Gegen den Trend
Zahl der Christen in Libanon nimmt wieder zu
Die Christen im Libanon haben eine schwierige Zeit hinter sich. Doch ihre Zahl hat sich stabilisiert und könnte erstmals seit 80 Jahren wieder zulegen. Die Hintergründe dazu von Nahost-Kenner Heinz Gstrein.Libanon hat neun Monate nach den letzten Parlamentswahlen endlich eine neue Regierung. Der mit ihrer Bildung beauftragte Sunnit Saad al-Hariri hat so lange gebraucht, um zu verhindern, dass die Stimmgewinne der radikalen Schiiten vom «Hisbollah» (Partei Allahs) am 6. Mai 2018 dieser eine Dominanz im Beiruter Kabinett verschaffen. Diesem gehören jetzt unter seinem Vorsitz 15 Christen, sechs sunnitische und auch nur ebenso viele schiitische Muslime sowie drei Drusen an. Das sind Angehörige einer altorientalisch-islamischen Mischreligion. Die christlichen Minister sind teils Katholiken verschiedener ostkirchlicher Riten, teils Orthodoxe. Libanons Evangelische, die ihre Sitze im Parlament verdoppeln konnten, sind in der Regierung noch nicht vertreten.
Glückwunsch des Patriarchen
Insgesamt hatte Maroniten-Patriarch Bischara Butros Rai als Sprecher der Christen dennoch guten Grund, die «ausgewogene, nicht von Gefolgsleuten der Islamischen Republik Iran dominierte, neue politische Führung» zu beglückwünschen. Die christlichen Libanesen haben überhaupt Grund zur Freude: Ihre Zahl nimmt nach Jahrzehnten des Rückgangs und eines Anwachsens der Mulime wieder zu!
1932 noch in der Mehrheit
Die letzte amtliche Volkszählung von 1932 ergab für die Christen im Libanon noch eine Mehrheit von 53 Prozent. Und dies, obwohl die damaligen französischen Kolonialherren zum alten osmanischen Autonomiegebiet «Berg Libanon» mit seinen dort vorherrschenden Christen noch muslimische und drusische Gebiete hinzufügten, um selbst weiter die Vermittler spielen zu können! Dennoch mussten sie dieses von ihnen geschaffene «Grosslibanon» schon 1943 in die Unabhängigkeit entlassen. Seitdem nahm die Zahl der Christen unter dem Druck ihrer Muslim- und Drusennachbarn ständig ab: Viele wurden ermordet, vertrieben oder zur Auswanderung genötigt. Eine starke christlich-libanesische Diaspora – heute an die fünf Millionen – bildete sich in Südamerika und dem früher französischen West- und Zentralafrika.
Allein während des libanesischen Bürgerkriegs verliessen zwischen 1975 und 1990 rund zwei Millionen Christen ihre Heimat, wo sie zuvor 1300 Jahre lang der Islamisierung die Stirn geboten hatten. Bei den letzten Wahlen gab es nur mehr 38 Prozent christliche Stimmberechtigte.
Günstige Prognose
Dieser Abwärtstrend beginnt sich aber jetzt zum ersten Mal seit über 80 Jahren umzukehren. Das neueste «Jahrbuch für Internationale Religionsdemographie» gibt dafür klar Zeugnis: Die christliche Bevölkerung ist in den letzten zwei Jahren stabil geblieben und wird voraussichtlich in den nächsten 19 Jahren auf 40 Prozent ansteigen.
Laut dem Anfang Februar vorgelegten Demographie-Jahrbuch für 2018 umfasste die libanesische Bevölkerung im Jahr 2011 3,3 Millionen Einwohner, davon 38,22 Prozent Christen und 61,62 Prozent Muslime. Es wird erwartet, dass die libanesische Bevölkerung im Jahr 2030 auf 4,4 Millionen Einwohner steigt, davon 40,18 Prozent Christen und 59,71 Prozent Muslime. Für das Jahr 2045 wird prognostiziert, dass im Libanon rund 5,4 Millionen Menschen leben werden, davon 41,12 Prozent Christen und 58,87 Prozent Muslime.
Zwei Gründe für die Zunahme
Der erste Grund dafür ist weniger erfreulich: Vor dem syrischen Bürgerkrieg und den Gräueln islamischer Terrormilizen flohen und fliehen – aus Idlib zum Beispiel – zahlreiche Christen nach Libanon, vor allem Maroniten. Der Preis für ihre Zunahme auf libanesischem Boden ist also die Entchristlichung Syriens. Allerdings nimmt die Auswanderung der Christen Libanons ab. Die Tatsache, dass die extremen Islamisten von IS, Nusra und anderen weder in Damaskus noch auf die Dauer in Mossul an die Macht kommen konnten, stärkt das christliche Selbstvertrauen in Beirut und die Zuversicht, dass das auch das Land unter den Zedern seinen Christen wieder eine Zukunft bietet.
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Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet