Rollen in der Ehe
Und wer, bitte, macht den Abwasch?
Putzen, waschen, bügeln und kochen, das ist heute auch Männersache –erzählen jedenfalls die Ratgeber und Zeitschriften. Bei genauem Hinschauen aber merkt man: Das alles hängt weiterhin vor allem an den Frauen. Haben sie überhaupt eine Chance, aus dieser Rolle auch mal rauszukommen?
Rollen werden nicht einfach so zugewiesen oder übernommen. Dahinter stehen jahrtausendalte Muster, die sich bei den meisten Männern und Frauen tief abgesetzt haben und auch heute noch bestimmen, was «man und frau» zu tun und zu lassen hat.
Dr. med. Ago Bürki ist eine bekannte und christliche Paar- und Familientherapeutin. In ihrem leider vergriffenen Buch «Ich bin nicht mehr die Frau, die du geheiratet hast» beschreibt sie dieses klassische Rollenverständnis in einer Ehe: Die Tradition, das Patriarchat, übergibt die Macht den Männern. Die tritt er dann nicht nur allgemein den Frauen gegenüber an, sondern eben auch gegenüber dieser seiner eigenen Frau und Partnerin.
Umgekehrt aber – und das schmerzt wohl viele Frauen – sehen sich viele Frauen als dem männlichen Geschlecht untergeordnet. Sie betrachten sich als diejenige, die sich fügen soll oder muss, schreibt die Psychologin. Dabei bleibt es auch oft, auch wenn man schon zu neuen Einsichten in die Ehe gekommen sind.
Rolle am Anfang der Ehe gewählt
Auch bei Franziska und Erich (Namen geändert) ist das nicht anders. Erich arbeitet in einer Kaderposition innerhalb eines grossen Unternehmens in einer anderen Stadt und pendelt fast täglich rund zwei Stunden. Natürlich arbeitet er fünf Tage die Woche, meist mit Überstunden. Franziska ist Ärztin und arbeitet zu rund 50 Prozent in einer nahegelegenen Klinik.
Obwohl sie die bessere Ausbildung als ihr Mann genossen hat, arbeitet sie weniger und hat keinerlei Möglichkeiten, in ihrem Teilzeitjob aufzusteigen.
Die Kindererziehung ist ganz ihr Part, der Haushalt ebenfalls. Wenn Probleme mit den Kindern auftauchen, muss Franziska ran. Ihr Mann ist meistens unabkömmlich und in der Freizeit in seine vielen Hobbys verstrickt, um endlich mal abzuschalten, wie er ihr erklärt.
Ago Bürki dazu: «Es ist manchmal erschütternd, zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit die Frauen am Anfang der Ehe diese Rolle antreten.» Frau Bürki betont, sie sehe das Übel nicht darin, dass Frauen gerne Mütter und Hausfrau sind. Ganz und gar nicht! Sie betrachtet es vielmehr als problematisch, wie umfassend sich manche Frauen in dieser Rolle entmündigen lassen und dafür von ihren Männern später oft nur Geringschätzung ernten.
Verachtung hat verschiedene Facetten
Die Psychologin spricht leider aus Erfahrung. Viele Paare, die bei ihr in der Therapie waren, haben sich nach diesem jahrlangen Rollenspiel gegenseitig entwertet, die Frau genauso stark wie der Mann die Frau. Nur zeigt sich das gegenseitige Muster der Verachtung auf verschiedene Weise.
Frauen nutzen eher manipulative Mittel wie Tränen, Krankheit, Leiden, Liebesentzug und stete Vorwürfe. Das sei eine ebenso starkes Gift wie die eine offensichtliche Geringschätzung der Männer gegenüber ihren Frauen. Doch Achtung und Respekt wären ja die Grundlage für eine Partnerschaft in Ebenbürtigkeit.
«Es kommt schon gut»
Genauso war es bei Anita und Hans (Namen geändert). Bei der Heirat waren sie sicher, dass sie eine glückliche Familie werden würden. Doch als die drei Kinder da waren, machte Hans Karriere an der Spitze eines mittleren Unternehmens und wollte auch im Sport erfolgreich mitmischen. Dabei blieb Anita mit den Kindern meist allein.
Heute gibt Anita zu, über ihr Leben nicht verfügt zu haben. Nur Hans habe Pläne gemacht, und das leider nur für sich. Sie selbst dachte, das kommt schon gut. Anita putzte, kochte, wusch, sorgte für die Kinder und arbeitete nebenbei noch in der Kirche mit. Was ihr Sorgen machte, war die Tatsache, dass ihr Hans fremd geworden war. Dafür wuchsen dicke Freundschaften mit Freundinnen und Nachbarinnen. Trotzdem litt Anita unter der steten Abwesenheit ihres Mannes.
Dass er seiner Frau bequem die ganze Verantwortung für die Kinder überlassen hatte, entspannte sein Leben aber in keiner Weise. Wenn Hans nach Auslandsreisen in die Familie zurückkehrte, spielte er den Boss wie im Büro und versuchte, die Kinder innerhalb weniger Stunden mit Gebrüll und Disziplin zu erziehen. Manchmal fragte sich Anita: «Wer ist eigentlich dieser Mann in meinem Haus?» Es musste etwas geschehen.
Manchmal hilft ein Ultimatum
Nach rund 18 Ehejahren stellte sie ihren Mann vor ein Ultimatum: Entweder, du kümmerst dich jetzt um unsere Familie und um mich, oder du gehst. Hans war vor den Kopf gestossen, war erstmal beleidigt und sprach einige Tage kein Wort mehr mit seiner Frau.
Aber er besuchte einen befreundeten Psychologen, der ihm sein verdrehtes Lebensbild aufzeigte. Hans begriff, dass sein Verständnis von Ehe nicht dem seiner Frau glich. In ihrer Ehe hatte Anita ihm stets den Vortritt gelassen, sich zurückgenommen und schliesslich all ihre Interessen und ihr gesamtes Leben vernachlässigt.
Hans entschied sich schliesslich für ein Leben mit der Familie. Das Paar suchte eine Eheberatung auf und bearbeitete sein ungesundes Rollenmuster. Beiden fiel die neue Rollenaufteilung gar nicht so einfach.
Geteilte Lasten
Mittlerweile arbeitet auch Anita ausser Haus und ist oft für eine christliche Organisation unterwegs. Hans jedoch hat gelernt, mit seinen Kindern eine Beziehung aufzubauen, die auch etwas aushält. Und wenn seine Frau unterwegs ist, kocht er.
So schaffen es Ehepaare, eine antiquierte Rollenverteilung zu durchbrechen und in ihrer Ehe neue Grundmuster zu leben. Für viele ist das ein Aufbruch zu neuen Lebensufern.
Autor: Iris Muhl
Quelle: Jesus.ch
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