Die Undesperate Housewives sagen
"Stress ade!"
Paula Schaub: "Sobald ich merke, ich bin nicht mehr berufen, sondern nur noch getrieben, dann ziehe ich die Notbremse."
Sie kriegen die geballte Ladung ab, die vier Nachbarinnen Bree, Gabrielle, Lynette und Susan in der fiktiven US-Stadt Fairview. Entsprechend also der Titel der Serie "Desperate Housewives". Doch es geht auch anders. Das zeigen unsere "Undesperate Housewives", die "nichtverzweifelten Hausfrauen", täglich. Auch dann, wenn Schwierigkeiten auftauchen und sie vom Stress nicht verschont bleiben.
Beschreiben Sie einen Ihrer stressigsten Augenblicke...
Gaby Schildknecht: Wenn ich gestresst bin, ist das meist emotionaler Stress, der auf den Magen schlägt. Das war bei einer Einladung zu einem Geschäftsanlass meines Mannes der Fall. Mein damaliges Wirkungsfeld war durch meine vier kleinen Kinder und die Schwangerschaft doch sehr eingeschränkt.
Ich war zu Hause bei den Kindern, und mein Mann arbeitete. Mich da in der obersten Etage der Geschäftswelt meines Mannes zu bewegen, das forderte mich emotional sehr heraus. Ich kaufte mir ein schickes Kleid und ging zum Friseur, damit die Fassade stimmte ... Aber innen war purer Stress. Bin ich wohl ein brauchbarer Gesprächspartner? Windeln wechseln, putzen, Kindergarten und Schule waren im Moment doch meine Themen. Interessierte das dort überhaupt jemanden?
Der Apéro ging vorbei, die Tischordnung für das Dinner war auch in Ordnung. Der Stress begann sich zu lösen, und in dem Moment machte mein Magen nicht mehr mit. Ich litt an Magenkrämpfen, so dass ich nicht mehr sitzen konnte. Ich musste mich während des Essens irgendwo hinlegen. Danach entspannte ich mich ganz langsam.
Jolanda Schärer: Stress hat viele Gesichter, eines sieht zum Beispiel so aus: Vier meiner sieben Kinder kommen zur gleichen Zeit gut hörbar nach Hause, gleichzeitig kochen die Teigwaren im Topf über. Dann klingelt auch noch das Telefon, und der Jüngste klebt schreiend an meinem Bein...
Jeanette Macchi: Stressige Momente gibt es immer wieder in meinem Leben. Zum Beispiel, wenn ich nicht pünktlich aus dem Haus komme und es nicht schaffe, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.
Oder wenn mir während der Woche die Zeit entgleitet und ich kaum Freiraum finde für meine beruflichen Tätigkeiten. Dann passiert schon vieles auf den letzten Drücker. Das mag ich eigentlich gar nicht; ich bin gerne gut vorbereitet, besonders wenn ich mich auf eine Moderation einstellen soll.
Paula Schaub: Im letzten Jahr kandidierte ich als erste Frau und EVPlerin für das Stadtpräsidium. Da war ich mit etlichen stressigen Situationen konfrontiert, zum Beispiel beim Podiumsgespräch mit den drei Kandidaten. Keine der Fragen war im voraus bekannt, und doch sollte man ein spontanes und inhaltsreiches überzeugendes Votum abgeben. Oder bei Anrufen des Lokalradios, die das Interview gleich live sendeten. Da steigt der Adrenalinspiegel!
Jolanda Schärer: "Unser Vater im Himmel hat uns nicht gemacht für den Stress, sondern wir sollen und dürfen in seiner Gelassenheit leben."
Haben Sie oft Stress?
Paula Schaub: Von aussen wird mein Pensum oftmals als stressig beurteilt, weil ich gleich drei verschiedene Sachen unter einen Hut zu bringen habe: Mit einer 50-Prozent-Stelle leite in der regionalen Wasserversorgung den Bereich Finanzen und Administration. Daneben engagiere ich mich als Kreisrichterin am Strafgericht und in unserer Stadt bin ich Gemeinderätin, also in einem Exekutivamt.
Da gibt es natürlich viel zu organisieren, zu planen und vorzubereiten. Es sind jedoch alles selbstgewählte Aufgaben, und ich habe es in der Hand, die Arbeitslast auch mal zu reduzieren. Im Augenblick fühle ich mich stark und geniesse mein abwechslungsreiches Leben. Stress verursachen mir anstehende schwierige Entscheidungen.
Stress an sich ist für mich eine Herausforderung, eine Art Motor. Ich staune oft, zu welchen Leistungen Menschen unter Druck fähig sind. Es macht mir meistens Spass, in kurzer Zeit viel zu erledigen und speditiv zu arbeiten. Wichtig ist mir, dass ich die Identität oder den Wert einer Person nicht mit ihrer Leistung verwechsle, auch nicht bei mir selbst.
Gaby Schildknecht: Als Familienfrau, Seelsorgerin und Seminarleiterin habe ich sehr viel Freiraum. Oft kommt dann aber alles gleichzeitig. Die Tochter muss zum Zahnarzt, und ich bin ihr Chauffeur. Das Telefon klingelt, Besuch hat sich angemeldet, und die Katze will auch ihre Streicheleinheiten. Im Büro sollten für das nächste Seminar schon die Unterlagen bereit sein, und die Sekretärin wartet auf Instruktionen.
Aber Stress? Ich hab gelernt, eine Fünf auch mal gerade sein zu lassen und eins nach dem andern zu erledigen, ohne dass ich mich davon bedroht fühle und in Stress gerate.
Jolanda Schärer: Das ist sehr unterschiedlich. Eigentlich habe ich ihn immer dann, wenn ich ihn zulasse.
Jeanette Macchi: Gott sei Dank kommt er nicht täglich vor. Aber wenn vieles am Laufen ist, dann kommt bei mir meistens alles zusammen. Das fühlt sich dann wie eine geballte Ladung an. Daher bin ich froh, wenn ich mir mindestens einen Abend in der Woche freihalte für meinen Mann und meinen Sohn. Das schafft mir den nötigen Freiraum.
Jeanette Macchi: "Ich will nicht immer an die ganze Woche denken, sondern einen Tag um den andern nehmen. Das hilft mir, die Ruhe zu bewahren."
Wie gehen Sie mit Stress um?
Jolanda Schärer: In der Situation, die ich grade beschrieben habe, versuche ich, gelassen zu bleiben und alles der Reihe nach anzugehen, das Wichtigere immer zuerst: zunächst den Kochherd in den Griff kriegen, dann das schreiende Kind. Danach kommen die Kinder, die grade nach Hause kommen, und erst am Schluss das Telefon - wenn es dann noch klingelt. Es nützt nichts; ich bin kein Übermensch, und zaubern kann und will ich auch nicht.
Aber in unserer Gesellschaft ist Stress schon ein Modetrend, ein Lebensstil. Dabei ist er ganz selbstgemacht. Es müsste ihn überhaupt nicht geben, wir uns dem Zeitgeist nicht dermassen hingeben würden. Wir selber bestimmen, ob wir diesen Stress-Geist beugen wollen oder nicht. Wir sehen Berge vor uns und lassen uns davon beeindrucken. Und dann sind wir auch noch stolz darauf, in wie kurzer Zeit wir diesen Berg abgetragen haben - unter enormem inneren Druck.
Nur ist uns der Preis dafür viel zu wenig bewusst. Denn so ein Druck kann Gesundheit und Psyche ruinieren und uns umbringen. Wir unterdrücken und dirigieren andere, machen Beziehungen kaputt, werden jähzornig und ungerecht; richtige Egoisten.
Unser Vater im Himmel hat uns nicht gemacht für den Stress, sondern wir sollen und dürfen in seiner Gelassenheit, in seiner Ruhe und in seinem Frieden leben; einem inneren Frieden, den nur Jesus geben kann. Und ich kann ihn fragen, was jeweils Vorrang hat. Ganz nahe bei ihm erfahren wir diese Ruhe und Gelassenheit.
Gott hat ja auch nicht alles an einem einzigen Tag erschaffen, sondern eines nach dem anderen. Und am Schluss schuf er einen Tag, um zu ruhen. Gott selber hatte also einen Tag nach seiner Arbeit geruht - wunderbar! Diesen speziellen Tag hat er sogar uns ans Herz gelegt, mit wir ruhen und uns auf Gott besinnen. Das ist sogar sein Gebot an uns Menschen.
Jeanette Macchi: Wenn ich einen vollen Terminkalender habe, wo jeder Tag, jeder Abend, ausgebucht ist, dann kommt mir das schon als Stress vor. Aber ich will nicht immer an die ganze Woche denken, sondern einen Tag um den andern nehmen. Das hilft mir, die Ruhe zu bewahren.
In der Bibel heisst es doch auch so schön: "Deshalb habt keine Angst vor der Zukunft! Es ist doch genug, wenn jeder Tag seine eigenen Lasten hat. Gott wird auch morgen für euch sorgen." Das steht in Matthäus, Kapitel 6, Vers 34.
Gaby Schildknecht: Heute gehe ich mit Stress anders um. Jesus Christus hat meine Minderwertigkeitsgefühle geheilt. Ich weiss, wer ich bin und was ich kann. Mein Selbstwert ist wiederhergestellt. Trotzdem ist mir auch heute noch emotionaler Stress nicht fremd.
Zum Beispiel, wenn ich dabei bin, mich von unseren Kindern zu lösen, oder beim Thema Gesundheit oder der Beziehung zu meinem Vater. Mein Magen reagiert nicht mehr so stark wie früher, aber er kann sich immer noch bemerkbar machen. Das ist mir ein Zeichen für Stress. Ich lerne immer mehr, diese Lasten Gott abzugeben und sie nicht selber zu tragen.
Ich versuche in solchen Situationen meine Blicke auf Jesus Christus zu richten, denn wo ich hinschaue, von dem wird ja mein Leben bestimmt. Wenn meine Gedanken und Gefühle um Schwierigkeiten kreisen, dann bin ich viel leichter geknickt und emotional gestresst. Aber wenn ich meinen Blick auf Jesus richte und auf das, was er für mich getan hat und noch tun will, dann hab ich andere Gedanken. Denen folgen auch andere Gefühle. Das prägt mein Verhalten positiv.
Paula Schaub: Ganz praktische vorbeugende Tipps sind ein gutes Zeitmanagement, ein fest vorgesehener Ausgleich und die Fähigkeit zu delegieren. Ich muss mich nicht selber für alles zuständig fühlen. Persönlich muss ich immer wieder an meinem Perfektionismus arbeiten. Mein Mann entlastet mich durch seinen Beitrag an die Hausarbeit erheblich. Er spielt oft auch den kritischen Filter, wenn es um zusätzliche Termine geht.
Ich bin überzeugt, dass die Aufgaben, die Gott uns gibt, nicht negativ stressen. Wenn solche Signale auftreten, dann arbeiten wir mehr als es unser göttlicher Auftrag wäre. Sobald ich merke, ich bin nicht mehr berufen, sondern nur noch getrieben, dann ziehe ich die Notbremse.
Meine Wahrnehmung ist in dieser Hinsicht gelegentlich getrübt. Dann helfen mir mein Partner oder Freundinnen wieder mehr oder weniger deutlich auf die Sprünge. Dafür bin ich ihnen dankbar.
Gaby Schildknecht: "Ich lerne immer mehr, Lasten Gott abzugeben und sie nicht selber zu tragen."
Kurzprofile der "Undesperate Housewives"
Gaby Schildknecht leitet "Begegnung in der Ehe".
Jeanette Macchi moderiert "Fenster zum Sonntag".
Jolanda Schärer wirbelt als Fitnesstrainerin.
Paula Schaub politisiert im Langenthaler Gemeinderat.
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch
Livenet Aktuell
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