Evangelische Kirchen in Europa
Sterbehilfe theologisch nicht rechtfertigbar
Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (Geke) veröffentlichte eine Orientierungshilfe zu Fragen am Lebensende. Die Geke-Kirchen wenden sich gegen eine theologisch-ethische Rechtfertigung von Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung. Zugleich nehmen sie den Wandel der gesellschaftlichen Haltung gegenüber bestimmten Formen der Sterbehilfe und der Suizidhilfe wahr, heisst es in einer Medienmitteilung.Die Broschüre «A time to live and a time to die» sieht sich als Orientierungshilfe zur medizinischen Sterbehilfe und zur Beihilfe zum Suizid. Das Leben als Geschenk des Schöpfers muss verteidigt werden, heisst es darin. Jedem, der eine schwere Leidenszeit durchgehe, müsse beigestanden werden. Es sei nicht statthaft, moralische Entscheide zu treffen, die den christlichen Glauben untergraben.
Dieser verpflichte dazu, alles zu unternehmen, um Leiden zu lindern und jenen beizustehen, die in ihrem letzten Lebensabschnitt mit Leid und Verzweiflung kämpfen. Ärzte und Pflegepersonal werden aufgerufen, ihre Anstrengungen in der palliativen Pflege zu verstärken. Familienangehörige und Freunde werden aufgerufen, sich Zeit für die Begleitung der Betroffenen zu nehmen. Seelsorgende müssen die Begleitung Sterbender als «zentralen Teil ihres Auftrags» sehen.
Kirchen müssen ihre Stimme erheben
Die Pflege von Menschen und deren geistliche Begleitung sind ein bedeutender Teil von «Kirche sein», heisst es im Dokument weiter. Die Kirchen werden aufgerufen, in der zivilen Gesellschaft ihre Aufgaben wahrzunehmen und ihre Stimme zu erheben, wenn «legale Barrieren, welche das Leben schützen, niedergerissen werden». Die Kirchen müssten sich anwaltschaftlich dafür einsetzen, dass in Spitälern und Hospizen die beste wirtschaftliche Basis für die Pflege jener, die mit dem Tod kämpfen, gegeben ist. Sie müssten für eine Gesellschaft einstehen, welche ein erfülltes Leben für alle ermöglicht, einschliesslich jener, die vor dem Tod stehen.
Die Broschüre ist das Ergebnis eines Konsultationsprozesses der 105 Mitgliedskirchen in dreissig Ländern auf der Grundlage eines Textes des Fachkreises Ethik der Geke. Mit dem nun vorgelegten Dokument bringen die evangelischen Kirchen in Europa ihre Position in die Diskussionen um einen würdigen Umgang mit dem Lebensende ein, heisst es in der Medienmitteilung.
«Grundlegende Fragen des Sterbens»
«Es ist eine Stärke des Protestantismus in Europa, Differenzen ernst zu nehmen und zu Wort kommen zu lassen», sagt Geke-Präsident, der Schweizer Thomas Wipf, zu dem Dokument.
Die 104-seitige Broschüre erörtere «grundlegende Fragen des Sterbens im gesellschaftlichen, klinischen und juristischen Kontext». Die Geke-Kirchen setzen sich für den Schutz der Menschenrechte von Sterbenden und Sterbenskranken ein, so die Medienmitteilung. Dies schliesse das Recht auf ein Leben bis zum Ende und das Recht auf einen Behandlungsverzicht ein. Gleichzeitig wenden sich die Kirchen dagegen, das Prinzip der Autonomie gegen die Solidarität, Empathie und Sorge für die Kranken und Sterbenden auszuspielen.
Zur Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (Geke) haben sich 105 protestantische Kirchen in Europa und in Südamerika zusammen geschlossen. Lutherische, reformierte, unierte, methodistische und vorreformatorische Kirchen gewähren einander durch ihre Zustimmung zur Leuenberger Konkordie von 1973 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.
Deutliches Zeichen aus Zürich
Im Kanton Zürich war die Sterbehilfe am vergangenen Sonntag, 15. Mai 2011, Gegenstand einer Volksabstimmung. Die Stimmberechtigten haben zwei Initiativen wuchtig abgelehnt. Nur 15,5 Prozent der Stimmberechtigten stimmten der Initiative «Stopp der Suizidbeihilfe» zu. Sie verlangte eine Standesinitiative, um ein Verbot auf Bundesebene zu erreichen.
«Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich» sagten lediglich 21,6 Prozent des Stimmvolks. Diese Inititative verlangte eine Wohnsitzpflicht von mindestens einem Jahr im Kanton für die Inanspruchnahme von Sterbehilfe.
Zum Thema:
Pressemitteilung der Evangelischen Kirchen in Europa (PDF)
Quelle: Kipa