Mitten in Usbekistan
Buchara: Eine alte Stadt erlebt Erweckung
Buchara ist eine der ältesten Städte der Welt. In der «Stadt voller Wissen» erleben christliche Kirchen in den letzten Jahren ein «ausserordentliches Wachstum», wie Prof. Johannes Reimer nach einem Besuch berichtet.Buchara wurde erstmals 500 v. Chr. erwähnt. An der berühmten Seidenstrasse gelegen, wurde die Stadt zu einem wichtigen Zentrum für Handel, Kultur, Wissenschaft und Religion. Antike Autoren nannten Buchara «eine Stadt voller Wissen». Die UNESCO hat das historische Zentrum der Stadt 1993 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Heute ist Buchara die Hauptstadt der gleichnamigen Region in Usbekistan, die an Afghanistan und den Iran grenzt.
Buddhismus – Islam – Christentum
Das Christentum wurde im 7. Jahrhundert von den Nestorianern in das ursprünglich buddhistische Buchara eingeführt. Im späten 9. Jahrhundert konvertierte die Bevölkerung allmählich zum Islam, das Christentum war jedoch vorherrschend, bis im 14. Jahrhundert ein radikalerer Islam den vorherigen, toleranten mongolischen Herrschern folgte und die Christen aus dem Land vertrieb.
«Das Christentum kehrte im 20. Jahrhundert nach Buchara zurück», erklärt Prof. Reimer. «Unter der russischen und sowjetischen Herrschaft, die 1920 in Buchara eingeführt wurde, siedelten sich russische, deutsche, koreanische, armenische und polnische Christen in der Region an. Es waren aber buchstäblich Kirchen für Ausländer. Bekehrungen der einheimischen Usbeken oder Tadschiken waren nicht bekannt.»
Im Jahr 1991 wurde Usbekistan ein unabhängiger Staat. Christen erlebten unter dem Präsidenten Islam Karimov (1938-2016) zunächst eine schwere staatliche Verfolgung. Viele Christen verliessen das Land. Seit Karimows Tod und dem Machtwechsel zum jetzigen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev haben sich die Beziehungen zwischen der Regierung und den Kirchen verbessert. Viele Kirchen, darunter auch die Evangelikalen, haben eine offizielle Registrierung erhalten, und immer mehr Konvertiten aus dem Islam sind in die Kirchen eingetreten.
«Ausserordentliches Wachstum»
«Heute erleben die Evangelikalen in Usbekistan ein ausserordentliches Wachstum», berichtet Reimer. In Buchara ziehen fünf evangelikale Kirchen jeden Sonntag Hunderte von meist usbekischen und tadschikischen Gläubigen zum Gottesdienst an. In der Provinz gibt es eine Reihe weiterer Kirchen. «Wie überall auf der Welt, wo es eine islamische Mehrheit gibt, legen die Christen in Buchara vor allem durch ihr verändertes Leben und ihre Taten Zeugnis von ihrem Glauben ab. Worte folgen der Attraktivität ihres Lebens und ihres Dienstes.»
Gehörlose – Dienst an «Verfluchten»
«Wir haben uns von einer eingewachsenen, egozentrischen Pfingstkirche zu einer Gemeinde entwickelt, die der Gesellschaft dient», sagt einer der Pastoren einer wachsenden Gemeinde mit Hunderten von Menschen, vor allem einheimische Tadschiken und Usbeken.
Unter ihnen sind auch viele Gehörlose. «Sie werden heute kaum ein Dorf in unserer Region finden, in dem es keine Hauskirche für Gehörlose gibt», sagt der Pastor. «Die Menschen betrachten Gehörlose, Blinde und andere Menschen mit angeborenen Behinderungen als verflucht. Wir hingegen dienen ihnen, bringen ihnen das Schreiben und Lesen bei, lehren sie die Gebärdensprache und bieten ihnen einen festen Platz in unserem Sonntagsgottesdienst.
COVID-19, sauberes Wasser und Gebet
«Die sehr schwierige Zeit des Coronavirus hat uns auch geholfen», sagt der Pastor. «Wir haben eine Maskenproduktion organisiert, Grundnahrungsmittelpakete zusammengestellt und vor allem sauberes Wasser an die Menschen geliefert. In unserer Gegend ist Wasser alles, was die Menschen suchen.» Die Wasseraufbereitungsanlage auf dem Gelände der Kirche produziert 500 Liter sauberes Wasser pro Stunde. Das Wasser wird dann an die Menschen in der Nachbarschaft verteilt und mit einem bescheidenen Gewinn verkauft. Die Kirche bietet das Wasser als willkommenen Service und zu einem recht niedrigen Preis an. Wo arme Menschen nicht zahlen können, wird das Wasser kostenlos abgegeben. Und jeder wird bedient, Christen, Muslime und Atheisten.
«Sich um das Wohlergehen der Menschen in der Gemeinde zu kümmern, schliesst immer auch das Gebet für die Kranken ein», sagt ein anderer Pastor der Kirche. «Wir gehen ganz bewusst zu den COVID-Infizierten, trösten sie und ihre Familien und legen ihnen im Gebet um Heilung die Hände auf. Viele, sehr viele wurden sofort geheilt. Auch das brachte die Menschen näher zu Jesus.»
Führende Rolle von Frauen
Frauen, die in Stammeskreisen als Menschen zweiter Klasse betrachtet werden und doch oft eine hohe Bildung erhielten, sind die treibende Kraft bei der Ausbreitung des Evangeliums in Buchara. «Die Diskrepanz zwischen ihrer gesellschaftlichen Rolle und der Rolle, die ihnen ihre Religion zuweist, könnte nicht grösser sein. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens finden viele von ihnen Antworten im Christentum und wenden sich an Jesus», erklärt Reimer. «Wenn sie Jesus kennenlernen, setzt das in ihrem Leben eine enorme Energie frei. Infolgedessen erzählen sie anderen Frauen in ihrer Nachbarschaft von Jesus und organisieren sie in Bibelstudien oder sogar in kleinen Unternehmen, um ihnen zu helfen, wirtschaftlich zu überleben.»
«Heute sind Frauen das Rückgrat der evangelikalen Bewegung in Usbekistan», bestätigt der Pastor der Gemeinde. Die meisten dieser Frauen sind relativ jung – wie die usbekischen und tadschikischen Christen im Allgemeinen. Reimer: «Hier sah ich junge Männer und Frauen mit der Vision, alle Stämme und Volksgruppen in ihrem Land zu erreichen, im Gegensatz zu alten Männern, die in den russischen kulturellen Traditionen und der russischen Sprache verhaftet waren und kein Verständnis für andere Kulturen hatten. Hier waren junge Menschen mit einer Reich-Gottes-Mentalität, die jeden umarmen, der an das Evangelium glaubt und Jesus folgt – und nicht dogmatisch starre alte Männer, die für die richtige Art von Kirche kämpfen.»
Dr. Johannes Reimer ist Professor für Missionswissenschaft und interreligiöse Theologie und Leiter der Abteilung für öffentliches Engagement der Weltweiten Evangelischen Allianz.
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Autor: Dr. Johannes Reimer / bearb. Reinhold Scharnowski
Quelle: Dr. Johannes Reimer / Livenet