Späte Begegnung
Berner Reformierte und Täufer
Die Jura-Mennoniten Nelly Gerber und Michel Ummel sowie Samuel Lutz und Andreas Zeller, Präsident und Theologie-Verantwortlicher des Synodalrats, blickten vor 70 Personen auf die jüngere Geschichte der Beziehungen zwischen Berner Reformierten und Täufern zurück. Nach einem Versöhnungsgottesdienst in der Nydeggkirche 1988 (450 Jahre nach der Berner Täuferdisputation) wurde das Band im April 2005 mit einem feierlichen Abendmahlsgottesdienst im Berner Münster bekräftigt. Auf diesem Boden gehen die Reformierten in das Emmentaler Täuferjahr, das sie nicht initiiert haben.
„Was wir voneinander nicht wissen“
Andreas Zeller, der mit Lutz der Ende 2005 gebildeten reformierten Arbeitsgruppe angehört, skizzierte die Beiträge der Landeskirche zum Täuferjahr. Bei den Begegnungen im Vorfeld habe es sich gezeigt, „was wir alles voneinander nicht wissen“. Die Berner Kirchenleitung nahm die täuferischen Freikirchen im Kanton (Mennoniten, Taufgesinnte, Baptisten) erstmals in ihrer Vielfalt wahr. Es gehe in einem solchen Prozess darum, die eigene Identität zu bestimmen, jene des Andern wahrzunehmen und drittens festzuhalten, was verbindet und was trennt, sagte Zeller.
Dank für Vergebung
Sichtlich bewegt schilderte Samuel Lutz Besuche bei Täufergemeinden in Langnau und Les Mottes. Es gehe darum, „einander mit neuen Augen zu sehen“. Viele tausend täuferisch gesinnte Menschen wurden zwischen 1530 und 1750 verfolgt, bestraft, in die Armut getrieben, verbannt oder hingerichtet. Der Synodalrat habe vor Jahren die Geschichte von Schuld eingestanden, sagte Lutz aber nicht bloss urteilen wollen, denn „unsere Eltern sind auch Eltern im Glauben“. Der Berner Synodalratspräsident dankte den Täufern herzlich für die Vergebung. 1988 sei man in einen gleichberechtigen Dialog eingetreten. „Wir brauchen nicht in Lehrfragen einig zu sein, um in Christus eins zu sein“, hielt Lutz fest.
Doppelter Erfahrungsschatz
In den Gesprächen, die seit dem letzten Jahr stattfinden, werden laut Zeller auch theologische Aspekte aufgearbeitet. Nelly Gerber meinte, die beiden Kirchen hätten eine gleich lange Erfahrung in Gottesdienst und Diakonie. Beide stünden vor ähnlichen Herausforderungen: „Menschen Heimat bieten, Orientierung geben und zum Engagement auffordern“. Die Katechetin, die seit zehn Jahren auch predigt, betonte, es komme auf Freundlichkeit und Verlässlichkeit an. Mit der Feier im Münster sei die Mennonitenkirche von den Reformierten als Schwester anerkannt worden: „spät, aber nicht zu spät“.
Ein Ameisenhaufen
Lutz regte an zu prüfen, inwiefern Probleme, „die damals Entzweiung bewirkten, heute zum gemeinsamen Zeugnis führen könnten“. Nelly Gerber führt oft Besucher zu den Stätten und Gottesdienstorten der Mennoniten im Jura. Sie brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Täufer auch in diesem Jahr „wahr bleiben“, der Versuchung, eine Idylle vorzustellen, widerstehen. Und dass sie etwas von der Radikalität der ersten Täufer wiedergewinnen. Michel Ummel sieht das Täuferjahr als Chance, über den Glauben zu sprechen. Er mahnte gegenseitigen Respekt zwischen den beiden ganz ungleichen Kirchen (600 000 und 2000 Glieder) an und meinte, diese sollten wie Ameisen in einem Haufen fleissig zusammenarbeiten.
Die Vergangenheit zurückbringen
Fleiss beweisen in diesen Wochen jedenfalls die Kirchenhistoriker: Die Vorträge der von Prof. Rudolf Dellsperger organisierten Ringvorlesung(Berner Täufer in Geschichte und Gegenwart) sollen bereits im März, zur Eröffnung des Täuferjahrs, als Buch vorliegen, und auch der lang erwartete Quellenband über die Berner Täufer bis 1560, herausgegeben von Martin Haas und Hans Rudolf Lavater, wird bald erscheinen.
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch