Talk mit Ruth Maria Michel

Das Enneagramm, ein Spiegel der Seele

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Das Enneagramm, auf christlicher Grundlage angewandt, beschäftigt sich mit unserer Wurzelsünde und mit der Heilung unserer Persönlichkeit. Im Talk spricht Ruth Maria Michel darüber.

Sich Gedanken über die eigene Persönlichkeit zu machen ist immer wieder wertvoll. Im Livenet-Talk spricht Chefredaktor Florian Wüthrich mit Ruth Maria Michel (62). Sie arbeitet seit 32 Jahren bei der VBG, seit 2003 als Bereichsleiterin Spiritualität und geistliche Begleitung. Mit dem Enneagramm beschäftigt sie sich schon lange.

Was ist das Enneagramm?

Das Enneagramm ist ein uraltes Modell zur Analyse von Persönlichkeitstypen und findet unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen Verwendung. «Es gibt Seiten, die esoterisch geprägt sind», greift Ruth allfälligen Einwänden vor und spricht von vier Strömungen, die heute verbreitet sind. Gerade in der Literatur seien diese sichtbar. «Im Deutschsprachigen Raum wurde das Enneagramm 1989, durch das Buch von Richard Rohr und Andreas Ebert, bekannt. Unterdessen gibt es mehr als 30 deutschsprachige Enneagramm-Bücher.» Diese Bücher würden sich auf vier verschiedene Schienen aufteilen. Es gibt Bücher, die auf einer biblisch-christlichen Weltanschauung aufbauen. Auf einer zweiten Schiene gibt es die esoterischen Bücher. Eine dritte Schiene sei psychologisch geprägt und in den letzten Jahren wurde das Enneagramm vermehrt auch in der Geschäftswelt angewandt. «Das Enneagramm ist dabei immer dasselbe. Die Unterschiede liegen im weltanschaulichen Zugang. Die einen glauben, dass man alles selbst erarbeiten kann, während Christen wir von einem Erlöser ausgehen. Das ist einer der grundsätzlichen Unterschiede.»

Neun Typen mit verschiedenen Grundsehnsüchten

«Ganz zuerst hilft mir das Enneagramm, mich selbst besser zu verstehen. Es erklärt mir, weshalb ich auf eine gewisse Weise auf Situationen reagiere. Das Verständnis, dass nicht alle Menschen so ticken wie ich, hilft mir dann, auch andere besser zu verstehen.» Durch das Verständnis des Enneagramms könne sie beispielsweise die Andersartigkeit ihres Mannes, und auch ihre Reaktion auf ihn, besser verstehen.

Das Enneagramm zeigt neun Typen auf, welche einer von drei Gruppen zugeordnet sind. Die Typen stehen jeweils miteinander in Verbindung. «Ich bin jetzt der Typ eins», erklärt Ruth. Das beinhalte ein Gespür für Mängel. «Wenn ich beispielsweise einen Raum betrete, fällt mir das schiefhängende Bild sofort auf. Ich sehe, was nicht stimmt und habe das Bedürfnis, es zu korrigieren.» Hinter jedem Typen liege eine Grundsehnsucht. Bei ihr sei es das Bedürfnis nach Vollkommenheit. «Für mich ist dies ein Hinweis, dass wir von einem Schöpfer für eine vollkommene Schöpfung geschaffen wurden.» Da wir aber nicht in einer vollkommenen Welt leben, gibt es innere Konflikte. Bei Menschen ihres Typs gibt es die verbreitete Angst, Fehler zu machen. «Viele werden zu Perfektionisten und zuweilen unerträglich für ihre Mitmenschen.»

Die Wurzelsünde und das Gebet um Gottes Vergebung und Hilfe

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Ruth Maria Michel
Anfänglich glaubte Ruth, zum Typ zwei zu gehören. «Das sind die Hilfsbereiten, die sofort die Bedürfnisse anderer sehen.» Bei jedem Enneagrammtypen wird von einer Wurzelsünde gesprochen. Beim Typ zwei ist es der Stolz. Dass sie diesen bei sich selbst nicht in erwartet ausgeprägter Form ausmachen konnte, glaubte sie lange, es sei einfach ihr blinder Fleck.

In einer Krise merkte sie dann aber, wie sie von unterdrückten Zorn und Ärger bestimmt war. Typisch für Typ eins. «Ich glaube, dass es keinen Tag gibt, an dem ich mich nicht ärgere. Inzwischen habe ich gelernt, dass ich mich nicht selbst «entärgern» kann. Ich kann mich aber an Jesus Christus wenden und ihn um Hilfe bitten.» Sie braucht Vergebung, wenn der Ärger sie schlecht beeinflusst und Gottes Hilfe, um konstruktiv mit dem Ärger umzugehen.

«Das Enneagramm ist eine Hilfe. Aber nicht mehr als eine Hilfe.»

Grundsätzlich besteht bei Persönlichkeitsmodellen die Gefahr, Menschen in Schubladen zu stecken. «Doch genau darum geht es beim Enneagramm nicht. Es geht erstens um Selbsterkenntnis, zweitens ist es ein Instrument der Barmherzigkeit – sowohl mir selbst, wie auch anderen gegenüber und drittens ist es ein Instrument zur Reife und zum Wachstum.» In der VBG arbeiten sie in einem grösseren Rahmen. Ruth spricht von drei «E». «Das erste «E» ist das Evangelium, das uns leitet. Das zweite «E» ist das Enneagramm und das dritte «E» sind die Exerzitien – also geistliche Übungen.» Das alles gehört zusammen. «Das Enneagramm ist eine Hilfe, um sich zurechtzufinden. Aber nicht mehr als eine Hilfe.»

Enneagramm und Corona

Unterschiedlichen Wahrnehmungen in der Coronakrise seien oft anhand der Enneagramm-Typen zu erklären. Ruth hält aber fest, dass sich damit längst nicht alles erklären lasse. Trotzdem beschreibt das Enneagramm Typen, die beispielsweise überall nach schlechten Motiven Ausschau halten oder solche, die mit Entschiedenheit vom Guten ausgehen. Und diese Typen sind in aktueller Zeit tatsächlich gut erkennbar.

Grundsätzlich sei es oft schwierig, Menschen, die aufgrund ihres Enneagramm-Typs (oder auch aus ganz anderen Gründen) anders ticken, zu verstehen. Hier wiederholt Ruth mehrmals den Satz, der ihr zum Motto geworden zu sein scheint. «Ich verstehe ihn zwar nicht, aber ich will ihn stehen lassen.» Oder: «Ich verstehe seine Ansicht nicht, aber ich will sie stehen lassen.»

Sehen Sie sich hier den ganzen Livenet-Talk an:

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Datum: 12.01.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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