Die Heilkraft der Dankbarkeit
«Man kann nicht zu viel in Dankbarkeit investieren»
Seit 20 Jahren forscht Professor Robert A. Emmons zum Thema Dankbarkeit. Seine Ergebnisse präsentierte er kürzlich an der achten Europäischen Konferenz zu Religion, Spiritualität und Gesundheit (ECRSH).
An der Konferenz, die vom 2. bis 4. Juni 2022 in Amsterdam stattfand, betonte der amerikanische Psychologieprofessor, die Heilkraft der Dankbarkeit habe auch in der Medizin «einige Beachtung auf sich gezogen». Viele Studien hätten in den letzten Jahren «die Wirkungen von Dankbarkeit auf die Gesundheit überprüft und dazu Messmethoden zur Feststellung von Gesundheit und Krankheit verwendet, die dem neuesten Stand entsprechen, z.B. Biomarker». Klinische Untersuchungen weisen laut Emmons darauf hin, dass «Dankbarkeit Blutdruck verringern, Immunfunktionen verbessern und gesünderen Schlaf fördern kann». Dankbarkeit verringere zudem das Lebenszeitrisiko für Depression, Angststörungen und Substanzmittelabhängigkeiten. Sie sei im Weiteren ein Schlüsselfaktor für die Suizidprävention.
Laut Emmons hat Dankbarkeit auch einen Einfluss auf die Herzgesundheit. Dankbare Menschen tun laut dem Psychologen mehr für ihre Fitness, zeigen ein besseres Ernährungsverhalten, neigen seltener zu Rauchen und Alkoholmissbrauch und sind empfänglicher für die Wirkung von Medikamenten. «Schlicht gesagt: Dankbarkeit ist eine gute Medizin.»
Eigene Studien zu Dankbarkeit
Seine Ergebnisse basieren zu einem guten Teil auf eigenen Studien. Dazu teilte er die Probanden in drei Gruppen ein: «Die erste Gruppe wurde ermutigt, sich dankbar zu fühlen, die zweite Gruppe sollte sich auf Negatives konzentrieren und klagen, während die dritte Gruppe neutral blieb, um dadurch einen Vergleichspunkt zu den beiden anderen Gruppen zu bilden.» Das Experiment dauerte zehn Wochen, wobei jede Gruppe pro Woche einen Bericht abgab.
Am Ende der zehn Wochen wurden die Ergebnisse verglichen. Dabei wurde klar: Die Teilnehmer mit der dankbaren Haltung fühlten sich besser im Blick auf ihr Leben als Ganzes und sie waren optimistischer im Blick auf ihre Zukunft als die Teilnehmer in den beiden anderen Gruppen. Wer mit der Dankbarkeit gelebt hatte, klagte weniger über seine Gesundheit und tat mehr für seine Fitness als die Teilnehmer in den Kontrollgruppen. Die Probanden der Dankbarkeitsgruppe erlebten zudem weniger körperliche Symptome als die Probanden der beiden anderen Gruppen.
Robert A. Emmons bilanziert: «Wir fanden die wissenschaftliche Bestätigung dafür, dass Menschen, die sich regelmässig damit beschäftigen, Dankbarkeit zu kultivieren, eine Bandbreite messbarer und nachhaltiger Vorteile psychischer, physischer, interpersoneller und spiritueller Art erfahren: Gesundheit, das Gefühl von Ganzheit und Wohlbefinden und mehr Zufriedenheit in den Beziehungen. So bestätigt sich, man kann wirklich nicht zu viel in Dankbarkeit investieren.»
Schon bei Bonhoeffer ein Thema
Emmons zitierte dazu Dietrich Bonhoeffer, der sich unter schwierigen Umständen zum Thema äusserte: «Im normalen Leben wird es einem oft gar nicht bewusst, dass der Mensch unendlich mehr empfängt, als er gibt, und dass Dankbarkeit das Leben erst reich macht. Dankbarkeit hebt empor, energetisiert, inspiriert, transformiert. Ohne Dankbarkeit kann das Leben einsam, deprimierend und verarmend sein. Angesichts von Demoralisierungen ist Dankbarkeit die Kraft des Ansporns. Angesichts von Gebrochenheit hat sie die Kraft zur Heilung. Angesichts von Verzweiflung hat Dankbarkeit die Kraft, Hoffnung zu bringen.»
Aufgaben einer nächsten Generation
Der nächsten Generation der Dankbarkeitsforschung liegen laut Professor Emmons noch grosse Fragen vor, wie zum Beispiel: Gibt es einen natürlichen menschlichen Impuls, Dankbarkeit auszudrücken – anderen gegenüber, der Natur, oder Gott? Werden wir dankbar unser Leben führen können – als Einzelpersonen, aber auch als Gesellschaft? Und was wird das für die Qualität unseres eigenen Lebens bedeuten, für das Leben der Menschen um uns herum, und für unseren Planeten? «Um Fragen wie diese zu beantworten, werden wir wahrscheinlich ein tief gehendes gemeinsames Engagement von Praktikern, Forschern und Interessenvertretern benötigen – ja, von jeder einzelnen Person mit Interesse und Verständnis für den Sinn gelingender, blühender Menschlichkeit.»
Weitere Beiträge der diesjährigen Konferenz
Themenschwerpunkt der Konferenz war Psychische Gesundheit und Spiritualität, konkret «Religiöse, spirituelle und existenzielle Aspekte in der psychischen Gesundheitsversorgung» (Mental Health Care). Die Referentinnen und Referenten der Hauptveranstaltungen kamen aus Belgien, Deutschland, England, Finnland, den Niederlanden, Österreich, Schweden und den USA und gehören zum Kreis der Fachpersonen, die derzeit im Forschungsbereich des Konferenzthemas international führende Positionen einnehmen. Hierzu zählten Prof. Robert Emmons, Prof. Harold Koenig, Prof. Rania Awaad, Prof. David Rosmarin aus den USA und Prof. Christopher Cook, Prof. Siebrecht Vanhooren, Prof. Alfried Längle und Prof. Samuel Pfeifer aus dem europäischen Kontext.
Die Aufzeichnungen der Beiträge können auf der Konferenzwebseite nachverfolgt werden. Organisiert wurde die Konferenz von einem Komitee unter der Leitung des Schweizer Arztes und Universitätsdozenten René Hefti, Leiter des Forschungsinstituts für Spiritualität und Gesundheit in Langenthal.
Zum Thema:
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Autor: René Hefti / Robert Emmons / Fritz Imhof
Quelle: FISG / Livenet