Christliche Rückkehrer
«Darfur ist reif für das Evangelium»
In Sudan kommt die westliche Krisenregion Darfur auch fast zwei Jahre nach der Demokratisierung vom April 2019 nicht zur Ruhe. Dennoch hoffen die einst vertriebenen und jetzt zurückgekehrten Christen auf eine grosse Zukunft für den christlichen Glauben.
Der fast schon historische Konflikt zwischen afrikanischen Ackerbauern und Rinderhirten von den Völkern der Fur und Fulbe mit arabischen Kamelzüchter-Nomaden lässt sich eben mit der aus Khartum verkündeten grösseren Freiheit allein nicht über Nacht aus der Welt schaffen. Dazu kommt, dass einer der Hauptakteure des seit 2003 in Darfur wütenden Bürgerkriegs auch im neuen «Souveränen Rat» vom Sudan sitzt.
Hemeti – der unheimliche starke Mann
Mohammed Hamdan Dagalo, kurz Hemeti genannt, hatte die arabische «Gewehrreiter»-Truppe Dschandschwid gegründet, die für die meisten und schrecklichsten Gewalttaten in Darfur berüchtigt wurde. 2013 machte Diktator Omar al-Baschir daraus eine sudanweite «Blitz-Eingreiftruppe». Sie spielte noch bei den ersten blutigen Versuchen zur Niederschlagung des «sudanesischen Frühlings» von 2019 eine grausame Rolle und wurde bis heute nicht aufgelöst. Hemeti gehört der neuen Übergangsregierung an und ist Beobachtern in Khartum zufolge sogar ihr starker Mann geblieben.
Christen unter Staatsreligion Islam
Inzwischen werden auch seine Söldner auf Kamelrücken in Darfur wieder virulent. Dorthin kehren seit dem Waffenstillstand von Khartum mit zwei lokalen Rebellengruppen zunehmend Bürgerkriegsflüchtlinge aus ihren Lagern im Niltal zurück. Fast geschlossen tun das die Christen unter ihnen, die damit auf alten Boden afrikanischer Christenheit zurückkehren.
Darfur wurde erst spät im 17. Jahrhundert als letzter Staat in der Sahelzone islamisiert. Es war König Soliman Solon (etwa 1650 bis 1680), der den Islam zur Staatsreligion erklärte. Vorher gab es nur vereinzelte Muslim-Händler.
Obwohl wir wenig davon wissen, dürfte der christliche Glaube schon früh von Nubien am oberen Nil nach Darfur gelangt sein. Wegen der Abgelegenheit des Gebietes konnte er sich dann, vor allem im Marra-Gebirge, über den hochmittelalterlichen Untergang der nubischen Christenheit hinaus halten. Nach König Solon wurde Darfur jedoch ein hermetisch abgesperrtes islamisches Sultanat. Nur Sklavenhändler kamen und gingen. Das Land wurde zu einer Drehscheibe des Menschenhandels zwischen Schwarzafrika und dem Mittelländischen bzw. Roten Meer.
Christliche Hausgemeinschaften
Christliche Glaubensboten kamen erst wieder nach Darfur, nachdem Ägypten 1874 diesem «Versklavungssultanat» ein Ende gesetzt hatte. In ihrem nur neunjährigen Wirken – 1883 kehrte mit dem so genannten Mahdi eine radikale islamische Staatsform zurück – bildete sich aber eine heute wieder aufblühende Lebensform der Christen von Darfur heraus: das «Gemeinschaftshaus» jeder Gemeinde, in dem die Neubekehrten eines Ortes zusammenlebten, miteinander beteten, die Bibel lasen und Gottesdienste feierten. Heute sind es in der Regel nicht mehr als ein Dutzend Christen, die eine Hausgemeinschaft bilden.
Nach ihrem Sieg über den Mahdi stellten die britischen Kolonialherren in Darfur die Sultansherrschaft wieder her und verboten jede christliche Mission. Erst dann, als sich Darfur im Ersten Weltkrieg an die Seite des Türkischen und Deutschen Reiches stellte, wurde 1916 der letzte Sultan abgesetzt und Darfur zum «anglo-ägyptischen» Sudan geschlagen. Bei dessen kolonialpolitischer Aufteilung in exklusive Missionsgebiete der anglikanischen, presbyterianischen und katholischen Kirche blieb Darfur ausgeklammert. Damit schlug die Stunde für den Einsatz von Freikirchen und evangelische Christen.
Ehemalige Vertriebene sind hoffnungsvoll
Nach Sudans Unabhängigkeit 1956 beanspruchte zunächst die Koptische Kirche Ägyptens ein Verkündigungsmonopol im ganzen Land. Damit konnte sie sich aber nicht durchsetzen. Es waren dann «Freie Gemeinden» und Pfingstchristen, die in Darfur Fuss fassten. Im Bürgerkrieg wurden fast alle vertrieben, kehren jetzt aber zurück. Sie lassen sich nicht einschüchtern, wenn wieder Dschandschawid-Patrouillen auftauchen. «Darfur ist heute reif für das Evangelium», sagt ein Gemeindeleiter in Geneina. «Jetzt sind wir etwa 3'000 Christen, in zehn Jahren wird sich die Mehrheit unserer Landsleute zu Jesus bekennen!»
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet