Druck von Psychiatern und Feministinnen
Spanien: Wird das «Trans»-Gesetz gestoppt?
Die spanische linke Regierungsmehrheit ist unter massiven Druck geraten, das sogenannte «Trans-Gesetz» zu stoppen, das vor Ende 2022 verabschiedet werden sollte.
Nach Informationen von Befürworterinnen und Befürwortern des Gesetzes, insbesondere LGBTQI-Gruppen, könnte Ministerpräsident Pedro Sánchez als Reaktion auf die grosse gesellschaftliche Kontroverse, die es ausgelöst hat, beschliessen, das Gesetz «einzufrieren». Der Gesetzesentwurf war von der Gleichstellungsministerin Irene Montero (Podemos) im Rahmen eines «Dringlichkeitsverfahrens» durchgepeitscht worden, das die Möglichkeiten einer ausführlichen Debatte im Parlament einschränkt und die Möglichkeit ausschliesst, überparteiliche Experten anzuhören.
Jetzt stimmten die Sozialisten im zuständigen Parlamentsausschuss dafür, die Frist für mögliche Änderungen an dem Gesetz zu verlängern – gemeinsam mit der konservativen Volkspartei PP und den Rechtspopulisten von Vox. «Aus Sicht von Podemos grenzt das an Verrat: Das 'Ley trans' ist eines ihrer Paradeprojekte und wichtig für den Wahlkampf 2023», kommentiert die Frankfurter Allgemeine.
Radikale «Freiheiten» für Jugendliche
Der Kern des Gesetzes, der in seiner jetzigen Form Ende Juni von der Regierung gebilligt wurde, erlaubt es allen über 16-jährigen, ihr Geschlecht und ihren Namen im Standesamt zu ändern – dies ohne die Zustimmung der Eltern oder medizinische oder psychiatrische Gutachten, die eine Geschlechtsdysphorie belegen. Teenager zwischen 14 und 16 Jahren sollen ihr Geschlecht und ihren Namen legal ändern können, wenn sie die Erlaubnis ihrer Eltern oder eines Erziehungsberechtigten erhalten. Bei Kindern zwischen zwölf und 14 Jahren würde ein Richter zunächst die Reife des Antragstellers beurteilen.
«Wünsche werden schnell zu Rechten»
Die Pläne der Regierung sind in den letzten Monaten auf massive Kritik gestossen, zum Beispiel von Psychiatern und Ärzten. «Es gibt eine Lawine von Teenagern, die glauben, dass sie trans sind, aber die meisten sind es nicht», erklärte der Präsident der Spanischen Gesellschaft der Psychiater, Víctor Pérez, im Gespräch mit der Zeitung El Mundo.
«In dieser Gesellschaft werden Wünsche schnell zu Rechten, aber man kann Teenager nicht einfach schnell hormonisieren», fügte die Präsidentin der Vereinigung der Psychiater für Jugendliche und Kinder in Spanien, Luisa Lázaro, hinzu und prangerte an, dass «'Geschlecht', das eine Realität und ein Schlüsselbegriff ist, im Gesetzentwurf ignoriert und ausgehebelt wird».
Es gebe ein «Defizit an Forschung und nicht genügend klinische Untersuchungen» zu diesem heiklen Thema, fügte die Vizepräsidentin der Ärztekammer von Madrid, Luisa González, hinzu. Dem Gleichstellungs- und dem Gesundheitsministerium wurde vorgeworfen, dass es sich weigere, auf die Empfehlungen der Ärzteverbände zu hören.
Grobe Vernachlässigung zu Lasten der Kinder
Auch eine Gruppe von 450 spanischen Psychiatern äusserte sich «sehr besorgt über die Auswirkungen, die Form und Inhalt des so genannten Trans-Gesetzes auf Minderjährige, die Schwierigkeiten in ihrer sozio-emotionalen und Identitätsentwicklung haben und wahrscheinlich in noch viel grösserem Masse haben werden». Nicht auf medizinische Experten zu hören, sei eine «grobe institutionelle Vernachlässigung bei der Betreuung von Kindern», ebenso wie die Tatsache, dass das Gesetz nicht die Notwendigkeit berücksichtigt, «über die positiven und negativen Folgen sowie die vorhersehbaren Vorteile und Risiken für die psychische und physische Gesundheit jeder getroffenen Übergangsentscheidung oder Intervention zu informieren». Sie prangerten an, dass der Gesetzentwurf der Regierung «davon ausgeht, dass Eltern standardmässig gegen die Interessen ihrer Kinder eingestellt sind».
Feministische Bewegungen: «Es löscht Frauen aus»
Der Gesetzesentwurf hat auch innerhalb der feministischen Bewegung für Aufregung gesorgt. Während einige jüngere das Gesetz unterstützten, erklären die so genannten «radikalen» oder «historischen» Feministinnen, von denen viele traditionell die Sozialdemokratische Partei unterstützt haben, dass «die Regierung die Frauen verrät». So erklärte die Frauenrechtlerin Lidia Falcón auf der spanischen Nachrichtenwebsite «Protestante Digital», dass «Feministinnen die Absurditäten des Trans*-Gesetzes nicht unterstützen können und sollten» und fügte hinzu, dass «die Trans*-Lobby mit der Unterstützung grosser Wirtschaftsunternehmen in Machtbereiche vorgedrungen ist, deren Vorstoss uns Feministinnen überrascht hat».
«Eine Frau zu sein sei keine Gefühlssache», argumentierte die Juristin Carmen Calvo, die im Juli 2021 als stellvertretende Ministerpräsidentin entlassen worden war. Calvo wandte sich dagegen, «das Geschlecht nur durch den blossen Willen oder einen Wunsch» wählen zu können. Feministinnen wie sie sehen bis heute ihre Errungenschaften im Kampf um die Gleichberechtigung durch «Männer, die sich als Frauen ausweisen», gefährdet. Das Geschlecht ist für sie eine «unveränderliche biologische Realität».
Richter sehen rechtliche Unvereinbarkeiten
Auch der spanische Generalrat der Justiz (CGPJ), die höchste juristische Instanz in Spanien, erklärte, dass das Gesetz Menschen, die sich als Transgender identifizieren, «Privilegien» einräumt. Der Text «entspricht nicht den Grundsätzen der strafrechtlichen Legalität und Rechtssicherheit» und gefährdet «sichere Orte für Frauen und Kinder». Eine legale Änderung des Geschlechts sollte nur Erwachsenen uneingeschränkt erlaubt sein. Auch ein Verbot sogenannter «Konversionstherapien» würde gegen die Legalität verstossen, so die CGPJ: «Es gibt kein mögliches Verbot in Situationen, in denen die Zustimmung der betroffenen Person vorliegt.»
«Einschränkung der demokratischen Freiheiten»
Der Text wurde von Glaubensgruppen wie römischen Katholiken, Muslimen und evangelikalen Christen kritisiert. In einer Erklärung, die bereits 2020 veröffentlicht wurde, erklärte die Spanische Evangelische Allianz, dass «der Begriff 'Geschlechtsidentität' eine Art 'Freischein' für Geschlechtsumwandlungen fördert und eine Kaskade von Problemen im gesellschaftlichen Zusammenleben hervorruft, die Frauen direkt betreffen». In anderen Ländern habe «die Verharmlosung des Ansatzes und der Behandlungen» zu besorgniserregenden «Nebenwirkungen bei Kindern» geführt haben.
Asun Quintana, Leiterin der evangelikalen feministischen Gruppe Seneca Falls Platform, sagte: «Der Gesetzentwurf beunruhigt uns nicht nur, weil er unserer christlichen Weltanschauung widerspricht, sondern weil er die demokratischen Freiheiten bedroht, die Gewissens- und Meinungsfreiheit einschränkt und in die Kompetenzen der Zivilgesellschaft und der Familie eingreift.»
Aktuelle Meinungsumfrage
Eine von Sigma Dos im Oktober durchgeführte Umfrage ergab, dass 63 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass «eine Person ihr Geschlecht unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht wählen kann», aber 65 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Möglichkeit für Jugendliche unter 18 Jahren, ihr Geschlecht eintragen zu lassen, stärker eingeschränkt werden sollte.
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Autor: Evangelical Focus / Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / Übersetzt und bearbeitet von Livenet