«Christus im Schlamm»
Präses will Flutopfern Hoffnung geben
Thorsten Latzel, Präses der rheinischen Landeskirche, hat im Interview über seine Erfahrungen als Helfer im Flutgebiet gesprochen. Die Begegnung mit Menschen vor Ort hat auch sein eigenes theologisches Denken verändert.
Der Präses der rheinischen Landeskirche, Thorsten Latzel, hat nach der Flut im Katastrophengebiet bei Hilfsdiensten vor Ort mitgeholfen, unter anderem in den Orten Euskirchen und Bad Neuenahr. Im Podcast-Interview mit katholisch.de berichtete er über seine Erfahrungen. Das Ausmass der Zerstörung und das Leid der Menschen vor Ort hätten ihn tief betroffen. «Man kommt in die Stadt rein und man riecht und sieht förmlich überall diese Zerstörung, die diese Schlammlawinen da angerichtet haben – mit einer Kraft, die man sich kaum vorstellen kann», sagte er.
Latzel feierte vor Ort auch Gottesdienste. In diesen Momenten breche bei vielen Menschen der Schutzmantel das erste Mal weg und die Emotionen kämen so richtig hoch. Den Menschen Mut zuzusprechen und als Notfallseelsorger für sie da zu sein, sei in diesen Momenten besonders wichtig.
Gott leidet mit
Der Präses sagte zudem, er sei entsetzt darüber, dass manche Menschen im Netz von einem «Gericht Gottes» in Zusammenhang mit der Flutkatastrophe sprechen. Das sei nicht der Gott, den er vor Ort erlebe, wenn er direkt bei den Menschen sei. «Christus im Schlamm» ist für Latzel eine viel passendere Zuschreibung. Gott leide mit den Menschen vor Ort mit, er sei gegenwärtig. «Es ist etwas völlig anderes, ob man vom trockenen Schreibtisch aus über das Leiden und die Katastrophe spekuliert und irgendwelche geschichtstheologischen Vermutungen anstellt – oder ob man wirklich den Menschen begegnet und bei ihnen ist», sagte er. Die Kirchen seien gerade jetzt gefragt, um die Menschen vor Ort zu trösten und sie zu stärken.
Auferstehungshoffnung vermitteln
Das Thema Hoffnung ist Latzel dabei besonders wichtig. Hoffnung bedeute, «wider den Augenschein Mut und Kraft» zu gewinnen. Hoffnung helfe dabei, selbst aktiv zu werden und alles zu tun, was einem möglich sei, «im Vertrauen darauf, selbst gehalten zu sein und von Gott Stärke zu erfahren». Wenn einem, wie vielen Menschen in den Katastrophengebieten, buchstäblich der Boden unter den Füssen wegbreche, sei dieses Gefühl enorm wichtig. Dann gehe es um die Frage: «Was hält mich eigentlich selber?» Die «gelebte Auferstehungshoffnung» sei es, mit der man sich gegen solche «Chaosmächte» stemmen könne. Genau das müsse die Kirche den Menschen vor Ort jetzt vermitteln.
Auch sein eigenes theologisches Denken verändere sich durch die Begegnung mit Menschen in den Krisengebieten. «Hoffnung hat für mich, theologisch gesprochen, etwas Kontrafaktisches: Sie ist wie das Singen der Vögel mitten in der Nacht, wenn noch nichts vom neuen Tag zu spüren ist.» Dem christlichen Glauben gehe es genau darum: «Wider den Augenschein aufzustehen, also Hoffnung aus dem Tod heraus – dafür steht das Kreuz bei uns.» Deswegen sei «Christus im Schlamm» für ihn sein so treffender Begriff: «Genau dort ist er für mich zurzeit gegenwärtig.»
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Quelle: PRO Medienmagazin