Animationsfilm

Pinocchio am Kreuz

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Holzschnitzer Geppetto mit seiner Holzpuppe Pinnochio (Bild: Netflix)
Die Geschichte um den Holzjungen Pinocchio, der so gerne ein echter Mensch werden möchte, wurde schon oft verfilmt. Nun hat der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro den Stoff neu interpretiert. Mit einer Anspielung auf den Messias am Kreuz.

Seit kurzem läuft der Animationsfilm «Guillermo del Toros Pinocchio» nicht nur in Kinos, sondern auch auf dem Streamingportal Netflix. Der bekannte Regisseur und Oscar-Preisträger Guillermo del Toro («The Shape of Water», «Hellboy», «Pan's Labyrinth», «Pacific Rim») sagte in einem Interview, er habe die Figur des Pinocchio in seinem Film mit dem Messias am Kreuz in Verbindung bringen wollen.

Der mexikanischstämmige Regisseur, der für den Fantasyfilm «Shape of Water» 2018 den Oscar für den Besten Film und einen für den Besten Regisseur gewann, wurde nach eigener Aussage streng katholisch erzogen. Der Katholizismus klinge immer wieder auch in seinen Filmen an, etwa in «The Shape of Water», sagte del Toro. Und auch in seinem neuen Pinocchio-Animationsfilm ist der christliche Glaube unübersehbar.

Die Kinderbuchfigur des italienischen Autors Carlo Collodi kam erstmals 1883 als Buch heraus. Der Tischler Antonio entdeckt ein Holzscheit, das zu sprechen anfängt, als er es bearbeiten will. Er schenkt ihn seinem Freund, dem Holzschnitzer Geppetto. Der schnitzt aus dem Stück eine Holzpuppe, die sprechen kann. Immer, wenn sie lügt, verlängert sich ihre Nase. Pinocchio möchte ein echter Junge werden, kann das aber nur, wenn er ein guter Junge wird, hilfsbereit und fleissig.

Pinocchio fasziniert von Jesus am Kreuz

Der Stoff wurde bereits vielmals verfilmt. Bekannt ist die Version von Walt Disney aus dem Jahr 1940. Del Toro ist die Geschichte gänzlich anders angegangen. Er habe die Figur mit dem Messias vergleichen wollen, sagte der Regisseur in einem Interview mit The Christian Post. Er legte ein Augenmerk auf den Aspekt der Geschichte, dass die Holzfigur Mensch werden will.

Del Toro verlegte die Geschichte in die Zeit des Faschismus in Italien unter Mussolini in den 30er Jahren. Bei der Bombardierung einer Kirche verliert Gepetto seinen zehnjährigen Sohn Carlo. Er hadert mit Gott. «Warum hörst du meine Gebete nicht? Warum?!» Gepetto schnitzt einen Jungen aus Holz, Pinocchio. Ein bisschen gruselig ist es weiterhin, wenn da eine gezimmerte Holzpuppe auf einmal zum Leben erweckt wird, so auch hier. Die tiefgläubigen Dorfbewohner halten die lebensechte Holzpuppe dann auch für Teufelswerk, und der Pfarrer wirft sie aus der Kirche. Auch sonst enthält der Film, der für Kinder ab zwölf Jahren empfohlen ist, einige düstere Elemente, wie es von Guillermo del Toro aber kaum anders zu erwarten war.

Pinocchio will beweisen, dass er gut ist und ein richtiger Junge werden kann. Er muss gegen den bösen Puppenspieler Graf Volpe kämpfen, der ihn entführt und zum Bösen verführen will. Im Interview mit The Christian Post sagte del Toro: «Collodi sah in Pinocchio immer eine Art fehlerhaften Messias.» Der Regisseur wollte daher in der Beziehung zwischen Gepetto und Pinocchio jene zwischen Jesus Christus und Gott dem Vater widerspiegeln – manchmal kompliziert, und doch definiert durch eine tiefe und bedingungslose Liebe.

Vergleich mit der Christus-Figur

In einer Szene nimmt Gepetto Pinocchio mit in die Kirche, die durch die Bombe zerstört wurde. Der Tischler möchte die Jesus-Figur im Altarraum wieder reparieren. Pinocchio, der von den Dorfbewohnern gehänselt wird, starrt die Christus-Figur aus Holz an. «Ihn mögen alle Leute», sagt Pinocchio. «Sie singen alle für ihn. Und er ist auch aus Holz. Warum mögen die ihn, mich aber nicht?» Später landet Pinocchio sogar selbst am Kreuz. Del Toro betont: «Diese Unterhaltung zwischen Pinocchio und seinem Vater in der Kirche steckt so voller feiner Nuancen.»

Pinocchio sei eine Art Christus-Figur, so del Toro, das sei zugleich subtil, aber auch irgendwie offenkundig. Die Puppe verliert im Film ihren Arm – den gleichen, den auch die Jesus-Figur durch den Bombenangriff verlor. In einer anderen Szene versucht Graf Volpe Pinocchio auf die böse Seite zu holen, indem er ihn mit auf einen Balkon nimmt und ihm die Szenerie aus der Luft zeigt. «Du wirst alle Nationen dieser Erde sehen, wie sie ihre Knie vor dir beugen», sagt Volpe. Das erinnert stark an die Versuchung Jesu durch den Teufel (Matthäus, Kapitel 4, Vers 1).

Anspielungen an christlichen Glauben

Mit Anspielungen an den christlichen Glauben hat del Toro nicht gespart. So ist der regelmässige Kirchgang genauso bedeutend wie das Gebet vor dem Essen. Gepetto ist sehr gläubig, über seinem Bett hängt ein Kreuz, er betet häufig, und ganz nebenbei macht er die moralische Bedeutung der berühmten langen Nase Pinocchios deutlich: «Lügen werden sofort entdeckt, weil sie sind wie lange Nasen. Für alle sichtbar, ausser für den, der lügt.»

Auch Gnade, Vergebung und Opfer sind Hauptthemen des Films. Pinocchio lernt, Gepetto für dessen Abneigung ihm gegenüber zu vergeben. Und auch Gepetto vergibt Pinocchio all seinen Ungehorsam. Beide sind am Ende bereit, das ultimative Opfer füreinander zu vollbringen. Del Toro sagte, er hoffe, dass sein Film anderen die Augen öffne für ihr eigenes Versagen und dass sie einander vergeben können. «Wir Menschen sollten einander die Luft zum Atmen lassen. In einer Zeit, in der Fehler heftig bestraft werden, geht es um Vergebung für uns alle.»

Im Interview mit NPR sagte del Toro, dass sein katholischer Glaube auch bei diesem Film eine Rolle gespielt habe. «Wo ist der Sitz der Seele des Menschen? Ich denke, das ist dort, wo die Entscheidungen des Menschen getroffen werden.» Also sitze auch der Ungehorsam dort.

«Ich glaube fest, dass wenn man nur an dem festhält, der man ist und das befolgt, was man gelernt hat durch Erfahrungen, den Geist, und durch Zuhören und Zuschauen mit Liebe, dann wird man ein echter Junge, wie es die Fabel erzählt, eine echte Person, ein Mensch.»

Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin

Zum Thema:
Dossier Filme & Serien
Berufen und ausgerüstet: Zehn Lügen, die Christen von sich glauben

Datum: 04.01.2023
Autor: Jörn Schumacher
Quelle: PRO Medienmagazin

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