Film «Schattenstunde»

Selbstmord – die beste Lösung?

Zoom
Filmausschnitt aus «Schattenstunde» (Bild: Screenshot «Schattenstunde»)
Wie ausweglos muss eine Situation sein, dass nur noch der Selbstmord als Lösung erscheint? Der Schriftsteller und Christ Jochen Klepper, seine Frau und deren Tochter brachten sich um; zu einer Zeit, in der das ein absolutes Tabu war.

Es ist das Schicksal einer kleinen Familie in den NS-Jahren: Jochen Klepper lebt in Mischehe mit der Jüdin Johanna, die ihre Tochter Renate in die Ehe mitbringt. Sie leben in Nikolassee, einem Ortsteil von Berlin-Steglitz. Am 10. Dezember 1942 kommt dann das «Aus» für ihre gemeinsame Zukunft: Die Ausreise der Mutter und ihrer 20-jährigen Tochter wird endgültig abgelehnt.

Leben ohne Zukunft

Der Film «Schattenstunde» beginnt mit dem Gespräch zwischen Jochen Klepper und Adolf Eichmann im Reichssicherheitshauptamt, in dem er ihm die Ablehnung der Ausreise mitteilt. Der NS-Funktionär legt ihm nahe, sich von seiner Frau zu trennen, um beruflich seinen Weg gehen zu können, dabei äussert Eichmann sich kühl und verächtlich über Juden.

Basierend auf den Tagebüchern von Klepper beschreibt der Film die letzten Lebensstunden der drei Menschen und gibt einen Einblick in deren Gedanken angesichts des zu erwartenden Todes. «Es gibt für alles einen Ausweg, aber nicht für die Juden in Deutschland», so eine Bemerkung, die ihre Verzweiflung auf den Punkt bringt. Der Film ist eine deutsche Produktion von Benjamin Martens (Regie, Drehbuch, Produktion) und ist zurzeit in deutschen Programmkinos zu sehen.

Sperrig, trostlos und bedrückend

«Schattenstunde» ist beileibe kein unterhaltsamer Film; er ist sperrig, trostlos und bedrückend, so bedrückend wie das Thema, um das es geht: das Schicksal der Juden in Nazi-Deutschland und die Tatsache, dass viele nur im Selbstmord einen Weg sahen, sich vor Folter und Ermordung zu retten. Sieht man von einigen filmischen Effekten ab, ist der Streifen eher ein Theaterstück, ein Kammerspiel. Entsprechend wortlastig ist die Darstellung.

Baums Biografie «Jochen Klepper»

Zoom
Biografie zu Jochen Klepper von Markus Baum (Bild: zVg)
Klepper schrieb zehn Jahre lang Tagebuch. Damit ist sein Schicksal und das seiner Frau und seiner Stieftochter «so gut dokumentiert wie kaum ein anderes Familienschicksal im Dritten Reich», weiss Markus Baum, Radiojournalist und Autor der Biografie «Jochen Klepper». Er zeichnet dessen Leben nach, hat dabei auch die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit im Blick.

Baum beschreibt Kleppers Frau Johanna als vermögend und so leidet die Familie keinerlei materielle Not; sie stammte aus einem «glaubenslosen Milieu», «eine liebevolle, opferbereite Frau von grosser Sensibilität (und) Herzensbildung und Alltagskultur…»

Nach dem Studienabbruch

Wirklich klar wird trotz seiner Aufzeichnungen und Briefe nicht, warum er sein Studium der evangelischen Theologie abbricht, was er noch Jahre später als «Wunde» bezeichnet. Und so arbeitet Klepper als Journalist (auch beim Radio) und Schriftsteller. Markus Baum bezeichnet dies als eine «gebrochene Linie». Sein berufliches Leben verbringt Klepper in schwierigen Zeiten: der wirtschaftlichen Depression. Immer wieder wechseln die Beschäftigungen, immer wieder muss er schauen, wo er unterkommt und arbeiten kann.

«Ich habe so auf ein Wunder gehofft»

«Unser Leben ist das Einzige, was wir noch selbst bestimmen können», sagt Jochen Klepper im Film. Er, der ohnehin schon an Depressionen litt, kommt an die Grenzen seines Glaubens: Er betet um die Hilfe Gottes und stellt im Film resigniert fest: «Ich habe so auf ein Wunder gehofft.»

Doch in dieser Trostlosigkeit vertraut Klepper mit letzter Hoffnung auf Gott. Dabei zitiert er einen Vers aus dem zweiten Petrusbrief: «Umso fester verlassen wir uns jetzt auf das, was Gott durch seine Propheten zugesagt hat. Auch ihr tut gut daran, wenn ihr darauf hört. Denn Gottes Zusagen leuchten wie ein Licht in der Dunkelheit, bis der Tag anbricht und der aufgehende Morgenstern in eure Herzen scheint.» (2. Petrusbrief, Kapitel 2, Vers 19)

Jochen Klepper gilt als einer der bekanntesten Dichter von geistlichen Liedern des 20. Jahrhunderts: Am bekanntesten sind «Die Nacht ist vorgedrungen» und «Er weckt mich alle Morgen».

Der Film «Schattenstunde» ist zurzeit in den Kinos zu sehen. Das Buch «Jochen Klepper. Biografie» von Markus Baum ist im Neufeld-Verlag erschienen.

Brauchen Sie Hilfe oder einfach ein offenes Ohr? Dann melden Sie sich bei der anonymen Lebenshilfe von Livenet, per Telefon oder E-Mail. Weitere Adressen für Notsituationen finden Sie hier. 

Zum Thema:
Was trägt?: Eine Lebensfrage – viele Antworten
«Gott ist grösser»: Wie Gott bei einem Selbstmordversuch eingriff
Neuer Vorstoss in Holland: Selbstmord-Ursache «genug vom Leben»?

Datum: 05.02.2022
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

Kommentar schreiben

Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich neu, um diesen Artikel zu kommentieren.
Anmelden
Mit Facebook anmelden

Kommentar

Regula Lehmann: Empörung ist billig
Wir befinden uns inmitten der Fastenzeit vor Ostern. Livenet-Kolumnistin Regula Lehmann fastet...

Adressen

CGS ECS ICS

Ratgeber

Zielbewusst und entspannt Gute Vorsätze für 2023
Die ruhigere Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr scheint dazu einzuladen, dass man sich überlegt...