Chinas Helfer als Vorbild
Zwischen Olympia-Ringen und totaler Überwachung
«Ich wünsche mir, dass unter uns Christen eine solche Haltung gegenüber dem himmlischen Vater wachsen darf», erklärt Markus Dubach, Missionsleiter von OMF Schweiz, im Interview mit Livenet – ein Einblick in das aktuelle Olympia-Gastgeberland.
Markus Dubach, mit welchen Gefühlen beobachten Sie die
Olympischen Spiele?
Markus Dubach: Ich wünsche mir, dass die
teilnehmenden Schweizerinnen und Schweizer mit vielen Medaillen zurückkehren.
Ich hoffe auch, dass sie viele schöne Erinnerungen an diese Spiele in ihren
Herzen tragen werden. Mich beeindruckt, mit welcher Hingabe Tausende von
chinesischen Helfern diese Spiele möglich machen. Ihre gemeinsame Motivation:
«Fürs Vaterland ist es mir eine Ehre, meine Zeit und Energie zum Gelingen
dieser Spiele einzusetzen.» Ich wünsche mir, dass unter uns Christen eine
solche Haltung gegenüber dem himmlischen Vater wachsen darf.
OMF hat namentlich durch Hudson Taylor einen langen
Bezug zu China. Können Sie diese Geschichte kurz erläutern?
«Heute sterben in China eine Million Menschen pro
Monat, die noch nie von Jesus Christus gehört haben.» Diese traurige Tatsache
motivierte den Arzt Dr. Hudson Taylor um 1860, ins Innere von China zu gelangen,
um dort die Frohe Botschaft durch Taten und Worte zu verkündigen. Damals lebten
etwa 250 Millionen Menschen in China – heute sind es 1'400 Millionen. Diese
geistliche Not Chinas und der unwandelbare Auftrag Jesu zur Weltmission war
Antrieb für Tausende von willigen und fähigen Männern und Frauen, nach China zu
reisen, um Menschen, die noch nie von Jesus Christus gehört hatten,
Lebensgewissheit zu bringen. Unter dem Schirm der China Inland Mission (CIM)
arbeiteten verschiedene Missionsorganisationen strategisch und administrativ
zusammen. Mit der Übernahme der Macht durch die kommunistische Partei 1949
endete auch die Präsenz der CIM-Mitarbeitenden im Land. Diese begannen neue
Arbeiten in den Nachbarländern und aus CIM wurde OMF International.
Mit wie vielen Christen rechnen Sie heute in China?
Um 1950, als die CIM China verlassen musste, gab es in
China schätzungsweise 300'000 Jesusnachfolgende. Die lokalen Gemeinden waren
weitgehend selbständig; CIM legte grossen Wert auf Selbstverwaltung,
Selbstfinanzierung und Selbstmehrung. Heute nennen sich etwa fünf Prozent der
Bevölkerung Christen, wobei es regional grosse Unterschiede gibt. In gewissen
Provinzen gibt es noch Millionen von Han Chinesen, aber auch
Minderheitsvölkern, die noch nie von Jesus Christus gehört haben.
Oft ist von zunehmender Überwachung zu hören, erleben
Sie dies auch?
Die Technologien zur Überwachung sind weit entwickelt
und in den Händen der kommunistischen Partei. Gottesdienstbesucher sind der
Regierung bekannt, die Predigten der Pastoren in öffentlichen Kirchen
aufgezeichnet. Das Übertragen von religiösen Inhalten übers Internet ist
bewilligungspflichtig. Bibeln und viele christliche Inhalte sind aus dem
öffentlichen Internetangebot verbannt. Religiöse Unterweisung von
Minderjährigen wird nicht mehr geduldet. Bibeln sind nur beschränkt erhältlich
und es besteht ein grosser Mangel an Unterweisung und Jüngerschaft.
Doch nicht nur in China werden die Bewohner überwacht, das Auge Pekings erkennt auch Chinesinnen und Chinesen im Ausland. Eine der Konsequenzen ist, dass niemand weiss, wem er oder sie vertrauen kann. Dieses grosse Misstrauen wirkt sich verunsichernd bis in Familien, Universitäten und Kirchen aus.
Wie geht es den Christen heute in China?
Die kommunistische Partei beansprucht die
Deutungshoheit über alle Belange der Politik, Wirtschaft und auch der Religion.
Wer diese als höchste Autorität anerkennt und ihren Präsidenten verehrt, der
ist staatskonform. Dieser Herausforderung waren schon die ersten Christen
ausgesetzt. Wer ist «Herr»? Der Kaiser oder Jesus Christus? Wenn Paulus die
Korinther mit «Gnade und Friede seien mit euch von Gott, unserem Vater,
und von Jesus Christus, dem Herrn» (Korinther, Kapitel 1, Vers 3) begrüsst, ist ein Konflikt vorprogrammiert.
Christen in China müssen sich immer wieder neu entscheiden und ausdiskutieren,
was es bedeutet, Jesus als Herrn zu bezeugen und seinen Weisungen zu folgen.
Nachfolge hat Konsequenzen, die spürbar sind für sich, Eltern, Kinder und
manchmal sogar für Bekannte. Die Partei fordert Gehorsam und Unterwerfung und
versucht, durch immer zahlreichere einschneidende Vorschriften das Leben aus
den Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften zu pressen.
Trotzdem kommen
Menschen mit Jesus in Beziehung und lassen sich taufen. Immer wieder beschämt
mich der Mut und die Kreativität, wie unsere Brüder und Schwestern ihren
Glauben trotz Einschränkungen leben und weitergeben. Beten Sie mit für unsere
Geschwister in China, dass Gott ihnen eine Tür öffnet und sie die Botschaft vom
Geheimnis des Messias weiter bekannt machen dürfen (Kolosser, Kapitel 4, Vers 3).
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet