Heilsarmee-Personensuchdienst
Was ist aus meiner Familie geworden?
Seit 1885 betreibt die Heilsarmee einen Personensuchdienst. Ursprünglich um Frauen und Mädchen suchen zu lassen, die möglicherweise ein «unsittliches Leben» führten, erweiterte sich diese Zielgruppe nach und nach auf alle Personen, die von ihrer Familie vermisst werden.
Die Heilsarmee arbeitet in über hundert Ländern, betreibt aber nicht in all diesen Ländern einen Suchdienst. Zuständig dafür ist jeweils der Suchdienst in dem Land, in dem der oder die Suchenden wohnen. Beim Suchen sind genau festgelegte Regeln einzuhalten. Die Arbeit ist streng vertraulich.
Dem Suchdienst kommt die weltweite Organisation der Heilsarmee zugute. Auch die guten Beziehungen zu internationalen Kreisen, auch kirchlichen, sind für die Arbeit hilfreich.
Suche auf Länder mit Heilsarmee beschränkt
In Bern, wo sich das Territoriale Hauptquartier für die Länder Schweiz, Österreich und Ungarn befindet, laufen die Fäden des schweizerischen Suchdienstes zusammen. Dieser arbeitet mit den Suchdiensten der Heilsarmee anderer Länder zusammen. Allerdings habe man keine Möglichkeit, in Ländern zu suchen, wo die Heilsarmee nicht präsent ist, erläutert die aktuelle Leiterin des Schweizer Suchdienstes, die Heilsarmeeoffizierin Regula Kurilin, im Gespräch mit Livenet die Situation.
Für Suchaufträge, die Bürger solcher Staaten beträfen, schalte man beispielsweise das Internationale Rote Kreuz (IKRK) ein oder den Roten Halbmond. Aufträge aus Ungarn werden an das Rote Kreuz weitergeleitet, aus Österreich kommen nur wenige Anfragen, Deutschland verfügt über einen eigenen Suchdienst. Kurilin behandelt also vor allem Gesuche aus der Schweiz.
Nicht alle Gesuche werden angenommen
Regula Kurilin arbeitet seit 2013 im Suchdienst. Sie genoss unter anderem eine KV-Ausbildung,dann die Ausbildung zur Offizierin sowie Weiterbildungen in Seelsorge und Lebensberatung. Und sie bringt einen festen Glauben mit. Sie werde aber nicht nur vom Glauben getragen, sondern könne sich auch mit Kolleginnen und Fachleuten anderer sozialen Dienste aussprechen, falls ihr ein Fall zu nah geht.Wer nimmt die Dienste des Heilsarmee-Suchdienstes in Anspruch? Laut Kurilin kommen die Suchenden aus allen Gesellschaftskreisen. Gesucht werden vor allem Familienangehörige. Freunde, Arbeitskollegen, Ferienbekanntschaften oder Ex-PartnerInnen hingegen müssen über andere Suchdienste oder Internetplattformen gesucht werden. Fälle von Kindsentführung werden von der Heilsarmee aus juristischen Gründen nicht übernommen.
Das wortlose Verschwinden
Der Gründe, warum ein Mensch «verloren» gehen kann sind viele: Umzug, Auswanderung, Flucht, Krieg, um nur ein paar zu nennen. Auch kommt es vor, dass jemand den ihm unbekannten Elternteil kennenlernen möchte, den biologischen Vater beispielsweise. Und schliesslich ist da manchmal auch der Wunsch nach Versöhnung bei Familienstreitigkeiten.
Eine besondere Art, sich in der «Landschaft» zu verlieren ist das heute so genannte «Ghosting». Dabei handelt es sich um den plötzlichen, unerwarteten Beziehungsabbruch: Einer der Beziehungspartner verschwindet wortlos und ohne Vorwarnung aus dem gemeinsamen Leben mit dem anderen Partner. «Gut mit Ghosting umgehen können die wenigsten, weder die Verlassenen noch die Verlassenden», schreibt die Journalistin Tina Soliman dazu im Magazin der Schweizer Reformierten «bref».
Frau Kurilin äussert Verständnis für die seelischen Schwierigkeiten der Betroffenen. Da aber ihr Suchdienst diese heiklen Fälle nicht übernimmt, leite sie Betroffene – sie betreffen weniger als ein Prozent aller Anfragen – an andere Suchdienste weiter.
Die Vergangenheit abschütteln
Ob es nach dem ersten Kontakt zwischen der gesuchten Person und der Heilsarmee tatsächlich zu einer Personenzusammenführung kommt, müssen die Gefundenen entscheiden. Nicht alle wünschen eine Begegnung mit Personen aus ihrem früheren Leben. «Die Suchenden müssen sich in diesen Fällen mit dem Wissen begnügen, dass die gesuchte Person noch lebt.»
Regula Kurilin verfügt über verschiedene «Arbeitsinstrumente»: Das Internet, das Telefon, Kenntnis der Gesetzeslage und der Arbeitsweise der weltweiten Heilsarmeedienste sowie die persönliche Lebenserfahrung.
Allerdings erschweren, ja verhindern manchmal die Datenschutzgesetze die Herausgabe von Informationen. Spielt der gute Ruf der Heilsarmee nicht auch eine Rolle beim Umgang mit offiziellen Stellen? Kurilin winkt ab: «Heute zählen fachliche Kenntnisse mehr als der gute Ruf. Das war einmal!»
Drei Monate bis drei Jahre
Nachforschungen dauern von drei Monaten in einfachen Fällen bis zu zwei oder drei Jahren bei komplexen Voraussetzungen. Lassen sich nach langer Zeit keine Spuren der gesuchten Person finden, wird die Suchaktion eingestellt. «Erfolgreiche Nachforschungen aber entschädigen mich für meine Arbeit», betont die Heilsarmeefrau.
Im Jahr 2017 sind 90 Anfragen eingegangen. Davon sind 41 zu Aufträgen geworden, was bedeutet, dass die Suchenden einen zugestellten Fragebogen ausgefüllt und zurückgeschickt haben. Aufgrund dieser Angaben wird entschieden, ob die Suche durchführbar ist.
Im Jahr 2017 konnten 25 Dossiers – also Suchaufträge – abgeschlossen werden. Elf Anfragen wurden an andere Suchdienste weitergeleitet. Die restlichen Suchenden haben den Fragebogen noch nicht zurückgeschickt.
Der Personensuchdienst der Heilsarmee Schweiz ist für Suchende gratis; er wird mit Spendengeldern finanziert. Während des Suchprozesses bleibt die Heilsarmee Ansprechpartnerin – sowohl bei administrativen Aufgaben als auch dann, wenn die Suche Emotionen oder Fragen ausgelöst hat, die besprochen werden sollten.
Zur Webseite:
Personensuchdienst der Heilsarmee
Zum Thema:
Chancen sehen: Heilsarmee-General André Cox ermutigt bei Treffen in Bern zum Handeln
150 Jahre Heilsarmee: 500 Schweizer feiern in London mit
«SRF HE!MATLAND»: Begegnung im Heilsarmee-Integrationsprogramm HandsON
Autor: Willy Gautschi
Quelle: Livenet