Klare Mehrheit für Alterssuizid

Gottfried Locher: «Unsere Gesellschaft hat ein gestörtes Verhältnis zum Alter»

Eine klare Mehrheit der Schweizer Bevölkerung würde die Möglichkeit eines erleichterten Alterssuizids begrüssen. Das ergab eine Umfrage von «reformiert.». SEK-Präsident Gottfried Locher findet Alterssuizid eine «menschenverachtende Idee».

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Gottfried Locher
Sollen gesunde ältere Menschen leichter an Sterbemittel kommen? Diese Frage würde eine grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung mit «Ja» beantworten. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts «Léger Schweiz», die bei 1‘004 Personen der deutsch- und französischsprachigen Schweiz durchgeführt wurde.

Demnach finden 68 Prozent der Befragten die Möglichkeit zum erleichterten Alterssuizid «eher gut» oder «sehr gut». Vor allem die älteste befragte Altersgruppe zwischen 55 bis 74 Jahren will eine liberale Lösung. Dass sie selbst einmal vom Altersfreitod Gebrauch machen, können sich 51 Prozent vorstellen (weitere Angaben zur Umfrage hier im Bericht von idea Schweiz)

«Alterssuizid ist eine menschenverachtende Idee»

Gottfried Locher, der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) äusserte sich in einem Interview auf ref.ch zum Umfrageergebnis. «Für mich persönlich kommt eine Mithilfe in Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas nicht infrage», so Locher. «Ich möchte nicht Hand dazu bieten, dass kranke und alte Menschen das Gefühl bekommen, ihr Tod wäre für die Gesellschaft kein Verlust, sondern eine Erlösung», so der SEK-Präsident. Alterssuizid ist aus seiner Sicht eine «menschenverachtende Idee»: «Du bist alt, also bring dich endlich um! Und was für eine Dummheit: Niemand kennt das Leben so gut wie die Alten. Wir brauchen ihre Erfahrung dringend. Aber unsere Gesellschaft hat ein gestörtes Verhältnis zum Alter, wir sehen es nur als Last», erklärt Locher.

«Bilanz zieht in meinem Leben nur genau einer»

Auch einen «Bilanzsuizid» lehnt Gottfried Locher entschieden ab: «Woran genau soll ich messen, ob die angebliche Bilanz meines Lebens gut genug ist, um noch ein bisschen weiterzuleben oder nicht? Wann gebe ich mir eine 4 für genügend und wann eine 3½ – Exit anrufen? Bilanz zieht in meinem Leben nur genau einer, und der bin sicher nicht ich. Auf uns wartet ein gnädiger Richter. Solange er mich noch leben lässt, ist meine Bilanz jedenfalls nicht gemacht. Bis zum letzten Atemzug lebe ich noch ad majorem Dei gloriam – zum höheren Lobe Gottes. Schöner kann man den Sinn des Lebens nicht formulieren: Wir leben, um Gott zu loben.»

Weiter führt der höchste Reformierte der Schweiz aus, es sei falsch, sich das Leben zu nehmen, weil der Selbstmord lebenswertes Leben verhindert, das eigene und dasjenige anderer Leute. «Wer sich das Leben nimmt, verunmöglicht Mögliches. Darunter hätte auch Gutes sein können. Klar, darunter kann auch Schlechtes sein, vielleicht sogar nur noch Schlechtes.» Darum seien auch Ausnahmen möglich. Grundsätzlich habe der Freitod aber wenig mit «Freiheit» zu tun. «Der Begriff ‘Freitod‘ ist einer der perverseren Euphemismen, die ich kenne. Ich bringe mich ja nicht um, weil ich frei bin, sondern weil ich Angst habe vor etwas noch Schlimmerem», so der Theologe.

Webseite:
ref.ch

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Datum: 26.09.2014
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet.ch / ref.ch / idea Schweiz

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