Wycliffe: 1'000 Übersetzungen
«In der Muttersprache redet die Bibel am besten zum Herzen»
Zusammen mit Projektpartner
SIL übersetzte Wycliffe kürzlich das Neue Testament in der 1'000sten Sprache. Livenet unterhielt sich darüber mit Wycliffe-Kommunikationsleiter Lukas
Neukom. «Die Bibel muss
zu unserem Herzen reden, und das geht fast nur in der Muttersprache. Darum
wünsche ich mir, dass alle Menschen diese Möglichkeit haben.»
Lukas Neukom: 1'000 ist eine schöne
Zahl, da steckt ein Vielfaches an Jahren von Arbeit und Einsatz drin, die
Wycliffe-Mitarbeiter in die Bibelübersetzung investiert haben. Es bedeutet
auch, dass 1'000 Völker nun direkten Zugang zu Gottes Wort haben, darüber freuen
wir uns! SIL ist der
Hauptpartner von Wycliffe in den Einsatzländern auf der ganzen Welt. Daher nehmen
wir diese Zahl auch für uns. Hauptpartner bedeutet, dass die meisten
SIL-Mitarbeiter, die an diesen 1'000 Projekten beteiligt waren – neben allen
einheimischen Mitarbeitern der jeweiligen Sprache, ohne die es gar nicht geht –
, von den Wycliffe-Organisationen unter anderem aus der Schweiz, Deutschland und
USA ausgesandt wurden.
Welches ist die nächste Sprache, in der durch das
Mitwirken von Wycliffe Schweiz ein Neues Testament oder eine komplette Bibel fertig wird –
und können Sie diese Sprachgruppe kurz vorstellen?
Nächstes Jahr
soll die Volksgruppe der Toussian ihr Neues Testament erhalten. Sie zählen etwa
20'000 Menschen und leben im Südwesten Burkina Fasos. Der frühere Leiter von
Wycliffe Schweiz und seine Frau, Hannes und Esther Wiesmann, wohnten von 1992
bis 2004 in Burkina Faso. Hannes hat vor allem die Sprache analysiert und die Besonderheiten
der Kultur erforscht, Esther begleitete die Übersetzer und half ihnen beim Verstehen
der Bibelabschnitte, die jeweils zu übersetzen waren.
Das Jahr 2025 rückt näher und das Ziel lautete einst,
dass bis dahin in jeder Sprachgruppe, die noch eine Bibel benötigt, eine
Übersetzung gestartet ist – wie sieht es mit dieser Vision aus, ist man auf
Kurs?
Die Vision gilt
immer noch, und es ist möglich, sie zu erreichen, allerdings braucht es noch mehr
Mitarbeiter! An vielen Orten sind die einheimischen Partner stark gewachsen und
beginnen selber neue Projekte. Es gibt weltweit in 60 Ländern Organisationen,
die die gleiche Vision wie Wycliffe haben.
Wie viele Sprachen sind – Stand heute – noch offen?
1'879
Volksgruppen warten noch darauf, dass eine Bibelübersetzung beginnt. Dazu kommen 284
Gebärdensprachen, die ebenfalls eine Übersetzung brauchen. Diese Zahlen beziehen
sich auf den 1. Oktober 2018.
Wie hat die Digitalisierung die Arbeit beschleunigt?
Im Endeffekt
glaube ich nicht, dass die Digitalisierung die Arbeit beschleunigt. Es ist immer noch der
Mensch, der übersetzt, allerdings sind die Hilfsmittel besser und extrem viel
einfacher zugänglich geworden. Zudem hat sich die Verbreitung der übersetzten Bibeln
oder Bibelteile verändert: Sobald ein biblisches Buch fertig ist, kann man es
einer App für das Handy beifügen, und schon ist es durch Download aus dem
Internet verfügbar. So hat jeder Interessierte mit minimalen Kosten durch sein
Handy Zugang zu seiner Bibel.
Wo möglich wird
in verwandten Sprachen gleichzeitig übersetzt. Dann können die gleichen
biblischen Bücher jeweils miteinander erarbeitet werden. Das spart Kosten und Zeit.
Ein zweiter Punkt: Da heute mehr und mehr Einheimische, die die Sprache schon können,
Verantwortung übernehmen, braucht es weniger ausländische Fachkräfte. Damit entfällt
in manchen Fällen die aufwändige Phase des Sprachenlernens.
Aber sonst braucht es immer noch rund zehn Jahre für eine Übersetzung eines Neuen Testamentes. Die wichtigen Faktoren bleiben bestehen: Zuerst müssen die Mitarbeiter gefunden werden, die dann eine gute Ausbildung brauchen. Die Sprache muss gründlich analysiert werden, damit eine korrekte und praktische Rechtschreibung zur Verfügung steht. Man muss sich auf die biblischen Schlüsselbegriffe einigen. Und der ganze Übersetzungsprozess mit Entwürfen, Überarbeitung, Testen und mehreren Revisionen ist immer noch derselbe. Möglichst alle wichtigen Vertreter der schon bestehenden Gemeinden sollen beteiligt sein. Darauf wird übrigens heute mehr Wert gelegt, weil man gemerkt hat, dass eine Übersetzung nur gebraucht wird, wenn die Volksgruppe das Übersetzen zu ihrem eigenen Projekt macht. Das benötigt viele Gespräche und Begegnungen, bevor überhaupt mit dem Übersetzen begonnen werden kann.
Wie ist das für Sie persönlich, wenn jeweils eine neue
Sprachgruppe das Neue Testament oder die Bibel erhält?
Jeden Tag lese
oder höre ich einen Abschnitt aus einer Bibel in meiner Muttersprache, das
heisst auf Deutsch, das ist die Nahrung für meinen inneren Menschen. Ich würde
auch Englisch verstehen, aber ich bevorzuge Deutsch, das verstehe ich am besten
und es trifft mich am tiefsten. Die Bibel muss zu unserem Herzen reden, und das
geht fast nur in der Muttersprache. Darum wünsche ich mir, dass alle Menschen
diese Möglichkeit haben. Die Übergabe
eines Neuen Testamentes ist DER Höhepunkt in unserer Arbeit. Aber es ist
eigentlich erst der Anfang: Die Menschen sollen es nun lesen und das Gelesene
in ihrem Alltag umsetzen; so wie wir auch. Unser Ziel ist erst dann richtig
erreicht, wenn einzelne Menschen verändert werden und ganze Gemeinden aufblühen
und selbständig wachsen.
Gibt es Menschen, die durch eine neue Übersetzung so
berührt worden sind, dass sie Christen wurden?
Ja, das gibt es
immer wieder. In vielen Gebieten gibt es Volksgruppen mit wenig oder gar keinen
Christen. Da sucht man einfach geeignete Personen, die zum Übersetzen bereit sind.
Diese lernen die Bibel so gut kennen, dass es Spuren hinterlässt... Das ist auch
meine Motivation bei Wycliffe mitzuarbeiten: Die Bibel ist Gottes Wort. Das zu hören,
tut uns gut – nicht nur uns, sondern jedem Menschen auf der ganzen Welt, wenn er
es wirklich versteht! Darum braucht es die Übersetzung in jede Sprache.
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet