informieren.
Und auch das Elternhaus spielt eine Rolle: In Familien, in denen Mutter und Vater ihrerseits kein Vertrauen in etwa Politik oder Behörden haben, zeigt mehr als ein Drittel der Kinder eine Verschwörungsneigung. Kinder, die aus Haushalten kommen, in denen Verschwörungsneigungen bereits vorhanden seien, zeigten weniger Vertrauen etwa in andere Kinder, erklärte Studienleiter Holger Ziegler von der Universität Bielefeld bei der Vorstellung der Ergebnisse. Grund dafür sei ein tiefes Misstrauen und die Idee: «Hinter dem, was die Leute sagen, steckt in Wirklichkeit etwas ganz anderes.» Das betreffe schon Kinder. Diese würden dann zum Beispiel seltener Spielzeug verleihen, aus Angst, es würde kaputt gemacht. Auch grundsätzlich zeigten sie seltener soziales Verhalten.
In Haushalten in denen Eltern sich nur wenig nach der Meinung ihrer Jugendlichen erkundigen, weist ebenfalls ein Drittel der Jugendlichen eine starke Anfälligkeit zur Verschwörungsneigung auf. Je mehr Jugendliche dabei das Gefühl haben, dass sie nicht schaffen, was ihre Eltern von ihnen verlangen, desto eher sind sie anfällig für Verschwörungsgedanken.
Pessimistischer Blick auf die Welt
Ein Viertel der Jugendlichen blickt nicht optimistisch in die Zukunft. Die Sicht der jungen Menschen auf die Welt ist von starken Ängsten geprägt. Mehr als zwei Drittel sorgen sich jeweils um Klimawandel, Umweltverschmutzung, Krieg und Armut. Nur knapp ein Fünftel der Jugendlichen sieht für die Gesellschaft eine positive Weiterentwicklung.
Ähnliches zeigt sich auch bei den Jüngeren. Nur etwa ein Drittel der Kinder unter zwölf Jahren vertraut darauf, dass es den Menschen in Zukunft besser gehen und es etwa weniger Kriege geben wird. Beim Blick auf die Zukunft beschäftigen die Kinder insbesondere zwei Ängste: Die Sorge vor gefährlichen Krankheiten und vor wachsender Armut. Insgesamt blicken Kinder laut Ziegler aber optimistischer in die Zukunft als Jugendliche.
Junge Menschen heute misstrauischer
Doch auch die Jugendlichen unterscheiden deutlich zwischen persönlicher und gesellschaftlicher Zukunft. Nur vier Prozent sehen pessimistisch in die eigene Zukunft und fast die Hälfte blickt positiv auf die ganze private, zukünftige Entwicklung. Insgesamt vertrauten junge Menschen heute weniger als in vorangegangenen Studien, fasste Ziegler die Ergebnisse noch einmal zusammen. Jugendliche seien heute deutlich misstrauischer als etwa ihre Eltern.
Bernd Siggelkow, Leiter der Hilfsorganisation für Kinder und Jugendliche «Arche», erklärte: Viele Kinder, die in seine Einrichtung kämen, wüssten schon sehr früh, dass aus ihnen «nichts wird». «Deshalb haben sie wenig Selbstvertrauen, wenig Vertrauen in andere und wenig Vertrauen in die Zukunft.» Hinzu komme, dass neunzig Prozent der Nachrichten in den Medien negativ seien. Diese prasselten auch auf Kinder ein. «Wenn das ungefiltert bleibt, dann führt das schnell zu Verschwörungsneigungen.»
Eltern gab der Vater von sechs Kindern den Rat, mit ihren Kindern zu reden, sie zu begleiten und zu unterstützen. Auch Politiker sollten jungen Menschen vermitteln: Ich habe nicht alle Lösungen, ich höre auch auf deine Vorschläge und Ideen. Junge Menschen bräuchten mehr Vertrauenspersonen, auch in der Politik. Laut Siggelkow bemühten sich Politiker zu selten, auf Kinder, Jugendliche und sozial schwache Familien einzugehen. Das beginne schon mit der Sprache von Regierungserklärungen, die die Familien in Betreuung der «Arche» kaum verstünden. Siggelkow, der auch Pastor ist, zog einen Vergleich zum Predigen: «Wenn ich als Pastor auf der Kanzel stehe und über etwas spreche, was die Menschen nicht interessiert, dann wird meine Kirche leer sein. Das erleben wir gerade.»
Dieser Artikel erschien zuerst bei PRO Medienmagazin
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Autor: Anna Lutz
Quelle: PRO Medienmagazin
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