Finanzierung der Schweizer Kirchen
Am Tropf des Staates hängen – oder lieber nicht?
Die Landeskirchen können aufatmen. Eine Studie des Nationalfonds bestätigt ihnen, dass sie das Steuergelder von Unternehmen und Staatsmittel gut einsetzen. Die meisten Freikirchen verzichten dagegen lieber auf Geld vom Staat. Sie hätten aber gerne mehr Steuergerechtigkeit.
Die beiden grossen Landeskirchen erhalten mindestens 556 Millionen Franken von der öffentlichen Hand, also vom Staat und von Unternehmen. 1,3 Milliarden Franken nehmen sie an Kirchensteuern von ihren Mitgliedern ein. Im Auftrag des Nationalfonds hat die Firma Ecoplan die kultischen (geistlichen) und sozialen Leistungen der beiden grossen Landeskirchen sowie der Freikirchen gemessen.
Sie hat sich dabei auf die Kantone St. Gallen, Bern und Neuenburg konzentriert und festgestellt, dass die sozialen Leistungen der Landeskirchen die öffentlichen Zuwendungen aufwiegen. Luzius Mader, Vizedirektor des Bundesamtes für Justiz, sagte dazu an der Präsentation der Ergebnisse am 23. November 2010 in Bern: «Die Kirchen sind ihr Geld wert!» Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kirchensteuern natürlicher Personen nicht als öffentliche Gelder, sondern als Mitgliederbeiträge gewertet wurden.
Kirche steht besser da als in den Medien
Ist das nun überraschend oder nicht? Bei den Vertretern der Landeskirche war jedenfalls ein Aufatmen feststellbar. Nicht, weil sie vom Ergebnis überrascht seien, sondern weil sie jetzt mit Zahlen belegen könnten, dass die öffentlichen Gelder nicht versanden. Pfarrer Theo Schaad, Geschäftsführer des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), stellte befriedigt fest, die Dienste der Kirche würden in der Bevölkerung besser gewürdigt als in vielen Medienberichten über Gottesdienste bei leeren Kirchenbänken.
Die Überraschung
Überrascht hat die Leiter der Studie, dass die dazu befragten Leute im Kanton Bern die kultischen Angebote wie Gottesdienste, Trauungen und Taufen für wichtiger halten als die sozialen Angebote der Kirchen. Die Kirche sind somit aufgerufen, ihr «Kerngeschäft» zu pflegen.
Auch die Freikirchen, in Bern vertreten durch Vineyard-Pastor Wilf Gasser, stellten befriedigt fest, dass Gemeinden und Verbände jetzt offiziell ihre Gemeinnützigkeit belegen könnten. Für die Freikirchen, die oftmals vergessen oder ausgegrenzt würden, sei dies ein Akt der Anerkennung, sagte Gasser, Delegierter des Verbandes Freikirchen Schweiz. Gasser hofft, dass der Bericht auch eine Grundlage für die Bemühungen der Freikirchen um die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an die Gemeinden bildet. Positiv nahm er auch die Würdigung der Freiwilligenarbeit in den Freikirchen entgegen, die – bezogen auf die Mitgliederzahl – weit über derjenigen der Landeskirchen liegt.
Die Risiken
Dass 85 Prozent der Bevölkerung gemäss einer Umfrage im Rahmen der Studie die Kirchen für wichtig halten, obwohl nur noch 70 Prozent Mitglied einer Landeskirche sind, freute Daniel Kosch von der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz. Er wies in Bern aber auch auf die Risiken der heutigen Finanzierung der Kirchen hin. Die starken professionellen und administrativen Strukturen könnten die Freiwilligenarbeit verdrängen, weil die Kirche ja dank ihren «Funktionären» auch «funktioniere». Der Vergleich mit den Freikirchen und ihren vielen Freiwilligen gebe zu denken. Zudem warnte Kosch: «Die (noch) guten Finanzen erhalten die organisatorische Fassade aufrecht – während es mit dem spirituellen Fundament und der inneren Substanz alles andere als zum Besten zu stehen scheint.»
Freikirchen für mehr Steuergerechtigkeit
Während die Vertreter des Judentums und des Islam in Bern Wert auf öffentlich-rechtliche Anerkennung legen, ist das Interesse dafür bei den Freikirchen begrenzt. Es gehöre eben zur Identität vieler Freikirchen, vom Staat unabhängig zu sein, erklärte dazu Wilf Gasser, Delegierter des VFG. Dagegen sprach sich Daniel Kosch für die Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften aus, weil die heutige Privilegierung der Landeskirchen allein auf die Dauer nicht haltbar sei.
Zum Thema:
Ergebnisse der Studie
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch