Jemens Christenheit wächst

Saudi-Arabiens Bomben führen zu Interesse an Christus

Im Jemen findet die zurzeit grösste humanitäre Katastrophe statt. Saudi-Arabiens erbarmungsloser Bombenkrieg wirft bei den Jemeniten tiefgreifende Fragen auf. Der Nahost-Projektleiter des international tätigen Hilfswerks «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» aus Thun (BE) steht in intensivem Kontakt mit Leuten im Land und koordiniert die Nothilfe vor Ort. Er beobachtet ein wachsendes Interesse am christlichen Glauben.

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Jemenit
Herr M. Schwab, man hört wenig über die Situation der Menschen im Jemen – wie ist die Lage aktuell?
M. Schwab (Name geändert):
Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit vollzieht sich im Jemen die laut UNO derzeit grösste humanitäre Katastrophe. Im ärmsten Land der Arabischen Halbinsel, das zur Hälfte aus Schiiten und Sunniten besteht, liefern sich schiitische Huthi-Rebellen und die von Saudi-Arabien unterstützte sunnitische Regierung einen Machtkampf. Saudi-Arabien fliegt seit 2015 tägliche Luftangriffe gegen die Rebellen und nimmt dabei auch Hospitäler, Schulen und Wohnviertel ins Visier. Mehrfach beklagte die UNO das rücksichtslose Vorgehen der Saudis, weil ein unverhältnismässig hoher Anteil, nämlich 93 Prozent aller Kriegsopfer, Zivilbevölkerung, Frauen und Kinder sind. Mehr als 50 Prozent aller medizinischen Einrichtungen und Schulen funktionieren nicht mehr. Über 80 Prozent der Einwohner – mehr als 22 Millionen Menschen – haben nicht genügend zu essen; 8,7 Millionen von ihnen sind sogar unmittelbar vom Hungertod bedroht. Und in dieser Not werden 70 Prozent aller Mädchen unter 18 Jahren zwangsverheiratet und die Jungs an Milizen verdingt. Hinzu kommt die schlimmste Cholera-Epidemie seit Menschengedenken mit über 1,1 Millionen Infizierten. Alle fünf Minuten stirbt ein Kind unter fünf Jahren durch ungenügende medizinische Hilfe und mangelnde Ernährung, nur weil die Saudis eine Totalblockade angeordnet haben und selbst UNO-Hilfslieferungen kaum noch ins Land kommen. Zusätzlich zu allem Übel richteten 2018 zwei der stärksten Wirbelstürme der letzten Jahrzehnte verheerende Schäden an der Ostküste Jemens an und hinterliessen Tausende Flutopfer.

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Krieg, Hunger und Cholera – im Jemen stirbt alle 5 bis 10 Minuten ein Kind.
Warum hört man davon so wenig?
Es ist schwierig, zuverlässige Berichte aus dem kriegserschütterten Jemen zu bekommen, da das finanzstarke Saudi-Arabien und seine arabischen Verbündeten Hauptaktionäre vieler internationaler Medienkonzerne sind und öffentliche Kritik mit dem Verweis auf finanzielle Konsequenzen zu unterbinden versuchen. Erst diesen Sommer stellt die Washington Post die offiziellen Todeszahlen für den Jemen in Frage, da sie seit Anfang des Krieges im Jahr 2015 unverändert blieben – trotz täglicher Luftangriffe, trotz des weltweit schlimmsten Choleraausbruchs und anderer vernichtender Kriegsfolgen. Saudi-Arabien ist seit langem erfolgreich darum bemüht zu verhindern, dass unabhängige Berichterstatter und Experten ins Land kommen, und so erscheinen nur sporadisch Nachrichten über Kriegsverbrechen; wie zum Beispiel der Beschuss eines vollbesetzten Schulbusses im August 2018, bei dem alle Kinder starben, oder die Blutbäder bei einer grossen Beerdigung und einer Hochzeitsgesellschaft, jeweils mit vielen Toten und Verletzten.

Schadet der innerislamische Konflikt dem Ansehen des Islam bei den Bewohnern des Jemen?
Ja, zumal Saudi-Arabien, der offizielle Hüter und Wächter der heiligen Stätten des Islam sowie der Haupt-Propagator des Islam weltweit und der selbsternannte muslimische Vorbildstaat, nun seinen muslimischen armen Nachbarstaat Jemen mit einem erbarmungslosen Bombenkrieg angreift. Die Jemeniten fühlen sich von ihren Glaubensbrüdern verraten und im Stich gelassen.

Wächst dadurch das Interesse am christlichen Glauben in Jemen?
Seit Anfang des Bombenkrieges im März 2015 haben sich die Untergrundchristen im Jemen zahlenmässig mindestens verdreifacht und die jemenitischen Konvertiten werden mutiger und aktiver; treffen sich heimlich in Hausgruppen. Inzwischen sind aus allen sozialen Schichten Jemeniten Christen geworden, ganze Familien folgen mittlerweile Jesus nach, obwohl sie sich damit als «Abtrünnige» vom Islam in Todesgefahr begeben. 2018 war bisher das schlimmste Jahr für die jemenitischen Christen, weil sie durch das rapide Wachstum vermehrt in den Fokus von Extremisten und Behörden geraten.

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Die lokalen Partner der HMK versorgen im Jemen regelmässig 18'000 Menschen mit dem Überlebensnotwendigen.
Können Sie ein, zwei Erlebnisse schildern, wie Menschen zu Christus gefunden haben?
Ein jemenitischer Christ verteilte vor zwei Monaten unter den armen Studierenden einer grossen Universität Lebensmittel. Die Studierenden fragten ihn, warum er das mache und so konnte er von seiner neuen Hoffnung durch Jesus berichten. Daraufhin haben sich sechs jemenitische Studenten für Jesus entschieden, einer hatte sogar einen Traum von Jesus. Sie haben sich der lokalen Untergrundgemeinde angeschlossen.

In einer anderen Stadt halfen die jemenitischen Christen mit Krankheitspräventionsmassnahmen in einem stark durch Cholera verseuchten Slumgebiet den armen Bewohnern, die zu einer ausgegrenzten, verachteten Bevölkerungsschicht gehören. Die Slumbewohner wunderten sich, warum diese Leute ihnen helfen, da sie noch nie Hilfe bekommen haben. Das kleine Team von Christen antwortete: «Wir tun das, weil Gott euch liebt!» Die Slumbewohner sagten: «Wir wussten gar nicht, dass Gott unsere Leiden fühlt und wir ihm nicht egal sind.» In den folgenden Wochen entstanden einige Hauskreise.

Wie können wir den jemenitischen Geschwistern beistehen?
Wir können und sollten für sie beten und auch bei unseren Politikern dafür einstehen, dass dieser ungerechte Krieg endlich beendet wird und das kriegstreibende Saudi-Arabien dafür auch entsprechend sanktioniert wird. Die einheimischen Christen im Jemen sind sehr aktiv und helfen ihren notleidenden Landsleuten, Nachbarn und Freunden wo sie können, damit diese wenigstens das Notwendige zum Überleben bekommen. Als HMK unterstützen wir die einheimische Untergrundkirche, damit diese mit Lebensmitteln, Trinkwasserversorgung, medizinischem Hilfsmaterial, Schulaufbau und -ausrüstung sowie Notunterkünften im ganzen Land helfen kann.

Zur Webseite:
HMK Hilfe für Mensch und Kirche

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Datum: 23.10.2018
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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