Umgang mit Gewalt

Nach dem Streit: Gelebte Versöhnung im Flüchtlingslager

Nach Zerstörung und Gewalt in Berliner Flüchtlingsunterkünften droht der zuständige Senator mit Gefängnisstrafen. Eine Gruppe Christen geht zu den Betroffenen, räumt mit ihnen zusammen auf, bringt die Gegner an einen Tisch und feiert schliesslich ein Versöhnungsfest mit ihnen. Das ist gelebte Integration!

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Flüchtlinge mit Mitarbeitern der Stadtmission
Kaum ein Tag vergeht, wo nicht von irgendwelchen Unruhen und Streitigkeiten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsheimen die Rede ist. Schnell wird dann die Polizei gerufen. Doch was geschieht, wenn die Polizei wieder abgefahren ist? Was geschehen könnte, zeigt ein positives Beispiel aus Berlin.

Der Streit

Am Wochenende kam es unter den 1'000 Bewohnern einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Spandau zum Streit. Während die Unbeteiligten in Panik nach draussen in die Kälte flohen, gab es in der Einrichtung eine Massenschlägerei. Einige Bewohner besprühten sich gegenseitig mit Feuerlöschern, warfen mit Sitzgarnituren und zerstörten Fenster. Gegen Mitternacht hatten 80 Polizisten die Lage wieder unter Kontrolle und die teils unterkühlten Flüchtlinge draussen konnten wieder zurückkommen. Trotz eines hinzugerufenen Dolmetschers liess sich die Ursache des Streits nicht ermitteln. Meldungen wie diese aus der Berliner Zeitung sind in dieser Form immer wieder zu hören.

Die Reaktion

Der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) fand am darauffolgenden Tag deutliche und drohende Worte für die Gewalt: «Diese Rechtsbrüche sind unerträglich und nicht hinnehmbar. Es gibt Regeln in unserem Land. Wer sich nicht daran hält, für den gibt es bei uns auch andere Unterkünfte. Mit verriegelten Türen und Fenstern.» Gleichzeitig warnte er davor, dass die Zahl der Auseinandersetzungen mit jeder weiteren Massenunterkunft weiter steige. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Canan Bayram, antwortete dem Senator und meinte zu den Konflikten: «Das war vorhersehbar.» Sie wies auf die 1,5 Quadratmeter Platz für jeden Flüchtling hin und kritisierte: «Einem Huhn wird mehr Raum gegeben.»

Die Hilfe

An dieser Stelle bricht die Berichterstattung in den Medien ab. Allerdings ging die Geschichte in Berlin noch weiter. Einige Mitarbeiter der Berliner Stadtmission waren noch am Abend der Auseinandersetzung vor Ort und begannen sofort mit Deeskalation und Aufräumarbeiten. Sie berichten: «Die ersten, die mit anpackten, waren die Flüchtlinge selbst.» Direkt am nächsten Vormittag begannen sie, zusammen mit den Bewohnern den Schaden zu beheben. So wurde eine ganze Weile geputzt, gearbeitet und – vielleicht das Wichtigste – geredet. Ausserdem gingen Vertreter der verschiedenen Volks- und Sprachgruppen zu den jeweiligen Bewohnern und riefen sie zum Frieden auf. Es blieb jedoch nicht beim Appell: Pakistanis, Syrer, Kurden, Iraker, Afghanen, Männer wie Frauen und Kinder reichten sich am Schluss die Hände. Beteiligte der Auseinandersetzung entschuldigten sich. So kam es 16 Stunden nach dem Polizeieinsatz nicht zur nächsten Auseinandersetzung, sondern zu einem Fest des Friedens.

Die Perspektive

«Wir danken der Polizei und unseren Mitarbeitern vor Ort für ihren schnellen und beherzten Einsatz», hielt Joachim Lenz, Direktor der Berliner Stadtmission, fest. Bei einem Besuch vor Ort verschaffte er sich selbst ein Bild von der Situation. «Es ist schön, dass sich Menschen gegenseitig beschützen, dass sie noch in der Nacht anfangen aufzuräumen, miteinander sprechen und friedlich miteinander feiern.» Über die Soforthilfe hinaus legte die Berliner Stadtmission dem zuständigen Amt ein Raum-in-Raum-Konzept vor, das in der vorhandenen Einrichtung eingesetzt werden könnte und für deutlich mehr Privatsphäre sorgen würde. Dasselbe Konzept hatte die Stadtmission vor Kurzem in einer anderen Flüchtlingsunterkunft umgesetzt – und dafür inzwischen einen Preis erhalten.

Das Vorbild

In überfüllten Unterkünften voller traumatisierter Menschen aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen wird es auch in Zukunft zu Auseinandersetzungen kommen. Das ist völlig klar. Manche dieser Probleme lassen sich sicher strukturell angehen. Das Raum-in-Raum-Konzept ist hier bestimmt ein guter Ansatz. Etwas ganz Besonderes allerdings ist der Einsatz der Helfer aus der Berliner Stadtmission. Ihr selbstverständliches Anpacken, das konkrete Vorbild, wie man Konflikte im Gespräch löst, das Zugeben von Schuld und das gegenseitige Vergeben sind eine Form von Integration, die weit über das Normale hinausgeht. Hier begegnen sich praktische Hilfe und gelebtes Christsein. Kann man besser zeigen, wie der Glaube Menschen in Bewegung setzt und verändert?

Zum Thema:
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Datum: 03.12.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Berliner Stadtmission

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