Pfarrer Sieber im Nobelhotel

Weihnachten mit Randständigen

Ein üppiges Buffet hat am 9. Dezember in Zürich rund 600 Randständigen den Advent versüsst. Das Hotel Marriott und Pfarrer Ernst Sieber luden zur jährlichen Obdachlosen-Weihnacht. Und das Team im Nobelhotel hatte alle Hände voll zu tun. Eine Reportage.

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Pfarrer Sieber mit einem Gast im Hotel Marriott
Die zahlreichen runden Tische füllen sich im Nu, als die grossen Türen der beiden Ballsäle im Hotel Marriott geöffnet werden. Junge und alte Menschen strömen hinein – auch Frauen mit Kindern sind dabei. Man kennt sich, umarmt sich, ruft einander quer durch den Saal zu und lacht fröhlich.

«Es ist für mich jedes Jahr wieder eine Sternstunde», sagt Pfarrer Ernst Sieber am Rand der Feier. «Ich freue mich, alle meine Freunde hier zu treffen und mit ihnen zu feiern.» Er wolle diese Leute in die Gesellschaft aufnehmen. Ihnen zeigen, dass sie hier willkommen sind, sagt der Pfarrer.

Der 85-Jährige kommt nicht vorwärts im Saal. An jedem Tisch will ihn jemand begrüssen. Er kennt die meisten mit Namen. «Es ist jedes Jahr eine so schöne Stimmung», sagt Sieber. «Es gab noch nie Krach und auch das Silberbesteck ist bis jetzt noch immer zurückgeblieben.»

Hoteldirektor im Service


Auch die Mitarbeitenden des Hotels begrüssen zwischendurch Leute wie alte Bekannte. Mitten unter ihnen serviert auch Hoteldirektor Daniel Lehmann. Nach dem Motto «Spirit to Serve» unterstützen die Marriott Hotels weltweit soziale Projekte. Vor acht Jahren habe man ein lokales Projekt in der Stadt Zürich gesucht, sagt Lehmann. «So sind wir auf Pfarrer Sieber gekommen und haben ihn gefragt, ob er mit uns diese Weihnachtsfeier organisieren wolle.»

Das Hotel stellt Raum und Verpflegung kostenlos zur Verfügung. «Der Anlass ist ein Geschenk des Hauses», sagt der Hoteldirektor. Die Mitarbeitenden – rund 60 an diesem Tag – arbeiten freiwillig und ohne Entgeld. Lehmann schätzt die Kosten für den Anlass auf rund 20'000 Franken ohne Personal.

Zwischendurch bellt ein Hund


Während im Saal Pfarrer Sieber seine Schäfchen begrüsst und mit einer Samichlaus-Einlage sich selber parodiert, werden draussen üppige Buffets aufgebaut. In vierfacher Ausführung gibt es lange Tische mit einem abwechslungsreichen Angebot an Vorspeisen, Hauptspeisen und Desserts. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Drinnen singt der Pfarrer «Mis Dach isch dr Himmel vo Züri» und viele der Gäste stimmen ein. Später folgen «Stille Nacht» und «Oh du fröhliche», denn: «Wir feiern hier zusammen Weihnachten», ruft Sieber. Zwischendurch pfeift jemand laut, immer wieder bellt unter einem Tisch ein Hund.

Der Lärmpegel ist hoch – auch später am Buffet. Es gibt Salate, Gemüse, Reis, Spätzli, Teigwaren. Das Angebot an Fleisch ist für manche überwältigend. «Ich esse sonst nie Fleisch», sagt etwa Reto, als er gefragt wird, ob es lieber Rinds- oder Kalbsbraten oder vielleicht Roastbeef sein soll.

Sabina hat sich schon den ganzen Morgen auf das Dessertbuffet gefreut. Sie lässt die ersten Gänge drum gleich weg und bedient sich bei den Süssigkeiten. «Nachher bin ich wieder weg», sagt sie. Andere freuen sich auf das weitere Programm mit einer Jazz-Band, Volksmusik und einem Theater.

Vom Buffet bleibt am Schluss nichts zurück. Das Hotelpersonal hält Plastikbehälter bereit, damit die Bedürftigen das übriggebliebene 5-Sterne-Essen mitnehmen können. «Weggeworfen wird nichts.»

Webseite:
Stiftung SWS

Zum Thema:
Sieber bei Schawinski

Datum: 11.12.2012
Autor: Luzia Schmid
Quelle: ref.ch

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