Emmental

Mehr Zugänge zur Welt der Täufer

Das Täuferjahr 2007 im Emmental erhellt einen düsteren Teil der Schweizer Geschichte und hebt den verbindlichen, oft kompromisslosen Glauben der Täufer ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Bücher erlauben die individuelle und vertiefte Beschäftigung mit einer versunkenen Wirklichkeit, die uns doch nicht los lässt. - Eine kleine Rundschau.

Zum Täuferjahr 2007 erscheinen mehrere wissenschaftliche Werke. Die Ringvorlesung an der Berner Universität im letzten Winter schlug einen Bogen von der Geschichte zur Gegenwart. Der von Rudolf Dellsperger und Hans Rudolf Lavater herausgegebene Band "Die Wahrheit ist untödlich" über die Berner Täufer versammelt unterschiedliche Beiträge, die auch heutige Gestalten des Täufertums im Kanton und weltweit beleuchten ( Besprechung ).

Von den Quellen über Berner Täufer sind erst drei öffentliche Disputationen wissenschaftlich ediert worden. Dieses Jahr sollen die weiteren relevanten Quellen (bis 1560) in einem Band erscheinen. Die Täufer selbst zu Wort kommen lässt der Berner Theologe Paul Hostettler. Er hat die "Apologia der Widertäufer", um 1570 verfasst, in heutiges Deutsch übertragen, ebenso die Schrift "Vom apostolischen Bann", die Menno Simons zugeschrieben wird. Der Schweizerische Verein für Täufergeschichte hält auf seiner Homepage eine Chronologie der Berner Täufer bereit.

Grundlegendes Werk über Zürcher Täufer

Zürcher Historiker und Theologen um Urs B. Leu und Christian Scheidegger haben die Geschichte der Zürcher Täufer 1525-1700 unter die Lupe genommen - das erste Mal überhaupt in dieser Form. Die acht Beiträge führen von der Frühzeit unter Zwingli über Bullinger, die Hutterer und Schwenckfeld-Anhänger zum Märtyrer Hans Landis und den niederländischen Interventionen im 17. Jahrhundert. Ebenfalls aus der Nähe von Zürich stammte Heini Funck; der Mennonitenhistoriker Hanspeter Jecker vermutet, dass sein Wirken im Emmental Spannungen provozierte, die sich in der Abspaltung der Amischen entluden. Der 420-seitige, mit zahlreichen Anmerkungen und einigen Abbildungen versehene Band zeigt, wie es nach viel Repression zur Eliminierung der täuferischen Gemeinschaften im Staate Zürich kam ( mehr )

Dokumente eines historischen Tages

Die Zürcher reformierte Kirche und die Stadt Zürich haben an einem Begegnungstag mit Täufern im Juni 2004 (im Rahmen des Gedenkjahrs für den Reformator Bullinger) das Unrecht der Verfolgung anerkannt und eine Gedenkplatte eingeweiht. Ein schmales Bändchen, vom Reformationshistoriker Pfr. Michael Baumann herausgegeben, versammelt unter dem Titel "Gemeinsames Erbe - Reformierte und Täufer im Dialog" die Ansprachen jenes Tages samt dem ‚Bekenntnis' von Kirchenratspräsident Pfr. Ruedi Reich, das er mit dem Satz begann: "Reformierte Kirchen und Täuferbewegung sind Zweige desselben evangelischen Astes am grossen christlichen Baum."

Zum Riss, der von Anfang an durch die Reformationsbewegung ging, und dem gemeinsamen Erbe äussern sich Vertreter beider Seiten (Peter Dettwiler, Hanspeter Jecker). Sie prüfen auch, was Schritte zur Versöhnung der lange getrennten Kirchen bedeuten können. Das Büchlein (ISBN 978-3-290-17430-9) soll in diesen Wochen auch in englischer Übersetzung erscheinen. Zu diesem Thema hat die Zürcher Landeskirche auch eine eigene Homepage gestaltet.

"Brüder in Christo"

Die Schrift, die der unvoreingenommenen Beschäftigung mit der Täufergeschichte im reformierten Zürich die Bahn brach, ist auch wieder erhältlich: Der Zürcher Professor für Kirchengeschichte Fritz Blanke beschrieb 1995 unter dem programmatischen Titel "Brüder in Christo" die Geschichte der ersten Täufergemeinde in Zollikon, den Bruch mit Zwingli nach 1523. Das Büchlein ist vom Winterthurer Schleife Verlag 2003 neu aufgelegt und seither ins Englisch und Französische übersetzt worden.

Glaube und Taufe - ganz persönlich

Als Teil seiner eigenen Biographie erlebt der Berner Pfarrer Paul Veraguth die Täufergeschichte. Unter dem Titel "Heile unser Land" gab er im Hinblick auf die Schleife-Konferenz im Mai 2003, die Versöhnung zwischen Täufern und Reformierten zu stiften suchte, eine Einführung in die Geschichte der Täufer.

Wenn die Tradition abbricht…

In einem zweiten Buch "Sag mir wo die Blumen sind" greift Veraguth die Frage der Wiedertaufe auf: Mehr Menschen haben heute das Verlangen, ihren Glauben an Jesus noch einmal mit der Taufe zu bekräftigen. Wie geht die Kirche damit um, die auf "eine Taufe" (Epheser 4) verpflichtet ist und seit Jahrhunderten die Kindertaufe praktiziert? Das traditionelle System bekommt in den Augen des Autors tiefe Risse. Veraguth meint, dass durch diese Risse in der gewohnten Tauftheologie und -praxis neues Leben in die Kirche fliessen kann ( Leseprobe ).

Das Feuer wieder entzünden

Ben Girod ist einer der wenigen Amischen, die sich in innerer Freiheit zu ihrer Tradition bekennen, ohne in der üblichen antimodernistischen Gesetzlichkeit zu verharren. Seinen Weg schildert er im Buch "Im Feuer getauft" . Der amische Gemeindeleiter erzählt, wie er missverstanden und ausgestossen wurde und weiterziehen musste. Und wie Jesus Christus ihm in alledem begegnete und ein versöhnendes Wirken schenkte ( Leseprobe ).

Vielschichtige Taufe

Ebenfalls auf der Erfahrungsebene nähert sich die katholische Zeitschrift ‚Ferment' dem Thema Taufe. In einer Sonderausgabe "getauft und gesegnet" , die mit grossformatigen Schwarzweiss-Bildern beeindruckt, ist die Taufe aus katholischer, reformierter und täuferischer Sicht dargestellt; es folgen Texte und meditative Gedichte, die das Spannungsfeld Bekenntnistaufe-Kindertaufe beleuchten.

Täuferische Stätten in der Deutschschweiz…

Reisende, die täuferische Gedenkstätten aufsuchen wollen, können seit Frühjahr zum "Täuferführer der Schweiz" greifen, den die Mennoniten Markus Rediger und Erwin Röthlisberger im Auftrag ihrer Gemeinden verfasst haben. Die täuferischen Kirchen (auch Neutäufer ETG) werden kurz vorgestellt und Stichworte zu ihrer Geschichte gegeben. Auf 40 Seiten finden sich bekannte und unbekannte Gedenkstätten, Häuser und Versammlungsorte der Deutschschweiz, mit Fotos ( mehr ).

Viel materialreicher sind die zwei grossformatigen Bände des US-Mennoniten Sam E. Wenger, die 2006 bei Masthof Press in Pennsylvania erschienen sind. Der eine zeigt die Städte Zürich und Bern aus der Perspektive der Mennoniten aus Übersee, der zweite führt zu zehn wichtigen Stätten der täuferisch-reformierten Geschichte (ISBN 1-932864-65-2 und 1-932864-73-3).

… und ein dreisprachiger Kalender

Die Veranstalter des Täuferjahrs im Emmental haben in einem Bildkalender für 2008 "Auf den Spuren der Täufergeschichte" Wissenswertes über die Täufer zusammengetragen. Dreisprachig ist von der Gestalt des Täufertums und der Verfolgung die Rede; an Hand des Haslibacher Lieds wird die Bedeutung des Singens im mennonitischen Gottesdienst erläutert. Der Täuferjahr-Koordinator Fritz von Gunten schlägt den Bogen zum Täuferjahrlied mit dem Refrain:

"Mitenand zum Gloube stah
Brügge boue, nadisnah
Hoffnig, Freud u Läbe teile
Alti Wunde dörfe heile".


Datum: 05.07.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch