Stefan Meierhans
«Der Glaube gibt mir Boden»
Seit
2008 macht er sich bei Staat und Institutionen für die Schweizer
Konsumentinnen und Konsumenten stark: Preisüberwacher und Dr. iur.
Stefan Meierhans aus Bern. Im aktuellen Chaos hat er alle Hände voll zu tun. Der Vater zweier Teenager gehört der Mitte-Partei an und ist aktives Mitglied der reformierten Landeskirche. Im Interview spricht er über Gerechtigkeit, Glaube, Gaspreise, Krieg und Eigenverantwortung.
Herr Meierhans, Ihrem Dialekt nach liegen Ihre Wurzeln nicht in Bern…
Stefan Meierhans:
Ich lebe seit 20 Jahren in der Stadt Bern, fühle mich hier sehr
willkommen und wohl – von der städtischen Gebührenpolitik einmal
abgesehen. Der Kanton Bern hat vieles zu bieten: Alpen, Jura, intakte
Natur… Ich selbst bin in Altstätten, im St. Galler Rheintal,
aufgewachsen – als Reformierter in der Diaspora. Bis heute zählt das
Gebiet doppelt so viele Katholiken wie Reformierte.
Sie legen Wert auf Ihre Konfession?!
Ich bin ein Verfechter der Volkskirche und in der reformierten
Landeskirche stark verwurzelt. In meinen Augen ist die Kirche der Kitt
für die Gesellschaft. Sie schafft Zusammenhalt. Meine beiden Mädchen nehmen ihren abendlichen Segen von mir gern entgegen, auch wenn sie schon bald ins Teenageralter kommen. Darüber freue ich mich. Ich
sehe den Glauben als Richtschnur im Leben, er schenkt mir Halt und
Hoffnung.
Wenn
wir Europa, konkret die Ukraine, betrachten, so tut Zusammenhalt, vor
allem Frieden zwischen den Völkern, not. Wie beurteilen Sie die aktuelle
Situation?
Kurz nach Ausbruch des Kriegs habe ich meinen Vater besucht. Wie ich,
ist auch er deprimiert über das Geschehen. Er erzählte mir, er habe in
den 40er-Jahren mit Stecknadeln auf einer Landkarte die Frontlinie
nachgezeichnet. Nie hätte er geglaubt, dass es 70 Jahre danach wieder
derartige Auseinandersetzungen geben könnte. Nüchtern betrachtet war
unser Planet nie frei von Krieg. Statistiken des Stockholmer
Friedensforschungsinstituts zeigen in den letzten Jahren jedoch eine
massive Zunahme an Kriegen und Rüstungsausgaben. Erstmals seit langer
Zeit ist der Krieg so nah an uns herangerückt. Man wird sich der
Verletzlichkeit unserer Systeme bewusst und fühlt sich ohnmächtig.
Zuerst
Corona, nun der Ukraine-Krieg. Wir erleben grosse Erschütterungen, die
Märkte spielen verrückt. Wie wirkt sich das auf Ihren Alltag aus?
Die Preise steigen rapid. Es war eine Illusion, dass Gas immer billiger
werden würde. Der kleine Preisüberwacher kann nichts ausrichten, wenn die Gaspreise in Amsterdam durch die Decke gehen. Als kleines Land sind wir auch beim Benzin und Heizöl vom Ausland abhängig. Unser Uran kommt nicht aus dem Haslital, sondern aus dem Niger und Kanada. Wir haben jedoch auch Trümpfe in der Hand, etwa mit der Wasserkraft. Sie deckt die Hälfte unseres Energiebedarfs ab. Wir sind das Wasserschloss Europas.
Was können Verbraucher tun?
Energie sparen. Ehrlicherweise muss man sagen, ein grosser Teil der
Energiekosten im Bereich Wasser, Wärme und Strom entfällt auf die
Leitungsinfrastruktur. Bau und Unterhalt der Leitungen verschlingen über
die Hälfte dieser Aufwände. Hier haben wir Hebel und dürfen die Leute
nicht «übers Näscht abschrysse» (Schweizerdeutsch für jemanden betrügen
oder über den Tisch ziehen).
Wo
sich Einzelne auf Kosten anderer bereichern, da treten Sie auf den
Plan. Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, richtig?
Ich bin kein Heiliger. Meine Triebfeder ist seit 2008 das Bedürfnis,
etwas Sinnvolles zu tun. Sinnhaftigkeit gibt mir Motivation.
Dementsprechend setze ich meine Fähigkeiten ein. Ich habe dabei immer
das Wohl der gesamten Gesellschaft im Auge und versuche sie so zu
lenken, dass das Leben für alle gerechter wird. Das Hehre, das
Ehrenwerte ist mein Kompass. Dies bedeutet, beiden Seiten gut zuzuhören
und die Argumente abzuwägen.
Von Gesetzes wegen haben Sie auch Urteile zu fällen…
Fast immer kann eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Dafür bin
ich dankbar. Damit können alle leben. Das entspricht mehr meinem
Naturell, als wenn ich mit jeder Frage vor Gericht gehen müsste.
Viele
Abläufe im Kaufprozess sind für Konsumenten undurchsichtig. Es herrscht
ein Dschungel von Angeboten und Anbietern. Man fühlt sich überfordert
und ausgeliefert…
Die Welt wird in der Tat immer komplexer, da ist man dankbar für
Wegleitung. Bei uns gehen pro Jahr etwa 1'500 Beschwerden ein, darunter
banale Dinge. Die Leute möchten wissen, welches Modell von Wohnmobil ich empfehlen würde, was mit ihrem Heizkessel nicht in Ordnung ist... Ich kann und will mich nicht um alles kümmern. Jede/r
Einzelne trägt Verantwortung, das war schon immer so. Bei schlimmen
Auswüchsen ist es Sache des Staats, einzugreifen, vergleichbar mit den
Fangnetzen am Rand einer Skipiste. Wer die Pistenmarkierung ignoriert
und in eine Lawine gerät, der kann die Pistenbetreiber nicht dafür
verantwortlich machen.
Energie- und Pharmakonzerne, Krankenkassen, Bahn, Post – fühlen Sie sich ihnen gegenüber nicht wie David und Goliath?
Ich bin kein ängstlicher Mensch und alles andere als duckmäuserisch. Ich
sage jetzt auch nicht «Den Mutigen gehört die Welt!»… Der Grat zwischen
Mut und Tollkühnheit ist schmal. Wollen und Tun ist besser, als beim
Wünschen stehenzubleiben. Aus meinen Jahresberichten der letzten zehn
Jahre wird ersichtlich, dass ich stets zwischen 200 und 300 Millionen
Schweizer Franken einsparen konnte.
Welche Werte zählen für Sie?
Ein zentraler Wert ist die «Liebe». Bei Verhandlungen mit
internationalen Unternehmen kann ich aber nicht mit Liebe kommen, da
spreche ich von «Respekt». Das ist meine Herangehensweise in alle
Himmelsrichtungen. Sie gilt Unternehmen, die Mehrwert schaffen,
Konsumenten, damit sie transparent informiert werden, und Menschen mit
kleinem Budget. Es bedeutet, Respekt erweisen und Respekt einfordern –
von allen die am Wirtschaftsleben beteiligt sind.
Wann und wo tanken Sie auf?
Im Austausch mit meiner Familie, in der Natur. Und wie gesagt, mein Glaube hat für mich einen hohen Stellenwert, er gibt mir Boden: «Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn...» So beginnt das apostolische Glaubensbekenntnis, das ich gern rezitiere. In die Texte der Bibel tauche ich mit Vorliebe per Podcast ein. «Unter Pfarrerstöchtern» kann ich wärmstens empfehlen. Sie lesen die Bibel vom ersten bis zum letzten Buchstaben – ein Buch, das unsere Zivilisation markant geprägt hat.
Dieser Artikel erschein zuerst in der Zeitschrift Hope Emmental.
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Quelle: Hope-Zeitungen