Druck in Kirgisien

«Als nächstes werfen wir die Katholiken raus»

Die Minderheiten im zentralasiatischen Staat Kirgisien, auch Kirgistan, sind im laufenden Jahrzehnt zusehends unter Druck geraten. In Polizeikreisen hiess es, dass man als nächstes die Katholiken aus dem Land werfen wolle. Davon berichtete kürzlich Pater Johannes Kahn in der Schweiz. Dennoch geben er und die anderen Christen der Nation nicht auf, sondern bitten um Gebet.

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Johannes Kahn mit Jugendlichen
«Die Katholiken sind in Kirgistan in der Minderheit. Die Muslime zählen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung», erklärte Pater Johannes Kahn, der auf Einladung des Werks «Kirche in Not» mehrere Vorträge in der Schweiz hielt. Die russisch-orthodoxen Gläubigen zählen rund 14 Prozent der Einwohner. «Die Katholiken sind bis zu 3'500 Familien, die über das ganze Land verstreut sind», rechnete Pater Johannes im Gespräch mit Livenet vor.

Bei Letzteren handelt es sich um eine Minderheit im eigenen Land, das für sie gleichzeitig auch fremd ist. «Im eigenen Land, weil die meisten dort geboren worden sind.» Fremd, weil «die älteren, die noch leben, dorthin deportiert worden sind während des Stalin-Regimes oder während des Zweiten Weltkrieges. In Kirgistan sind sie umgeben von anderen Religionen und Kulturen.»

Schwierige Wende

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Johannes Kahn
Schwerer geworden ist die Lage seit 2001, als die Amerikaner in Kirgistan stationiert waren. «Da sind aus anderen Ländern fanatisch geprägte Muslime ins Land gekommen. Sie richten ihre Waffen auf alles, was nicht muslimisch ist. Vor 2001 war Kirgistan vielleicht das friedlichste und freundliste islamische Land. Offen und loyal.»

Der jüngeren Generation sei das abhandengekommen. «Sie übernehmen die Traditionen aus dem Ausland. Nicht mehr kirgisische Tracht wird getragen, sondern Kleidung aus Arabien. Ältere Kirgisen fürchten sich manchmal vor ihren eigenen Enkelkindern, weil diese ihnen vorwerfen, sie seien loyal denen gegenüber, die nicht muslimisch sind.»

Nicht frei evangelisieren

Dies sei zum Beispiel im Süden des Landes so, in Dschalalabat. «Dort sollte man Fanatikern nicht in der Nacht begegnen. Das Talas-Gebiet ist dagegen eines der friedlichsten und ruhigsten. Es kommt stark darauf an, wie die Mehrheit geprägt ist. Von dem hängt auch ab, ob die Christen und andere Minderheiten frei und frohen Mutes ihren Glauben bekennen können.»

Die Kirgisen und die katholischen Russland-Deutschen haben eine andere Mentalität. Da werde man schon mal mit Steinen beworfen. «Wir dürfen nicht draussen missionieren. Wir beten in der Kirche und zuhause.»

Gesetz könnte Lage verschärfen

«Wenn ein Priester zu einer Familie kommt und mehrere weitere Familien dazukommen, um einen Gottesdienst zu feiern, kann das zu Verhören führen.» Und die Situation könnte sich durch eine neue Gesetzesvorlage verschärfen: «Wenn die katholische Kirche nicht mehr als ausländische Kirche gilt, dürfen ausländische Priester nicht mehr länger als drei Jahre im Land sein. Doch wir sind alles Ausländer. Es gibt keine kirgisischen Priester. Die Priester kommen aus Kasachstan, Russland oder Polen. Nach kommendem Recht darf ein Priester einmal im Leben drei Jahre in Kirgisien sein.»

Gebetsbrücke

Vor etwas mehr als einem Jahr wurden die Zeugen Jehovas aus dem Land verwiesen. «Und damals hiess es innerhalb der Polizei: 'Jetzt müssen wir noch die Katholiken rausschaffen.' Allerdings war in diesem Kreis nicht bekannt, dass einer der Polizisten selbst Katholik ist und von diesen Absichten hörte.»

Dennoch sei man nicht hoffnungslos. «Aber realistisch. Die Menschen haben keine Chance, aus dem Lande zu gehen. Diejenigen, die es schaffen, gehen nach Kasachstan oder Russland. Aber wenn man im anderen Land niemanden hat und auch keine Finanzen dazu, dann kann man nicht gehen.» Und für diese Menschen sind Pater Johannes und die anderen Geistlichen da.

Die wichtigste Botschaft ist «nicht, dass man finanziell noch mehr hilft; es ist unmöglich, alle Not zu finanzieren. Aber dass wir Gebetsbrücken bauen, dass wir als Brüder und Schwestern weltweit einander in unser Herz miteinschliessen und füreinander beten.»

Zum Thema:
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Datum: 28.09.2018
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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