Kommentar
Die Frage nach dem würdevollen Leben
Der Suizid von Gunter Sachs wirft fundamentale Fragen auf. In seinem Abschiedsbrief teilte er unter Anderem mit: «Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten.»Die Tragik dieses Todes liegt auch darin, dass ein Leben mit Demenz offenbar noch immer als würdelos angesehen wird. Mein Vater hatte auch Alzheimer und das hat mir gezeigt, dass Menschen mit Alzheimer genauso ihre Menschenwürde behalten. Denn Menschenwürde kann durch nichts genommen werden. Sie ist von Gott gegeben und ist dem Menschen als Ebenbild von Gott inhärent. Sie hängt nicht von der vollen geistigen Kontrolle ab. Die Emotionen und die Menschlichkeit bleiben voll da.
Ja, Menschen im fortgeschrittenen Demenzstadium sind abhängig geworden. Aber Würde wird durch Abhängigkeit nicht geschmälert. Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen und durch Krankheiten eingeschränkt zu werden ist Teil des Lebens.
Demenz generell mit unwürdigem Leben zu verbinden, ist erstens falsch und zweitens gefährlich: Sind nun alle geistig Behinderten unwürdig? Wir nähern uns damit den nazistischen Euthanasie-Theorien. Und es wird den Demenzkranken eingeredet, sie seien unwürdig weiterzuleben. Müssen sie sich nun für ihr Leben rechtfertigen? Mit einem solchen Wertsystem werden Demenzkranke (es sind heute bereits über 100'000, und es werden, wegen der Alterung, immer mehr) geradezu in den Suizid gedrängt. Denn gleichzeitig wird ihnen auch suggeriert, sie kosteten die Allgemeinheit zu viel Geld und Zeit. Damit erzeugen wir Schuldgefühle. Schon oft habe ich alte, kranke Leuten sagen hören, sie seien nur noch eine Last.
Leben lässt sich nicht in Geld bewerten. Es ist von Gott gegeben. Alt und vielleicht krank zu sein, gehört zum Leben. Zeigen wir diesen Menschen mit unserer Unterstützung, dass wir solidarisch sind und sie das Recht zu leben behalten.
Markus Meury ist Redaktor bei der Schweizerischen Alzheimervereinigung, schreibt diesen Beitrag jedoch in seinem persönlichen Namen.
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Autor: Markus Meury
Quelle: Livenet.ch