«Vielleicht doch in die Kirche?»
USA: Mehr religiöse Bestattungen gewünscht
Covid hat in den Jahren 2020 und 2021 in den USA dazu geführt, dass zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder deutlich mehr Menschen eine religiöse Beerdigung für ihre Verstorbenen wünschen.
In den Jahren 2020 und 2021 war der Tod in Amerika allgegenwärtig. Nach vorläufigen Daten starben im Jahr 2020 etwa 570'000 Menschen mehr als im Jahr 2019, davon etwa 350'000 an COVID-19. Bis Herbst 2021 starben weitere 350'000 Menschen am Coronavirus, so dass sich die Zahl der Todesfälle auf 700'000 erhöht – Tendenz steigend.
Als etwa so viele Menschen in den vier Jahren des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) starben, hatte dies weitreichende Auswirkungen auf die amerikanische Kultur. Laut Historikern wurde Friedhöfen mehr Aufmerksamkeit geschenkt, Familienbilder gewannen an Bedeutung und die Popularität des Spiritismus (einer neuen religiösen Bewegung, die behauptete, man könne mit den Toten kommunizieren) nahm rapide zu.
Religion wird wieder wichtig
Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Auswirkungen die heutigen pandemischen Todesfälle auf die Kultur haben werden. Aber eine Veränderung in den USA ist jetzt schon bemerkenswert: Der Prozentsatz der Menschen im Alter von 40 Jahren und älter, die sagen, dass Religion bei der Beerdigung eines geliebten Menschen «sehr wichtig» sei, ist zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wieder gestiegen.
Laut einer jährlichen Studie der Bestattungsbranche nahm die Bedeutung der Religion bei Beerdigungen im Jahr 2020 um 10 Prozentpunkte zu. Im Jahr 2021 stieg sie um weitere 2 Prozentpunkte an. Heute sind es 47 Prozent, die eine religiöse Bestattung wünschen, gegenüber noch 35 Prozent im Jahre 2019.
Eine Fahne aufstellen?
Die Mehrheit der Amerikaner hält Religion bei Beerdigungen immer noch für unwichtig, aber eine wachsende Zahl verspürt ein neues Bedürfnis danach. Sarah Jones, eine Atheistin, die in einem streng evangelikalen Elternhaus aufgewachsen ist, schrieb über diese Erfahrung im «New York Magazine» und reflektierte über das Fehlen einer Gedenkstätte für ihren Grossvater.
«Ich könnte eine Fahne für meinen Grossvater aufstellen ... aber die Geste fühlt sich oberflächlich an», schrieb sie. «Ich weiss nicht, was genau ich von einer religiösen Bestattung erwarten würde – ob es Katharsis oder ein Sinn oder etwas ganz anderes ist. Aber ich habe dieses Jahr hunderte Male gedacht: Vielleicht sollte ich in die Kirche gehen.»
Es ist nicht bekannt, ob Sarah Jones diesem Impuls folgte. Aber wie sich herausstellt, geht es vielen anderen angesichts der vielen Todesfälle genauso. Es bleibt abzuwarten, ob der Trend in der Schweiz und in Europa, Menschen ohne religiöse Abdankung zu «verabschieden», ebenfalls durch die Pandemie beeinflusst wird.
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Autor: Daniel Sillmann / Reinhold Scharnowski
Quelle: Christianity Today / Übersetzt und berarbeitet von Livenet