Angelika Marti
«Es geht um Verzicht und Geduld zugunsten der Schwachen und Älteren»
Der Coronavirus ist noch
im Umlauf. Gefährdet sind vor allem schwache und ältere Personen. Angelika
Marti, Leiterin der digitalen Gebetswand der Heilsarmee, leidet selbst unter einer chronischen Krankheit. Im Interview mit Livenet spricht sie unter
anderem über ihren Umgang damit und wie sich die Heilsarmee in der aktuellen
Situation mit dem Coronavirus engagiert.Sie sind Leiterin der digitalen Gebetswand
der Heilsarmee und versuchen über diesen Weg, Menschen zu helfen. Ist das
Coronavirus dort ein grosses Thema im Moment?
Angelika Marti:
Nein, erstaunlicherweise gar nicht.
Wie erklären Sie sich das?
Wir erhalten Gebetsanliegen, die sich um die ganz
persönliche Situation der Einsender und Einsenderinnen drehen, von der Familie
über die Arbeit bis zu gesundheitlichen Schwierigkeiten. Das Virus ist in diesem innersten Bereich unseres
Lebens noch nicht bedrohlich: Es sind bis jetzt nur sehr wenige Menschen selber
erkrankt, haben erkrankte Angehörige oder mussten in Quarantäne.
Sie selbst haben auf der Webseite der digitalen
Gebetswand den einfachen Aufruf platziert: «Beten wir um
einen Geist der Weisheit und Besonnenheit, der unsere Länder durchweht!». Was
verstehen Sie unter «Weisheit und Besonnenheit» in dieser Lage?
Wir wollten das Thema aufnehmen, weil es ja doch
unseren Alltag sehr verändert hat und die Berichterstattung dominiert. Bis
jetzt sind es vor allem Menschen, die Entscheidungen über die Durchführung von
Anlässen, zum Schutz von Mitarbeitern und Risikogruppen und über die Hygiene
treffen müssen, die vor grossen Herausforderungen stehen. Also die Behörden,
Leiter und Chefs. Sie müssen die Auswirkungen ihres Handelns vor der
Bevölkerung verantworten und stehen unter grossem Druck. Darum haben wir uns
bis jetzt auf sie mit unseren Gebeten konzentriert. Sie sollen mit Weisheit erfüllt
sein und die Balance zwischen Verhältnismässigkeit und Vorsicht finden. Das
meinen wir mit Besonnenheit. Es ist schwierig, einerseits die Bevölkerung zu
informieren und wirksame Massnahmen zur Verlangsamung der Epidemie zu ergreifen,
und andererseits weder Angst noch Panik zu schüren.
Wir stehen alle im Spannungsfeld zwischen Fakten und Verschwörungsgerüchten aller Art, auch christlichen, dem Liveticker und unseren Alltagsgeschäften. Da die Balance zu finden, ist eine Herausforderung, die von uns allen Besonnenheit verlangt.
Sie selbst leiden ja unter der neurologischen
Erkrankung Multiple Sklerose. Macht Ihnen persönlich die Bedrohung durch den Coronavirus Angst?
Nein, ich habe keine Angst. Ich spüre Respekt und versuche, selber besonnen zu sein.
Natürlich wäre ein Verlauf in meiner Situation schwerer. Mit den vom BAG
empfohlenen Massnahmen kann ich mich aber selber gut schützen. Ein Virus ist ja
im engeren Sinn kein Lebewesen. Es kann mich nicht von hinten anfallen und
nicht in meine Nase kriechen. Es ist absolut passiv und braucht ein
Transportmittel: Tröpfchen oder meine Hand. Verharmlosen will ich es mit diesen
Aussagen aber nicht. Das schwierigste ist, nicht mit den Händen das Gesicht zu
berühren. Da bin ich noch am Dazulernen.
Was erwarten Sie von jungen und gesunden
Menschen, die selbst nach einer Ansteckung kaum mit einem schweren Verlauf der
Krankheit rechnen müssen?
Ich erwarte, dass sie sich an die Aufrufe der
Behörden halten. Es geht um Verzicht und Geduld zugunsten der Schwachen und Älteren,
also ihren Grosseltern, und der Entlastung des Gesundheitssystems durch
Abflachung der Ansteckungskurve. Wenn alle Spitalbetten und Beatmungsapparate
besetzt sind, wird es auch für die wenigen Jüngeren lebensgefährlich.
Wie engagiert sich die Heilsarmee ganz allgemein
in der aktuellen Situation?
Die Heilsarmeeleitung hat Richtlinien zur
Umsetzung der Massnahmen des BAG bei den 2'500 Mitarbeitern in den sozialen
Einrichtungen und den Gemeinden erlassen. Schwierig sind die Entscheidungen vor
Ort trotzdem.
Dann wird die Heilsarmee in Uster ihr Seelsorgetelefon mit einer Corona-Hotline ergänzen. Da sollen Menschen Unterstützung erhalten, die Angst haben, deren Anlässe in den Gemeinden ausfallen und die Betroffenen. Manchmal hilft es schon viel jemanden zum Reden zu haben, der für einen betet. Die Nummer ist seit dem 11. März 2020 aktiv (Telefon: 044 940 04 15; Montag–Freitag: 14–18 und 19–23 Uhr). Wir verweisen auf der Gebetswand darauf.
Daneben werden wir natürlich weiter beten und sicher auch weiter Anliegen publizieren. Wir wollen uns eins machen im Gebet gegen die Krise und so einen Boden in der Gesellschaft legen, der Menschen stabilisiert und die Solidarität stärkt.
Zur Webseite:
Heilsarmee Zürich-Oberland
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Autor: Nora Baumgartner / Florian Wüthrich
Quelle: Livenet