Prädikat «gelungen»

Der Zwingli Film überzeugt

Schweizer Filme vermögen nicht immer zu überzeugen. Der neue und teuerste Schweizer Film mit Regisseur Stefan Haupt macht eine Ausnahme.

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Max Simonischek als Ulrich Zwingli (Bild: zwingli-film.com)
Im propenvollen «Fricks Monti» präsentierte die Drehbuchautorin Simone Schmid, selbst eine Fricktalerin (ich habe meinen ersten Film in diesem Kino gesehen), den neuen Film über den Zürcher Reformator und stellte sich danach den Fragen des Publikums.

Unsensationell

Der Film konzentriert sich auf die wesentlichen Themen und Ereignisse rund um die Reformation in Zürich: Den neuen Umgang mit der Bibel als alleiniger Quelle von Glauben und Leben, das Fastenbrechen im Hause Froschauer, die Zürcher Disputation und die Spannungen mit dem Bischof von Konstanz, der Bildersturm und die unheilvolle Auseinandersetzung mit den Täufern und der Tauffrage bis zum Ertränken von Felix Manz.

Einen breiten Raum nimmt die Liebe zu Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) ein. Die Themen Sex und Gewalt sind ebenfalls präsent, werden aber nicht populistisch eingesetzt. Auf die mögliche Schlachtszene im zweiten Kappeler Krieg wird verzichtet und lediglich die zurückkehrenden Verwundeten gezeigt. Umso eindrücklicher wird die Übersetzungsarbeit für die Zürcher Bibel inszeniert, mit einer Diskussion über die beste Übersetzung des ersten Verses im Johannes-Evangelium.

Sozial

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Szene aus dem Zwingli Film
Einen hohen Stellenewert nehmen dagegen die von Zwingli (gespielt von Max Simonischek) initiierten sozialen Reformen ein. Der Film-Zwingli kümmert sich persönlich um Arme, Pest-Erkrankte und Randständige. Mit dem Verkauf von Kirchen- und Klosterschätzen werden Suppenküchen, Krankenhilfe und Ausbildung von armen Kindern finanziert. Hier sind die ersten Schritte zum Sozialstaat sichtbar. Wie weit weg davon die Zürcher Verhältnisse trotzdem waren, zeigt der Film, wenn er nach dem Tod Zwinglis seine Witwe Anna zusammen mit den Kindern in der Warteschlange der Armenspeisung zeigt.

Erfolgreich – und hilflos

Zwingli wird nicht als unfehlbarer Held dargestellt, sondern trotz seines Wagemuts sehr menschlich und auch fehlerhaft. Er steht auch zu seinen Fehlern wie etwa zur Affäre in Einsiedeln, wo er mit einer Prostituierten ein Kind zeugte. In der Auseinandersetzung mit den Täufern findet er keine Lösung und schaut hilflos zu, wie Manz ertränkt wird. Auch der Versuch, sich als Kriegsheld zu beweisen («tut um Gottes Willen etwas Tapferes»), scheitert brutal.

Der Verlauf der Zürcher Reformation hat ihn letztlich – bei allen Erfolgen und Verdiensten – menschlich überfordert. Schön wird dabei auch der dauerpräsente Mitkämpfer und Berater von Zwingli, Leo Jud (Anatole Taubmann), dargestellt. Er ergänzt Zwingli ideal.

Konzentriert

Simone Schmid verriet in der Fragerunde, dass der Film erst nach der fünften Fassung des Drehbuchs produziert wurde. In der Schlussfassung habe sie noch einige historische Ereignisse, die ursprünglich vorgesehen waren, herausgekürzt. Wer den Film gesehen und keine detaillierten Kenntnisse der Zürcher Reformationsgeschichte besitzt, wird diese Begebenheiten im Film aber kaum vermissen.

Schonungslos

Eine Herausforderung kann der Film allerdings für Katholiken sein, denn der Missstand der damaligen Kirche mit ihrem Prunk und Reichtum – bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Armen und Kranken – wird schonungslos aufgezeigt. Die Drehbuchautorin weiss deswegen von einem Kirchenaustritt in ihrer Bekanntschaft.

 

Zur Webseite:
Zwingli Film

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Datum: 17.01.2019
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

Kommentare

Dieser Zusammenfassung gibt es inhaltlich nichts Wesentliches beizufügen. Da ich zu Beginn dieses Filmprojektes eher kritische Erwartungen hatte, möchte ich allen Skeptikern raten: Schaut euch diesen Film ruhig an, er hat auch als moderne Schweizer Produktion nichts Provinzielles oder Abgehobenes an sich. Die Dialoge sind klar und bringen die Sache auf den Punkt, die Handlung wird kontinuierlich vorangetrieben. Mit den überzeugenden schauspielerischen Leistungen und der Szenerie (Zürich vor 500 Jahren!) für mich einer der allerbesten Schweizer Filme. Über einige zu moderne Ausdrücke in den Dialogen und den postmodernen Schlusssatz von Anna Zwingli-Reinhart kann man grosszügig hinwegsehen.

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