Rückzug von der Kanzel

«Weit weg von Gott und müde in der Seele»

Dr. Howard-John Wesley, Pastor einer Kirche mit 10'000-Mitgliedern, schockierte seine Gemeinde in diesem Monat mit der Ankündigung, sich ein paar Monate von der Kanzel zurückzuziehen. Dies aufgrund eines kleinen Wortes in der Bibel.

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Dr. Howard-John Wesley
Die Alfred Street Baptist Church in Alexandra, Virginia (USA) ist eine traditionsreiche Kirche, die auf das Jahr 1803 zurückgeht. Dr. Howard-John Wesley ist erst ihr achter Pastor (!) und seit 2008 im Dienst der Gemeinde. Im Dezember überraschte er seine Kirche während der Predigt mit der Ankündigung, eine Zeitlang mit seinem Dienst auszusetzen.

«Man kann nichts aus einem leeren Becher ausgiessen»

«Vom 1. Januar bis zum 1. April 2020 werde ich mich von allen Verantwortlichkeiten als Pastor zurückziehen», erklärte Wesley. «Man kann nichts aus einem leeren Becher ausgiessen. Es ist sehr gefährlich für euren Pastor, leer zu sein. Ich muss mich jetzt um mich selbst kümmern. Ich bin müde. Und zwar bin ich müde auf eine Art, die man nicht mit einem guten Nachtschlaf heilen kann. Ich bin müde in meiner Seele.»

Was bei uns «Burnout» genannt wird, ist in den USA noch weniger bekannt. «Das ist die grösste Lüge des Teufels», sagte Rev. Wesley, «dass er dich davon überzeugen will: Je mehr du arbeitest, um so wichtiger bist du. Je mehr du zu tun hast, um so höher bist du in der Nahrungskette. Wenn du dich auf die Knochen abarbeitest, ehrst du Gott. Aber Gott sagt: Du bist nicht heilig, wenn du nicht zur Ruhe kommst.»

Selah – nutze deine Ferien

Das Thema der Predigt war das Wort, das in den Psalmen oft vorkommt: «Selah» – das bedeutet eine Ruhepause. «Heute sagt uns Gott, dass du lernen musst, zur Ruhe zu kommen, wenn du wirklich heilig leben willst», erklärte Pastor Wesley. «Ich weiss nicht, zu wem ich heute rede, aber lass deine Ferientage nicht ungenutzt! Nimm jeden freien Tag, der dir zusteht. Es ist gottlos, nicht deine ganzen Ferien zu nutzen.» Und er ergänzte: «Ich fiel dem satanischen Trick zum Opfer, dass ständiges Aktivsein Gott ehrt.»

Kampf mit Gott

Unter Tränen erklärte Wesley: «Ich verlasse euch nicht. Aber es ist einer der grössten Irrtümer eines Pastors, wenn er denkt, dass er nahe bei Gott ist, nur weil er für ihn arbeitet. Ich habe meine Arbeit für Gott mit der Anbetung verwechselt und fühle mich in Wirklichkeit fern von Gott. Ich fühle mich wie Jakob, der mit Gott kämpfte. Ich habe einige Sachen mit Gott durchzuringen. Und Gott wollte Jakobs Natur ändern, darum kämpfte er mit ihm. Manchmal nimmt Gott uns weg von den Leuten, damit wir uns endlich ihm ergeben, er einige Sachen zerbrechen und uns verändern kann.»

«Gottesdienste sind kein Ersatz für Gebetsleben»

Vor allem aber möchte er «näher zu Gott. Ich möchte dahin kommen, dass ich die erste Stunde des Tages auf den Knien verbringe. Sonntagsgottesdienste sind kein Ersatz für ein fehlendes Gebetsleben. Gott dienen ist kein Ersatz für fehlendes Gebet. Ich möchte die Bibel vom ersten bis zum letzten Buch durchlesen, ohne eine Predigt daraus zu machen. Ich möchte auch reisen, bei jemand anders hinten in der Kirche sitzen und Gottes Wort hören und mir keine Gedanken machen müssen, wie wir rechtzeitig für den nächsten Gottesdienst fertig werden.»

«Die meisten schwarzen Pastoren sind körperlich schlimm dran»

Nicht zuletzt hat der Pastor auch einen Körper: «Gott nimmt mich auf die Seite, weil ich noch mit ihm am Kämpfen bin und noch nicht nachgegeben habe. Ich werde 50, und ich möchte einiges von meinem Verhalten in den 40ern zurücklassen. Seid ihr euch klar, dass das der einzige Körper ist, den ihr habt? Wenn ihr den verbraucht, war es das. Überrascht es euch, dass die meisten schwarzen Pastoren körperlich schlimm dran sind? Ihr Blutzucker ist hoch, der Blutdruck geht in den Himmel, ihr Cholesterol ist schlimm und sie nehmen viel mehr Tabletten als gut ist.»

Sein Arzt habe ihm erklärt: «Die einzige Medizin für Stress ist Ruhe, Diät und Sport.» Darum habe er den Entschluss gefasst, sein Leben zu ändern: «Hört mir zu: Wenn es mir Gott nicht anders sagt, werde ich auf dieser Kanzel nicht sterben.»

Zum Thema:
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Datum: 27.12.2019
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Today

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