Diagnose Ausgebrannt

Burnout: Modewort für Manager oder weit verbreitete Krankheit?

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Der Begriff Burnout ist seit Jahren in aller Munde. Doch seine Wahrnehmung schwankt. Ist er Modeerscheinung oder Volksseuche? Krankheit für Manager oder jeden? Schwere Erkrankung oder leichte Befindlichkeitsstörung?

Das Problem beim Burnout ist, dass man alle obigen Fragen mit ja beantworten kann. Enno Maass von der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung hält fest: «Streng genommen ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Burnout keine Krankheit, sondern ein 'Faktor, der die Gesundheit beeinträchtigen kann'.» Ganz praktisch sind Betroffene (beruflich) so überlastet und emotional erschöpft, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Das Ganze hat ausserdem Auswirkungen auf Schlaf, Motivation und Lebensfreude, eine innere Leere breitet sich aus.

Herbert Freudenberger und die «Erfindung» des Burnout

Diesen Zustand beschrieb der deutsch-amerikanische Psychologe und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger 1974 zum ersten Mal in der Fachpresse. Dabei ging es ihm – und geht es beim Burnout bis heute – um Reaktionen auf andauernden Stress und Überlastung am Arbeitsplatz. Typische Elemente davon sind überwältigende Erschöpfung, innere Distanzierung zur Arbeit und ein Gefühl der Wirkungslosigkeit.

Neuere Untersuchungen belegen diese Symptome, zeigen aber, dass sie letztlich nicht durch zu viel Arbeit entstehen. Die Ärztin Mirriam Prieß zeigt in ihrem Buch zum Thema, dass stattdessen unsere Beziehungen eine zentrale Rolle bei der Entstehung eines Burnouts spielen: «Menschen brennen aus, weil sie den Dialog zu sich verloren haben und in konfliktreichen Beziehungen zu ihrem Umfeld stehen.»

Manfred Lütz und die Kritik am Burnout

Wo die einen Burnout als Volksseuche bezeichnen und davon ausgehen, dass diese in der EU Kosten von rund 20 Milliarden Euro verursacht, provoziert der Arzt, Autor und Psychotherapeut Manfred Lütz mit der Aussage, dass es Burnout als Krankheit gar nicht gibt. Nach ihm ist sie «inzwischen ein lukratives Geschäftsmodell. Je mehr darüber geredet und geschrieben wird, desto mehr Gesunde kommen auf die Idee, dass bei ihnen auch irgendetwas nicht stimmt.»

Lütz widerspricht in seinem Bestseller «Bluff» der Universaldiagnose Burnout und der Ansicht, dass die Belastung der Menschen immer weiter zunehme und mit ihr die seelischen Erkrankungen. Er hält den Begriff nicht für hilfreich: Bei einer Depression greift er viel zu kurz, bei einer momentanen persönlichen Krise zu weit. Damit reagiert der prominente Arzt auf die Modediagnose Burnout, die sich immer noch ein bisschen positiver und aktiver anhört als zum Beispiel Depression. Teilweise ist diese Ansicht bereits wieder veraltet, denn die nächste «Internationale Klassifikation der Erkrankungen» ICD-11, die ab Januar 2022 gelten soll, definiert Burnout tatsächlich als krankhaftes Syndrom aufgrund von «Stress am Arbeitsplatz».

Elia und der fromme Burnout

Aus christlicher Sicht gibt es immer noch Vereinzelte, die denken, dass Christen die Ausgewogenheit gepachtet haben bzw. sich im Dienst für Gott nicht aufreiben können. Doch es werden immer weniger, denn das Thema Burnout ist längst bei Gottes Mitarbeitern angekommen.

Tatsächlich war es das sogar schon zu biblischen Zeiten. Spannendes Beispiel dafür ist der Prophet Elia. Nach jahrelangem Einsatz für Gott gegen viele Widerstände bricht der vollmächtige Mann Gottes nach einer Drohung der Königin Isebel, die sich in nichts von ihrem vorherigen Reden unterschied, zusammen. Der Bericht darüber ist lesenswert (1. Könige, Kapitel 19). Und besonders Vers 4 enthält eigentlich alle Symptome eines typischen Burnouts: «Er selbst [Elia] aber ging hin in die Wüste, eine Tagereise weit, und er kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch. Und er erbat für sich den Tod und sprach: Es ist genug! So nimm nun, Herr, mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Väter!»

Elia erlebt eine tiefe Erschöpfung, die innere Distanzierung zu seiner Arbeit und ein Gefühl der Wirkungslosigkeit (siehe oben). Tatsächlich kann gerade das fromme Umfeld einen Burnout noch unterstützen, wenn man sich und anderen etwas beweisen möchte, oder besonders hart arbeitet, weil es ja um «die Sache des Herrn» geht.

Du und ich und der Burnout

Und nun? Lässt sich Burnout verhindern? Heilen? In Zukunft vermeiden? Ja. Und dazu ist es wichtig, zunächst einmal eines klarzustellen: Grundsätzlich kann ein Burnout jeden betreffen! Enno Maass betont darüber hinaus: «Besonders häufig betroffen sind Berufstätige im mittleren Lebensalter und mit eher höherer Schulbildung, höherem Einkommen oder höherer beruflicher Stellung.»

Vorbeugen kann man ihm, indem man seine eigenen Bedürfnisse wahrnimmt, Stressmanagement einübt, Perfektionismus abbaut, klare Ziele für sich selbst definiert und verfolgt, in Beziehungen zu anderen (und sich selbst!) investiert und einen möglichst gesunden und ausgeglichenen Lebensstil praktiziert.

Darüber hinaus hilft Manfred Lütz mit seiner kritischen Sicht jedem Betroffenen weiter. Oft wird einem der Begriff Burnout nämlich nicht gerecht. Wer gerade seinen Arbeitsplatz oder seine grosse Liebe verloren hat, dem geht es natürlich schlecht – er ist aber nicht ausgebrannt. Wer auf der anderen Seite an einer ausgewachsenen Depression leidet, dem helfen ein paar praktische Ratschläge wie die obigen überhaupt nicht. Er oder sie braucht dringend professionelle Hilfe. Bei einem «normalen» Burnout hält Lütz übrigens mehr von Inspiration als von Rezepten. Und in diesem Zusammenhang nennt der Arzt und Psychotherapeut vor allem die Bibel als Quelle. Jenseits von platten Glücksversprechen in der Art von: «Das hat mir geholfen – es muss auch gut für dich sein», ermöglicht sie eine neue Begegnung mit dem alten Gott, wie sie auch Elia erlebte.

Zum Thema:
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Datum: 23.09.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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