Schaufenster und Expedition
Emmentaler Täuferjahr 2007
„Es ist eine belegte Tatsache, dass die Täufer im Alten Bern verfolgt, vertrieben, enteignet, eingekerkert, ja hingerichtet wurden.“ In seinem Vorwort zur 68-seitigen Programmbroschüre des Täuferjahrs spricht Franz von Graffenried, Präsident der Burgergemeinde Bern, knapp aus, was dem Emmental und angrenzenden Regionen über Generationen tiefe Wunden schlug. Wunden, die bleibende Prägungen hinterlassen haben dürften. Diese wollen die Organisatoren des Täuferjahrs ins Bewusstsein heben und ins Gespräch bringen.
Bunte Vielfalt
Laut der Berner Zeitung „interessiert das Thema weitherum“. Zum bunten Programm tragen Dutzende von Vereinen und Arbeitsgruppen, Kirchgemeinden und politischen Gemeinden bei. Täufer und Reformierte, Glaube und Gemeinschaft, Staat und Minderheiten, Alltag und Kultur: all dies wird aus zahlreichen Blickwinkeln thematisiert, mal geschichtsbewusst, mal aktualitätsbezogen.
Da gibt es, wie man im Bernbiet sagt, „auer Gattig“ (die verschiedensten) Anlässe: vom Schauquilten und Lesungen über Täuferfilme, amische Spielnachmittage und Wanderungen auf Täufer-Spuren bis hin zu Referaten über Täuferglauben und Hof- und Familienforschung. Der führende mennonitische Historiker Hanspeter Jecker hält diverse Vorträge über die Leute, die damals etwa als „landtsverderbliche Lätzköpffe“ angeschwärzt wurden. Aus den Anlässen heraus ragt die Wanderausstellung „getauft und gesegnet“, die an einem Dutzend Orten gezeigt wird.
Willkomm für Nachfahren der Verfolgten
Mit dem Täuferjahr soll nicht bloss das Selbstverständnis der Emmentaler erforscht, sondern auch die Region selbst als Wiege einer international ausstrahlenden religiösen Bewegung ins Licht gerückt werden. Neben von Graffenried gehören auch der holländische Botschafter in Bern Edo Hofland und der US-Kulturattaché dem Patronatskomitee an. Im 16. und 17. Jahrhundert fanden viele aus dem Berner Hoheitsgebiet vertriebene Täufer (Mennoniten und Amische) Aufnahme in den Niederlanden und jenseits des Atlantiks.
Landeskirche herausgefordert
Das Täuferjahr steht unter dem Motto „Die Wahrheit solt bezüget werden“ – ein Zitat aus der ersten Berner Kirchenordnung von 1532. Die Initianten, die Emmentaler Kultur- und Tourismusförderer Fritz von Gunten und Peter Pfister, wollen die Vergangenheit öffentlich, volksnah und differenziert aufarbeiten, mit Einbezug des religiösen Kernthemas Taufe und Bekenntnis. Dafür haben sie die Berner reformierte Kirche ins Boot geholt – nach vernehmlichem Widerstreben. Denn sie wird in ihrem Selbstverständnis als stolze, staatsnahe Kirche hinterfragt.
Wieviel Vergangenheit braucht die Zukunft?
Wie der Präsident des Synodalrats, Samuel Lutz, vor einem Jahr bei der Vorbereitungstagung sagte, soll das Täuferjahr der Begegnung dienen – und der Versöhnung. „Darauf wollen wir uns schon heute einstellen, nicht zu lieb, nicht zu ruch, sondern offen und wahrheitsgetreu.“ Der zuständige Synodalrat Andreas Zeller erläuterte nun, ein Jahr später, es gehe in den geplanten Gesprächen zwischen Täufern und der Landeskirche nicht darum, in der Vergangenheit zu grübeln und unterschiedliche Auffassungen zu bereinigen. Man wolle vielmehr in die Zukunft blicken. Die Landeskirche beteiligt sich mit 120 000 Franken an den Projektkosten des Täuferjahrs, die eineinhalb Millionen übersteigen.
Brian Doerksen im Emmental
Im Vergleich zu früheren Emmentaler Veranstaltungsreihen (Bauernkriegsjahr 2003, Gotthelf-Jahr 2004) geht es laut Fritz von Gunten diesmal um mehr: um Kontakte mit Menschen, die heute leben. Er betonte vor den Medien, bereits in der Vorbereitung hätten sich Stadt und Land – die Emmentaler bejammern nicht selten ihre Randlage – verstärkt miteinander befasst.
Offiziell eröffnet wird das Täuferjahr am 24. März in der Kirche Langnau. Am 29. Juli kulminiert es in der Eishalle des Emmentaler Hauptorts in einem Abschlussgottesdienst. Doch bis in den Spätherbst laufen Aktivitäten weiter. Ins Programm gerutscht ist auch ein musikalisches Highlight: Der weltweit bekannte Lobpreismusiker Brian Doerksen, der selbst täuferische Wurzeln hat, wird am Bettagswochenende am Openair Trachselwald auftreten – unweit des Schlosses, das mit seinen Verliesen das Symbol der Täuferverfolgung ist.
Mennoniten im Schaufenster
Die Freikirche der Mennoniten zählt in der Schweiz 2500 getaufte Glieder; ein starkes Netz von Gemeinden findet sich auf den Berner Jurahöhen. Im Emmental gibt es bloss eine Täufergemeinde, die sich auf die Reformationszeit zurückführt. Dementsprechend machen sich die Langnauer auf deutlich mehr Besucher aus den USA gefasst. Bei allem Treiben setzen sie einen eigenen Akzent: Sie wollen in einem grossen Chor mit Mennoniten von weither im September Händels „Messias“ aufführen.
Sie hätten diesen Fensterplatz nicht gesucht, sagte der Langnauer Prediger Martin Hunziker vor den Medien. Aber weil seine Gemeinde auf einen Erfahrungsschatz zurückblicken könne, der zeige, dass die Botschaft von Jesus Christus in alle Schichten des Lebens dringt, habe sie den Mut, ins Täuferjahr einzusteigen. Versöhnung solle nicht nur ein Gesprächsthema sein, sondern gelebt werden.
Livenet begleitet das Täuferjahr mit Berichten und Hintergrundartikeln.
Offizielle Webseite zum Täuferjahr
Die Zürcher Reformierten und die Täufer: Begegnungstag 2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch