Widerstand programmiert
Volksinitiative will Ehestrafen abschaffen
Die Mitte-Partei startet mit Unterstützung der EVP die beiden Volksinitiativen «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare» sowie «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare». Wir fragen nach den Chancen der Initiativen.
Für beide Parteien ist klar: Die Heiratsstrafen müssen sowohl bei den Steuern als auch in der AHV endlich abgeschafft werden. Die Mitte-Partei bringt das Thema erneut aufs Tapet, nachdem es vor drei Jahren wegen der Ehe-Definition knapp abgelehnt wurde. Die EVP-alt Nationalrätin Marianne Streiff und EVP-Nationalrat Nik Gugger sind ebenfalls Mitglieder der Initiativkomitees.
Seit 1984 hängig
Die Bemühungen um die Abschaffung der jahrzehntelangen Diskriminierung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren dauern schon über 30 Jahre an. 1984 hat das Bundesgericht die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren verboten. Jahrzehnte später zahlen noch immer rund 700’000 Doppelverdiener- und Rentnerehepaare mehr Bundessteuern als solche im Konkubinat. Rentnerehepaare erhalten in der AHV zudem bis zu 14'340 Franken weniger Rente pro Jahr, nur weil sie verheiratet sind. Dass es immer noch nicht gelungen ist, die Ungerechtigkeiten abzuschaffen, ist skandalös.
Unterschiedliche Lösungsvorschläge
Im Parlament scheiterten die Bemühungen um mehr Steuergerechtigkeit vor allem an den unterschiedlichen Lösungsvorschlägen der Bundesratsparteien. Dass aber gerade pensionierte Ehepaare mit der Plafonierung der AHV-Rente noch empfindlicher getroffen werden, war lange kein Thema. Auch jetzt wird das Anliegen von breiten Politkreisen als unrealistisch eingeschätzt, da zu teuer.
Die Kritik setzte – zum Beispiel in der NZZ – bereits ein, noch bevor die beiden Volksinitiativen offiziell gestartet waren. Während bei den Bundessteuern grundsätzlich ein breiter Konsens besteht, dass diese Ehepaare nicht benachteiligt werden dürfen und man sich «nur» über die Lösung streitet, wird bei den AHV-Renten angemerkt, übers Ganze gesehen seien Ehepaare bei der AHV gar nicht wirklich diskriminiert. Ins Feld geführt werden vor allem die Witwenrenten der AHV.
Witwen- und Witwerrenten auf dem Prüfstand
Doch gerade die Witwenrenten stehen auf dem Prüfstand, seit es immer mehr zur Normalität geworden ist, dass beide Ehepartner auch erwerbstätig sind. Das Urteil des Menschengerichtshofs in Strassburg zur Witwerrente, das eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen fordert, dürfte diesen Trend beschleunigen, wie EVP Generalsekretär Roman Rutz gegenüber Livenet erklärte. Er erwartet diesbezüglich massiven Druck auf die Witwenrenten und räumte ein: «Für uns als EVP ist klar, dass wir Hand bieten müssen, diese Privilegien zurückzufahren, wenn dafür der Rentenabzug eliminiert wird.» Auch gemäss Bundesrat nimmt die Bedeutung der Witwenrente aufgrund der Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen ab. Die Witwenrente wird ausserdem nur ausbezahlt, wenn diese höher ist als AHV-Rente. Wenn die AHV-Renten der Frauen steigen, sinkt der «Zuschlag» durch die Witwenrente.
Wichtig ist, dass sich in der Sache endlich etwas bewegt, wie auch alt Nationalrätin Marianne Streiff betont: «Es kann doch nicht sein, dass immer mehr Menschen aufs Heiraten verzichten, nur weil sie steuerlich nicht deutlich benachteiligt sein wollen.» Und EVP Nationalrat Nik Gugger doppelt nach: «Wer wie die EVP mit dem Wert der Gerechtigkeit wirbt, kommt nicht umhin, gegen die Heiratsstrafe zu kämpfen. Es gibt keine sachlichen Gründe für die staatliche Diskriminierung von Ehepaaren.»
Für Gesprächsstoff ist gesorgt
Die Forderungen dürften schon vor dem Ablauf der Sammelfrist 2024 viel zu reden geben. Insbesondere die Abschaffung des Plafonds für die AHV-Ehepaarsrenten. Das überfordere das Sozialwerk massiv, kritisieren die einen. Und ein Plafonds für Konkubinatspaare sei politisch und praktisch nicht umsetzbar.
Was die Bundessteuern für Ehepaare betrifft, muss nach wie vor darauf gehofft werden, dass der Konflikt zwischen Vertretern der Einzelbesteuerung und Anhängern eines Splittingmodells für Ehepaare endlich gelöst wird.
Ungerechtigkeiten rechtfertigen?
Doch: Ist es denn legitim, eine Ungerechtigkeit stehen zu lassen, nur weil der Preis für deren Korrektur zu hoch erscheint? Das Argument ist einer gesunden Demokratie und eines Rechtsstaates unwürdig. Man müsste sich nur mal die Konsequenzen einer solchen Argumentation zu Gemüte führen. Mit den (zu) hohen Kosten wird noch jedes Projekt bekämpft, das den Gegnern nicht passt, wie wir alle Tage beobachten können.
Und auch das Argument, die Korrektur einer Ungerechtigkeit sei politisch nicht umsetzbar, muss zurückgewiesen werden. Es weckt vielmehr den Verdacht, dass das Argument von Leuten kommt, denen die vorgeschlagene Lösung einfach nicht passt. Vielleicht weil sie von der falschen Seite kommt. Die Gleichstellung von Konkubinatspaaren mit Ehepaaren ist sowohl bei der AHV wie bei den Bundessteuern einfach längst überfällig und darf nicht mit Scheinargumenten verhindert werden. Nun sind die Brückenbauer gefragt.
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet